8. Beatrice

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8. Beatrice

Das Gelände von Hogwarts lag still und friedlich da, bis plötzlich am Rand des magischen Schutzwalls zwei Personen aus dem Nichts auftauchten. Der Mann hielt sich sofort die Seite und unterdrückte ein Stöhnen, während die junge Frau ganz weiß im Gesicht wurde. Elenora schwankte und stolperte dann ein paar Schritte rückwärts, um sich in die nächstgelegenen Büsche zu übergeben. Sofort war Severus an ihrer Seite und stützte sie, während er sich selbst alle Mühe gab, nicht umzufallen. „Das war wohl der Kaffee", sagte er mit einem schiefen Grinsen, um seine Schmerzen zu verstecken. Elenora aber hörte ihn nicht, in ihr zog sich alles zusammen vor Schmerz und Schwäche. Sie wollte einfach nur noch das Schloss erreichen und sich in ihr Bett legen. Sich gegenseitig stützend machten sich die beiden auf den Weg über das Schulgelände. Als sie beinahe Hagrids Hütte passiert hatten, blieb Snape plötzlich schwer atmend stehen. „Ich... ich brauche kurz eine Pause.", keuchte er und sein Blick streifte Elenora. Er riss die Augen auf und fasste seine Kollegin an der Schulter. „Elenora... wieso blutest du?" Elenora, die ihn immer noch nicht gut hören konnte, hob etwas begriffsstutzig den Kopf und bemerkte dann erst, dass Blut ihre Lippen benetzte. Sie griff sich an die Nase, um das Nasenbluten zu stoppen, aber es war viel zu viel Blut. Ihr Kopf dröhnte und sie fühlte sich, als müsste sie sich gleich wieder übergeben. Ich benutzte nie wieder einen Portschlüssel, dachte sie bei sich und schlang die Arme um sich, als ein plötzlicher Kältestoß ihren Körper durchflutete. Severus sagte wieder irgendetwas zu ihr und fasste sie jetzt an beiden Schultern, aber Elenora musste sich sehr darauf konzentrieren jetzt nicht das Gleichgewicht zu verlieren und richtete ihre Augen auf den Boden. Der kam ihr plötzlich unendlich weit weg vor und ihr wurde wieder schwindelig und übel zugleich. Schwebe ich? fragte sie sich selbst und gab sich alle Mühe, nicht in Panik zu verfallen. Elenoras Beine wurden auf wackelig und sie verlor den Halt. Mit einem dumpfen Schlag fiel sie zu Boden, denn Severus konnte sich nicht schnell genug bewegen, um sie aufzufangen. Die junge Gryffindor verlor jegliches Körpergefühl und starrte einfach nur in den schwarzen Nachthimmel, der ab und zu von einem von schwarzen Haaren umrahmten Gesicht verdeckt wurde. Dann kam noch ein zweites, etwas haarigeres Gesicht hinzu und das Letzte was sie wahrnahm, bevor ihre Augen zufielen, waren die dunklen Augen eines Mannes, die sorgenvoll auf sie herabstarrten.

Elenora stand vor den Eingangstoren von Hogwarts und blickte auf eine Schülermenge, die die Treppen vom Bootshaus emporstieg, angeführt von Hagrid. „Erstklässler, hier entlang! Gleich sind wir da!", rief der bärtige Halbriese und öffnete die großen Flügeltüren für die Schar Erstklässler, die mächtig staunend in die imposante Eingangshalle strömte. Bei genauerem Hinsehen erkannte Elenora einen dunklen Lockenschopf, der etwas gelassener durch die Tür schritt. Es war Elenora selbst, im Alter von elf Jahren, die das Gelände natürlich schon kannte und deshalb eher gelangweilt als aufgeregt dreinschaute. Die erwachsene Elenora folgte ihrem jungen Ich durch die Flure zur Treppe, an dessen obersten Treppenstufe eine jüngere Version von Minerva McGonagall stand und die Kinder willkommen hieß. Während sie die Neuankömmlinge über das folgende Geschehen informierte, flüsterte die kleine Elenora einer anderen Schülerin etwas ins Ohr und beide kicherten. Minerva besann ihre Nichte mit demselben strengen Blick, den sie ihr auch heute noch schenkte und ermahnte sie zur Ruhe. Dann öffneten sich die Türen zur großen Halle und die Gruppe trat, angeführt von Minerva, in den Saal. Sogleich begann die Auswahlzeremonie und Professor McGonagall rief nacheinander ein paar Schüler auf, die vom sprechenden Hut in ihre Häuser eingeteilt wurden. „Elenora McGonagall!", rief Minerva nun und beobachtete ihre Nichte, während diese sich auf den Holzstuhl setzte. Als ihr Name gerufen wurde, breitete sich wildes Getuschel bei den Hogwartsschülern aus und die erwachsene Elenora reckte den Kopf, um ihrer eigenen Zeremonie zuzusehen. Der Hut lachte laut auf. „HA! Eine McGonagall... so eine hatte ich schon lange nicht mehr. Nun, wie bei deiner Vorgängerin ist jetzt die Frage: Gryffindor oder Ravenclaw?" Was der Hut damit meinte, war, dass der auch schon bei Minerva lange gebraucht hatte, um sich zwischen den beiden Häusern zu entscheiden. Nach einigen Minuten verkündete der sprechende Hut endlich das Ergebnis: „GRYFFINDOR!"

Die Szene wechselte zu einer ungefähr vierzehnjährigen Elenora, die zusammen mit einer Slytherin auf einer Bank im Schlosshof saß und in ein Buch vertieft war. „El, komm schon, lass uns gehen, das Quidditch-Auswahltraining fängt gleich an! Ich komme sonst zu spät!" Elenora klappte ihr Buch zusammen und rollte mit den Augen: „Na schön, ich komme...warum kannst du da nicht alleine hin, Bea?" Das Mädchen starrte ihre Freundin vorwurfsvoll an. „Na, weil du meine moralische Unterstützung bist? Hallooo, wer soll mich denn sonst anfeuern, wenn es meine beste Freundin nicht tut?" Elenora lachte und umarmte Beatrice. „Ich komme ja schon, du Angsthase." Beas Augen glänzten glücklich und die erwachsene Elenora wollte gerade die Hand ausstrecken, um nach ihrer ehemaligen besten Freundin zu greifen, da wechselte das Bild erneut.

Elenora stand immer noch auf dem Schlosshof, allerdings lag dieser jetzt in Schutt und Asche. Alles brannte und Steine flogen durch die Luft, als Todesflüche und Schutzzauber aufeinandertrafen. Inmitten des Chaos konnte Elenora ihr erwachsenes Ich sehen, wie sie Rücken an Rücken mit ihrer besten Freundin stand und drei Todesser auf einmal abwehrte, die sie umzingelt hatten. „Crucio!", schrie einer der Todesser und schwang seinen Zauberstab, aber Elenora konnte den Fluch abwehren. Auch Bea führte einen Schutzzauber durch, als die beiden plötzlich die Schreie zweier Kinder hörten, die ebenfalls von Todessern eingekesselt worden waren. Einer der Todesser sammelte seine Kraft für den Todeszauber, die beiden Schüler jedoch lagen verwundet und wehrlos am Boden. Elenora entwaffnete ihr Gegenüber und wollte den beiden zur Hilfe eilen, da stürzte Bea vor und warf sich vor die beiden. Ein roter Blitz traf sie mitten in der Brust und sie fiel mitten im Flug zu Boden. Elenora schrie auf und rannte auf ihre Freundin zu, doch es war schon zu spät. Schmerzerfüllt schrie die Gryffindor den Todesser an, der Beatrice umgebracht hatte und feuerte einen Fluch nach dem anderen auf ihn ab, allerdings ohne Erfolg. Als sie den wütenden Ausbruch der jungen Hexe sahen, entfernten sich die umherstehenden Todesser eilig, um ihren Flüchen zu entgehen. Die beiden Kinder waren auch geflüchtet, sodass der Schlosshof bald leer. Elenora schnaubte voller Wut und Trauer, drehte sich dann zu ihrer Freundin um und ließ sich über ihren toten Körper fallen. Die wirkliche Elenora konnte den Schmerz ihres jüngeren Ich sehr deutlich spüren, war aber unfähig, sich zu bewegen. Plötzlich kam Remus Lupin um die Ecke gerannt und entdeckte die weinende Elenora. Er lief zu ihr und legte ihr erst beide Hände auf die Schultern. „Es tut mir so leid, Elenora. Aber wir müssen gehen, es kommt eine große Gruppe an Todessern!" Als sich Elenora nicht bewegte, zog er sanft an ihr. „Elenora. Komm, bitte. Deine Freundin hätte nicht gewollt, dass sie dich auch erwischen. Bitte!" „Aber ich kann sie doch nicht einfach hier zurücklassen!" „Du musst.", sagte Lupin mit brechender Stimme und sah sie eindringlich an. Elenora schluchzte auf, strich Bea zum Abschied dann ein letztes Mal über die Wange und rappelte sich auf. Sie konnte sich von ihrer Freundin allerdings nicht so recht trennen, weshalb sie sich von Remus mitschleifen ließ. Da erschien die Gruppe Todesser um die Ecke und Lupin zog Elenora schnell hinter eine Säule. Von dort aus konnten sie beobachten, wie die Todesser lachend Bombenflüche auf die Schulmauern abfeuerten und die Flammen anheizten. Die gesamten Mauern des Schlosshofes stürzten brennend zusammen und begruben auch Beatrices Leiche unter sich. „NEIN!", weinte Elenora und wollte wieder losstürzen, doch Lupin hielt sie fest und zerrte sie weg von den Todessern.

Die Szene wechselte ein letztes Mal, und diesmal befand sich Elenora auf einem Friedhof. Es war still, und das Einzige was man hören konnte, war der Regen, der auf die Grabsteine tropfte. Elenora schritt langsam durch das nasse Gras; sie kannte diesen Ort. Diesen Moment. Der Nebel lichtete sich und da konnte Elenora eine kleine Gruppe an Menschen sehen, die um einen frisch aufstellten Gedenkstein umherstanden. Auf dem schön verzierten Stein stand: 'Beatrice Genevieve Donadieu, 1972 – 1998'. Neben dem Stein knieten eine Frau und ein kleiner Junge, Beatrices Mutter Antonia und ihr kleiner Bruder Jean. Hinter der Familie Donadieu standen ein paar ehemalige Schüler von Hogwarts, Elenora und Minerva, die ihre Nichte in den Arm genommen hatte. Auch dort war Charlie Weasley. Er war ebenfalls mit Elenora und Beatrice in einem Jahrgang gewesen und sie hatten sich immer gut verstanden. Die reale Elenora blieb neben der Gedenkstelle stehen und wollte Antonia eine Hand auf die Schulter legen, war aber wieder unfähig sich zu rühren. Der Regen tropfte auf die vielen Blumen und Kerzen, die vor dem Stein verteilt lagen und hin und wieder konnte man ein Schluchzen der Umherstehenden vernehmen. So stand die Gruppe da, in tiefer Trauer vereint, dass so eine junge Frau von ihnen gegangen war. Plötzlich riss der Himmel auf und es wurde schlagartig hell, so blendend, dass Elenora nichts mehr erkennen konnte.

A Hogwarts Love StoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt