11. Festvorbereitungen

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11. Festvorbereitungen

Die herbstliche Abendluft strich durch die Blätter der peitschenden Weide, an der Elenora gerade mit Sicherheitsabstand vorbeischlenderte. Sie hatte sich nach dem Abendessen auf einen Spaziergang begeben, um den Kopf freizubekommen. Als sie am Großen See angelangt war, blieb sie kurz stehen und betrachtete die Spiegelungen des Sonnenuntergangs auf der Wasseroberfläche. Entspannt schloss sie die Augen und erinnerte sich an die Zeit, als sie als kleines Mädchen mit ihrer Tante Besenflüge über diesen See gemacht hatte. Minerva hatte zwar seit dem Unfall in ihrer Jugend kein Quidditch mehr gespielt, aber geflogen war sie trotzdem noch gerne. Elenora musste bei dieser Erinnerung lächeln und öffnete wieder ihre Augen. Sie vermisste solche unbeschwerten Momente sehr, denn seit Voldemorts Rückkehr waren sie aus ihrem Leben fast gänzlich verschwunden. Auch wenn der grausame Zauberer besiegt worden war, hatte er der Zauberergesellschaft ein Vermächtnis in Form von Trauma, Depressionen und Trauer hinterlassen, dass noch viele Jahre weiterexistieren würde. Viele Familien waren seit seinem Aufstieg zerstört oder gänzlich ausgelöscht worden, viele hatten ihre Freunde und Verwandten verloren. So wie sie selbst. Elenora seufzte. Sie wusste gar nicht, wen sie mehr vermisste; Beatrice oder ihre Eltern. Wenn sie so darüber nachdachte, rückte der Gedanke an ihre Eltern eher in den Hintergrund. Was wohl daran lag, dass sie ihren Vater nie wirklich kennengelernt und ihre Mutter nur in einer Zeit von Angst und Trauer gesehen hatte. Robert McGonagall war immer auf Einsätzen in England gewesen und war nur selten Zuhause geblieben, weswegen Elenora schon lange sein Gesicht vergessen hätte, gäbe es keine Fotos von ihm. Die einzige klare Erinnerung, die sie an ihre Mutter Cathlyn hatte, war sie knieend vor dem Grab ihres Ehemannes zu sehen, völlig aufgelöst und kraftlos vom vielen Weinen. Elenora war damals erst fünf Jahre alt gewesen und hatte nicht verstanden, warum ihre Mutter so trauerte. Wenige Monate später wurde auch Cathlyn von Todessern entführt und bald darauf tot aufgefunden. Die Todesser hatten ihre Spur wirklich bis nach Amerika verfolgt, um Roberts Familie auszulöschen. Zum Glück war Elenora bei ihrer Tagesmutter gewesen, sodass Voldemorts Anhänger sie nicht finden konnten und deswegen nur Cathlyn verschleppten. Man hatte Elenora nach dem Tod ihrer Mutter in ein Kinderheim gebracht, weit ab von ihrem früheren Wohnort und den wenigen Menschen, die sie gekannt hatte. An alles, was Elenora sich aus dieser Zeit noch erinnern konnte, war, wie sie zusammengekauert in einer Ecke ihres Kinderheimzimmers saß und nach ihrer Mutter weinte. Viele Tage hatte sie so verbracht, bis eines Tages Minerva auftauchte und sie mit nach Schottland nahm. Das war der schönste Tag ihres Lebens gewesen. Eine Träne rollte Elenoras Wange herunter und sie wischte sie eilig weg. Vergangenes ist vergangen, sagte sie zu sich selbst und setzte ihren Weg zum Schloss fort. Die Sonne war mittlerweile hinter dem Horizont verschwunden und die Dunkelheit setzte rasch ein. Als Elenora bei einem Seiteneingang des Gebäudes angelangt war, war es bereits stockfinster. Auch im Inneren des Gebäudes war es dunkel, sodass Elenora fast mit einem Slytherin-Schüler zusammengestoßen wäre. „Was machen Sie denn noch hier draußen, Middleton? Es ist längst Bettruhe!", schalt sie den Sechstklässler. Der Slytherin kniff die Lippen zusammen und antwortete: „Entschuldigung, Professor. Ich war gerade auf dem Weg zum Schlafsaal." Tadelnd sah Elenora ihn an und stemmte die Hände in die Seiten. „Ich muss Ihnen trotzdem fünf Punkte abziehen, Mr. Middleton. So lernen Sie vielleicht daraus!" Geknickt sah der Schüler zu Boden und wandte sich zum Gehen, da hielt er noch einmal kurz inne und fragte leise: „Werden Sie es Professor Snape erzählen?" Elenora starrte ihren Schüler einen Augenblick lang an, dann erwiderte sie etwas freundlicher: „Nein, werde ich nicht, wenn Sie mir versprechen, dass sich das nicht wiederholt." Der Schüler nickte eifrig und verabschiedete sich dann mit einem „Gute Nacht, Professor!". Die Gryffindor sah dem jungen Slytherin kopfschüttelnd hinterher, dann begab sie sich zu ihren eigenen Gemächern. Die Furcht in den Augen des Jungen, als er sie nach Snape fragte, ließ sie nicht los. Es gab anscheinend wirklich noch Schüler, die Angst vor ihm hatten. Kein Wunder, bei seiner schroffen Art. Sie erreichte ihren Korridor und stieß schon wieder fast mit jemandem zusammen, der ihr entgegenkam. „Tante Mina? Was machst du denn hier?", wollte Elenora erstaunt wissen, als sie ihre Tante mit einem Haufen Pergamentrollen im Arm erkannte. Minerva lächelte und erwiderte: „Ich habe nach dir gesucht, Liebes. Ich wollte mit dir die Vorbereitungen für das Hogwarts-Fest besprechen." Ihre Nichte hob verwirrt die Augenbrauen. „Hogwarts-Fest?" „So habe ich die Feierlichkeiten für die Fertigstellung der Schule getauft. Ich habe keinen besseren Namen gefunden", erklärte die Schulleiterin und trat hinter Elenora durch die Tür zu ihren Gemächern. „Solltest du das nicht mit deinem zweiten Schulleiter besprechen?" „Severus? Du scherzt, richtig? Der würde mir wahrscheinlich die Tür vor der Nase zuschlagen, wenn er das Wort 'Fest' hört.", beklagte sich die ehemalige Gryffindor. Die beiden Frauen ließen sich auf dem Sofa vor dem Kamin nieder und Elenora entzündete das Holz mit einem Fingerschnippen. Minerva breitete die Pergamentrollen auf dem Tisch vor ihr aus und begann zu erklären: „Heute wurde der letzte Torbogen fertiggestellt, das heißt, die Schule ist endlich wieder ganz. Das Fest findet in der letzten Herbstwoche statt, also in zwei Wochen. Ich habe mir schon ein paar Gedanken gemacht, was die Dekorationen und die Versorgung anbelangen, aber du bist der kreativere Kopf von uns beiden. Also, irgendwelche Vorschläge?" Elenora grinste bereits und antwortete dann: „Das wird dir jetzt nicht gefallen, aber ich weiß, wo wir unser Feuerwerk bestellen werden." Ihre Tante stöhnte unwillig, als sie die Erkenntnis überkam. „Weasleys Zauberhafte Zauberscherze? Die werden doch eher das Gebäude wieder in die Luft fliegen lassen mit ihren monströsen Krachern!" „Komm schon, Mina. Selbst du musst zugeben, dass sie während Umbridges Jahr einen Wahnsinns-Abgang hingelegt haben!" Seelig lächelnd lehnte sich Minerva in ihre Kissen zurück. „Ja, das hatte die alte Kröte auch wirklich verdient." Sie wurde wieder ernst. „Aber bist du dir sicher, dass wir das wirklich in die Hände von den Weasley-Zwillingen legen sollten? Es gibt doch bestimmt noch andere gute Feuerwerksläden!", flehte sie ihre Nichte an. „Ja, ich bin mir sicher.", beharrte Elenora und ließ eine Feder und Briefpapier von ihrem Schreibtisch herbeifliegen. „Ich werde den beiden gleich einen Brief schreiben." Resigniert gab Minerva auf und wandte sich dem nächsten Punkt zu. Elenora bekam richtig Spaß am Planen und so saßen die beiden noch bis tief in die Nacht zusammen.

In den nächsten zwei Wochen war die gesamte Schulgemeinschaft damit beschäftigt, das Schloss für das bevorstehende Fest herauszuputzen. Zum ersten Mal seit langem konnte man die Hauselfen der Schule bei der Arbeit beobachten, wie sie das Gebäude blitzblank putzen und dekorierten. Überall wurden Girlanden und kleine Lampions aufgehängt, die am Festtag entzündet werden sollten. Man konnte die Vorfreude in jedem Winkel des Schlosses spüren und alle, Schüler wie Lehrer, waren noch besser gelaunt als sonst. Naja, fast alle. Mr. Filch war von den Feierlichkeiten nicht wirklich begeistert und auch Severus Snape verzog jedes Mal genervt die Miene, wenn Minerva ihn mit neuen Aufgaben betreute. Zwischen Elenora und Snape herrschte mittlerweile ein höfliches, fast kühles Verhältnis und sie redeten nur miteinander, wenn es sich nicht vermeiden ließ. So wie heute, als Minerva die beiden zusammen losgeschickt hatte, um die Feuerwerk-Bestellung von den Weasley-Brüdern entgegenzunehmen. Severus und Elenora waren schweigend zusammen bis zur Appariergrenze gelaufen und warteten jetzt auf die Ladenbesitzer, die jeden Moment auftauchen sollten. Tatsächlich glühte einige Meter vor ihnen ein kleines Licht auf und Fred und George Weasley apparierten vor ihnen, mit ein paar Kisten unter den Armen. „Fred, George, schön euch zu sehen!", begrüßte Elenora die beiden Brüder, die sie freudestrahlend angrinsten. „Professor McGonagall, gut sehen Sie aus!", rief Fred augenzwinkernd und bekam von seinem Bruder einen Ellenbogen in die Seite, der schon Elenoras Begleitung entdeckt hatte. Fred hob erstaunt die Augenbraune, als er seinen ehemaligen Zaubertränke-Lehrer erblickte. „Snape, altes Haus, Sie unterrichten ja wirklich wieder!", grinste Fred und Severus kräuselte die Lippen. „In der Tat. Ich sehe, Sie beide haben sich auch kein bisschen verändert", keifte er in typsicher Snape-Manier. George grinste ebenfalls und drückte Elenora seine Pakete in die Hand. „Ihre Bestellung, Elenora. Nur das Beste vom Feinsten!" Als Snape die Pakete von Fred entgegengenommen und ihn bezahlt hatte, lächelte Elenora die Zwillinge dankbar an. „Vielen Dank, Jungs. Wir sehen uns auf dem Fest!" „Bis Dann!", verabschiedeten sich die beiden im Chor und waren mit einem leisen Flopp wieder verschwunden. „Ich konnte die beiden noch nie leiden.", kommentierte Severus, als sie den Rückweg antraten. „Habe ich gemerkt.", sagte Elenora und musste grinsen. Als sie Snapes Blick sah, wurde sie allerdings schnell wieder ernst. Der Mann war wohl nicht zum Spaßen aufgelegt, zumindest nicht mit ihr. Innerlich seufzte Elenora und verfluchte sich zum hundertsten Mal, dass sie ihm ihre Gefühle offenbart hatte. Ohne ein weiteres Wort miteinander zu wechseln kamen sie wieder beim Schloss an und verstauten die Kisten in Elenoras Büro. „Danke für die Hilfe", sagte die Gryffindor zum Tränkemeister, der sich die Robe abklopfte. „Keine Ursache.", antwortete er und verschwand durch die offene Tür. Elenora drehte sich zu den Paketen um und rieb sich voller Vorfreude die Hände. Jetzt konnte das Fest beginnen. 

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