19. Geisterhafte Ratschläge

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19. Geisterhafte Ratschläge

Am nächsten Morgen wurde Elenora von ihrer schmerzenden Seite geweckt. Ein Blick auf die Uhr verriet ihr, dass es erst kurz nach fünf Uhr morgens war. Betäubt hievte sich die Gryffindor aus den Laken und tapste zum Spiegel. Als sie ihr Nachthemd hochschob, stellte sie panisch fest, dass sich die Stelle nicht nur dunkler verfärbt hatte, sondern auch noch angeschwollen war und heiß glühte. Ohne zu zögern warf sich Elenora ihren Umhang um und verließ ihre Räumlichkeiten. Unter Schmerzen lief sie so schnell sie konnte zum Krankenflügel. Zum Glück wusste sie, dass Poppy um diese Uhrzeit schon wach war und so öffnete sie die Tür des Flügels und trat ein. Madame Pomfrey, die gerade ein paar frische Kissen aufschüttelte, sah auf und entdeckte die Nichte ihrer Freundin in der Tür. „Alles in Ordnung, Liebes?" Verlegen stieg Elenora von einem Fuß auf den anderen. „Eigentlich nicht, nein...", beichtete sie und zog ihr Nachthemd hoch. Poppys Augen wurden groß und sie sog erschrocken die Luft ein. „Bei Merlin! Los, zieh das Hemd aus und leg dich da hin! Was ist denn passiert?" Während sich die junge Frau das Hemd über den Kopf zog, nuschelte sie: „Ich bin gestern auf dem Eis ausgerutscht." Jetzt war Poppy wirklich in heller Aufregung. „Wie, GESTERN? HABE ich dir nicht gesagt, dass zu SOFORT zu mir kommen sollst, wenn dir etwas passiert?", zeterte sie, während sie benötigte Utensilien neben Elenoras Bett stellte. Die junge Professorin schwieg und biss die Zähne zusammen, als Poppy leicht auf die Schwellung drückte. Während sie die Verletzung untersuchte, hielt die Heilerin ihrer Kollegin einen wütenden Vortrag über die Risiken eines Sturzes auf dem Eis, den Elenora still über sich ergehen ließ. Einige lange Minuten später stand Poppy mit verschränkten Armen auf und musterte ihre Patientin. „Deiner gebrochenen Rippe ist wie durch ein Wunder nichts passiert, aber dafür hast du dir die daneben geprellt." Na großartig. Elenora stöhnte und legte den Kopf in die Kissen. War das etwa die Strafe für ihren gestrigen Wutanfall? Poppy schüttelte den Kopf. „Warum warst du gestern Nacht überhaupt noch draußen?", wollte sie wissen und verteilte vorsichtig etwas Creme auf der geschwollenen Haut. „Ich hatte einen kleinen Wutanfall beim Abendessen und wollte allein sein." sagte Elenora gerade heraus. Es brachte sowieso nichts, die Heilerin anzulügen; die Frau war ein lebendiger Lügendetektor. Als Poppy sie daraufhin skeptisch ansah, erzählte die Gryffindor ihr alles. Es tat gut, alles einmal loszuwerden, und als sie Poppys verständnisvollen Blick sah, erkannte sie, dass sie vielleicht doch nicht so allein war. Wenigstens gibt es eine Person, auf die ich mich immer verlassen kann, dachte Elenora und beobachtete, wie die Heilerin einen dünnen Verband um ihre Rippen wickelte, während sie ihre Gedanken sortierte. Dann fing sie an: „Elenora, ich kann verstehen, warum du so wütend auf Minerva bist, aber versuch' doch mal, es auch von ihrer Seite zu sehen: Sie hat gesehen, wie unglücklich du warst, als dir dieser Junge das Herz gebrochen hat. Weißt du, in dieser Zeit kam sie oft zu mir und hat mich um Rat gefragt, weil sie nicht wusste, wie sie dir noch helfen soll. Du bedeutest ihr sehr viel, musst du wissen. Ihre Reaktion war also nur natürlich, wenn du mich fragst. Aber ich bin mir sicher, wenn du ihr in Ruhe erklärst, was dir Mr. Durant bedeutet, wird sie es verstehen und dich unterstützen. Und was Severus angeht..." Sie pausierte und sah aus dem Fenster, als schien sie nach den richtigen Worten zu suchen. „Wie schon gesagt, er ist manchmal eine schwierige Person, die Emotionen weder gut ausdrücken noch aufnehmen kann. Das liegt einfach nicht mehr in seiner Natur. Aber ich glaube, ein langes Gespräch würde auch hier sein Übriges tun. Allerdings muss es von ihm aus kommen. Versuche nicht, ihn zu irgendetwas zu zwingen, zu dem er nicht bereit ist. Das macht es nur noch schlimmer, glaub mir." Elenora hatte dem Rat der Heilerin schweigend zugehört und realisierte, dass sie zumindest im puncto Minerva Recht hatte. Ihre Tante versuchte nur, auf sie aufzupassen und sie zu beschützen. Und ich habe sie eine Verräterin genannt, dachte die junge Frau reumütig und starrte resigniert in die Leere. Poppy verschloss den Verband und drückte ihr eine Phiole mit einer blaugrünen Flüssigkeit in die Hand. „Hier, ein Abschwelltrank für heute Abend. Du hast Glück, dass Severus vorgestern erst den Vorrat davon aufgefüllt hat." Elenora bedankte sich bei der Heilerin und verließ daraufhin mit gemischten Gefühlen den Saal. Zum Frühstück konnte sie jetzt ganz sicher nicht erscheinen, so viel stand fest. Leise lief Elenora die Gänge entlang zurück zu ihren Gemächern. Dort ließ sie sich auf ihr Sofa fallen und starrte unsicher die Wand an. Was in aller Welt sollte sie jetzt machen? Hogwarts war zwar ein großes Schloss, aber dennoch nicht groß genug um Minerva so lange aus dem Weg zu gehen, bis sich die Gryffindor eine anständige Entschuldigung überlegt hatte. Um Severus machte sie sich keine Sorgen, der war die meiste Zeit sowieso in seinem Labor und tüftelte an irgendwelchen Tränken. Aber Minerva? Sie war auch als Direktorin schon oft genug in dem Schulhaus unterwegs, aber Elenora wusste, dass sie auch in ihrer Animagusform sehr gerne lange Spaziergänge durch die entlegensten Winkel von Hogwarts unternahm. Was bedeutete, dass Elenora also die ganze Zeit nach einer strengen Hexe UND einer gestreiften Katze Ausschau halten musste. Die junge Frau fluchte innerlich und ärgerte sich über sich selbst. Warum konnte sie ihre Gefühle denn nicht im Zaum halten? Schließlich war sie schon lange erwachsen und keine pubertierende Jugendliche mehr! Kopfschüttelnd tastete Elenora nach ihrem Zauberstab in ihrer Tasche, da fiel ihr ein, dass dieser ja immer noch im Klassenzimmer lag. Da war ja was. Seufzend erhob sich die junge Frau wieder und wechselte ihre ungewöhnliche Kleiderkombination zu ihrer Lehrerobe, dann verließ sie ihr Zimmer und machte sich auf den langen Weg quer durch das Schloss zu ihrem Klassenzimmer. Die ersten Morgenstrahlen schienen durch die Fenster und weckten ein Paar Gemälde, die gähnend und grummelnd die Augen öffneten. „Guten Morgen, Professor!" vernahm Elenora plötzlich eine Stimme hinter sich. Sir Nicholas, der Hausgeist von Gryffindor, schwebte um eine Ecke und passte sich ihrem Schritttempo an. „Heute keinen Hunger gehabt?" Die Gryffindor schüttelte den Kopf. „Nein, nicht wirklich." erwiderte sie und erntete ein verständnisvolles Nicken von Nicholas. Als Elenora seufzte, neigte er seinen Kopf und fragte: „Ihnen liegt doch etwas auf dem Herzen, habe ich recht? Keine Sorge, ich verrate nichts weiter, schließlich sind wir im selben Team", sagte er lächelnd und deutete auf den Gryffindor-Löwen auf ihrer Brosche. Die junge Frau sah zu Boden. „Nicholas... was würden Sie machen, wenn Sie jemandem Unrecht angetan hätten und die Person damit sehr verletzt hätten?" Der Geist sah sie nachdenklich an, dann beugte er sich ein bisschen vor und senkte seine Stimme. „Hat das zufällig etwas mit dem gestrigen Zwischenfall zu tun?" Als Elenora ihn schockiert ansah, lachte er. „Nun, ich bin zwar ein Geist, aber ihr kleiner Disput mit unseren werten Schulleitern ist mir trotzdem nicht entgangen. So etwas spricht sich außerdem herum, wissen Sie." Resigniert nickte die junge Professorin. Sir Nicholas räusperte sich und erklärte: „Nun, ich würde Ihnen raten, die Sache schnellstmöglich aus der Welt zu schaffen. Desto eher Sie die Angelegenheit klären, desto besser. Sonst frisst es Sie nur noch mehr auf und es wird Ihnen zur Last." Langsam nickend blieb Elenora vor dem Klassenzimmer stehen. „Danke für den Ratschlag, Sir Nicholas." Der Hausgeist deutete eine leichte Verbeugung an. „Stets zu ihren Diensten, Professor." Dann verschwand er durch eine Wand in den nächsten Gang und ließ Elenora zurück, die den Türknauf der Holztür drehte und in den Klassenraum trat. Tatsächlich lag ihr Zauberstab auf dem Schreibtisch und sie nahm ihn wieder an sich. Die tickende Wanduhr verriet ihr, dass ihr noch eine gute Stunde bleib, bis die Schüler zum Unterricht eintrudelten. Mittlerweile verspürte sie ein Hungergefühl und die Professorin überlegte kurz, ob sie sich doch noch zum Frühstück gegeben sollte, verwarf die Idee allerdings schnell wieder. Sie war einfach noch nicht bereit, sich zu entschuldigen. Kurzerhand schnippte die junge Frau mit den Fingern und wenige Augenblicke später erschien Polly neben ihrem Tisch. „Wie kann ich Ihnen helfen, Miss?" „Polly, wärst du so lieb und bringst mir etwas Kleines zum Essen her? Ich kann heute nicht in die große Halle zum Frühstück", bat sie die kleine Hauselfin, die ohne weitere Fragen wieder verschwand. Elenora ließ sich auf ihrem Stuhl wieder und sortierte die Pergamentrollen auf ihrem Schreibtisch, während sie auf ihr Frühstück wartete. Fünf Minuten später klapperte es vor ihrem Tisch und ein paar zarte Hauselfenhände legten ein silbernes Tablet auf der Tischfläche ab. „Vielen Dank Polly, du bist großartig", bedankte sich Elenora bei dem kleinen Wesen, die nur lächelte und sich wieder in Luft auflöste. Während sie ihr Frühstück betrachtete, lief Elenora das Wasser im Mund zusammen. Die Küche hatte ihr frisch geschnittenes Obst, Waffeln und belegte Brötchen auf dem Tablet angerichtet und die Gryffindor bis hungrig in eines hinein. Schon bald ging es ihr ein bisschen besser und sie setzte die Papierkram-Arbeit fort. Sie zog den nächsten Stapel an Zetteln zu sich und ordnete die Hogsmeade-Einverständniserklärungen neu, nachdem während der vergangenen Woche zwei weitere eingetrudelt waren. Sorgfältig legte sie die Papiere in den alphabetisch sortierten Stapel ein und schrieb die Namen auf ihre Checkliste, als es klopfte und eine Schülerin den Kopf durch die Tür steckte. Verwundert hob Elenora den Kopf und fragte sich, was das Gryffindor-Mädchen wohl so früh von ihr brauchen könnte. „Was gibt es, Ms. Duncan?" „Hier ist ein Brief für Sie, Professor." Die Gryffindor-Schülerin trat ein und gab ihrer Lehrerin den Umschlag, den Elenora dankend annahm. Als Ms. Duncan wieder die Tür hinter sich geschlossen hatte, riss Elenora den Brief eilig auf, denn sie hatte Damiens Handschrift sofort erkannt. Lächelnd lehnte sie sich zurück und laß sich den geschriebenen Text durch, dann wurden ihre Augen groß und ein freudiges „Endlich!" entwich ihr. Damien würde am Freitag wieder in London ankommen und obendrein hatte er ihre Einladung nach Hogsmeade angenommen. Sie würden sich dieses Wochenende also endlich wiedersehen! Glücklich über diese gute Nachricht drückte die junge Frau den Brief an sich und konnte ihr Grinsen gar nicht abstellen.

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