46. Familiendilemma

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Lucius sah erstaunt auf, als Narzissa aufsprang und in den Flur eilte. Man hörte, wie sich die schwere Tür öffnete und gedämpfte Stimmen wurden laut. Neugierig starrten alle auf den Türrahmen, durch den nun niemand anderes schritt als Draco Malfoy persönlich. Hinter ihm kamen Narzissa und eine junge Frau, die Elenora auf den ersten Blick unbekannt war. Die Gryffindor vernahm das leise erstaunte Keuchen von Lucius, der sich erhob und langsam auf seinen Sohn zuschritt. „Ihr seid ja doch gekommen..." „Ja.", erwiderte der einzige Erbe der Malfoys knapp und fasste seine weibliche Begleitung an der Hand. Lucius blieb sichtlich unsicher vor seinem Sohn stehen und drückte ihm dann nur kurz die Schulter. Anschließend wandte er sich der jungen Frau zu, die schüchtern in den Raum blickte. „Ms. Greengrass.", begrüßte der Slytherin auch sie und machte eine Handbewegung zu den freien Sesseln im Raum. Das junge Paar trat ein, bis Draco plötzlich abrupt stehenblieb, als er seine ehemaligen Lehrer erblickte. Severus hatte sich erhoben, schüttelte seinem Patenkind die Hand und nickte Ms. Greengrass zu, doch Dracos Augen blieben an Elenora haften wie Kletten an einem Wollschal. Die junge Professorin knetete nervös ihre Hände und trat einen vorsichtigen Schritt auf ihren ehemaligen Schüler zu. „Schön dich zu sehen, Draco." Sie streckte ihm ebenfalls die Hand entgegen, die Draco zunächst nur stumm schüttelte, bis er noch ein „Ebenfalls" von sich gab. „Draco, willst du unseren Gästen nicht noch deine Begleitung vorstellen?" Der junge Mann räusperte sich und erklärte: „Sicher, Entschuldigung. Das ist Astoria Greengrass, meine... Freundin." In Elenora regte sich etwas bei dem Namen. „Greengrass? Sie haben eine ältere Schwester, richtig?" Astoria lächelte leicht und mit einer überraschend sanften Stimme antwortete sie: „Ja, Daphne. Wir waren auch beide in Hogwarts." Elenora nickte wissend und ließ sich dann zeitgleich mit den anderen wieder auf ihrem Sessel nieder. Dracos Eltern waren sichtlich unvorbereitet auf den Besuch ihres Sohnes und wirkten sehr nervös. Lucius deutete auf die Flasche Champagner, die schon zur Hälfte leer war. „Champagner?" „Nein, danke.", antwortete Draco, doch Astoria setzte sich aufrechter hin und erwiderte: „Gerne." Während Lucius ein frisches Glas vollgoss, sah Narzissa ihren Sohn stumm an, um dann zu fragen: „Wie ist es in Russland?" Draco richtete seinen Kragen und lehnte sich zurück. „Schön. Aber auch ziemlich kalt." Er sah zu seiner Freundin, die ihm ein sanftes Lächeln schenkte. „Wir genießen trotzdem die Zeit dort. Die Russen sind wirklich sehr gastfreundlich." „Das ist schön zu hören.", sagte Narzissa und sah zu Boden. Jetzt regte sich auch Lucius. „Habt ihr schon überlegt, wann ihr wieder zurückkommt? Nach England?" Astoria öffnete den Mund, schloss ihn aber wieder, nachdem sie Dracos Miene sah. Dieser sah seinen Vater nicht an und sagte nur kurz angebunden: „Nein, noch nicht. Aber es wird nicht in naher Zukunft sein, soviel steht fest." Das Ehepaar Malfoy versuchte seine Enttäuschung zu verbergen, was zumindest Narzissa nicht so gut gelang. Elenora hatte das Gefühl, in ein großes internes Familienproblem hineingestolpert zu sein und warf Severus einen Seitenblick zu, der diesen erwiderte. Die junge Frau war sich sicher, dass sie beide sich das gleiche dachten: Wir sollten jetzt nicht hier sein. Glücklicherweise ergriff Severus die Initiative und räusperte sich. „Nun, ich denke es ist an der Zeit, dass wir uns auf den Weg zurück nach Hogwarts machen. Es ist ein weiter Port und die junge McGonagall hier ist kein großer Freund von Portschlüsseln." Wäre das nicht die perfekte Ausrede zum Gehen gewesen, hätte Elenora Snape jetzt böse angezischt. Schließlich musste nicht jeder von ihrer größten Schwäche erfahren. Lucius nickte langsam und erhob sich. „Ich bringe euch zur Tür." Offensichtlich konnte er sich nicht mit dem Gedanken anfreunden, allein mit seinem Sohn und dessen Freundin in einem Raum zu sein. Die Professoren ließen sich vom Hausherrn in den Flur führen, wo sie sich ihre Mäntel überzogen. „Nochmal vielen Dank für die Einladung, Lucius. Oh, jetzt hätte ich es fast vergessen..." Elenora kramte in ihrer Manteltasche nach einem kleinen Päckchen, das sie jetzt dem Slytherin überreichte. „Zur Hauseinweihung." „Ah, das wäre doch nicht nötig gewesen...", murmelte Lucius, während er das Geschenk von seiner Samtverpackung befreite. Zum Vorschein kam ein hochwertig verarbeiteter Schlüsselanhänger in Form einer smaragdgrünen Schlange. „Einmal Slytherin, immer Slytherin." sagte Elenora sanft lächelnd, vorauf Lucius den Kopf hob und sie aus bizarr leuchtenden Augen ansah. „Ich danke dir, Elenora. Der Anhänger ist sehr schön." Verlegen senkte die junge Frau den Kopf, dann sah sie hinauf zu Severus, der die Tür aufschob. „Eine gute Heimreise euch." „Auf Wiedersehen!" Die dunkle Tür fiel wieder hinter den Professoren zu und sie liefen schweigend zurück zum Portschlüssel, der sie vor die Tore von Hogwarts teleportierte. Jetzt, da sie ganz sicher außer Hörweite der Malfoys waren, atmete Elenora tief aus. „Meine Abneigung gegen das Porten musstest du ihnen jetzt wirklich unter die Nase reiben, oder?" „Es hat gerade so gut gepasst." „Schon, aber du hättest doch bestimmt auch eine andere Ausrede gefunden... wie auch immer. Draco!" „Draco. Was ist mit ihm?" „Hast du gesehen, wie kalt er gegenüber seinem Vater war? Und Russland? Warum Russland?", sprudelten die Fragen aus Elenora hinaus. Severus blickte etwas ratlos ein und wich einer Pfütze am Boden aus, dann überlegte er laut: „Ich weiß es nicht, wahrscheinlich wollte er einfach nur so weit weg wie möglich von seiner Familie sein. Narzissa erzählt nicht mehr viel über ihn, ich weiß nur, dass die Beziehungen zu seinen Eltern angespannt ist. Allerdings wusste ich nicht, dass er Lucius dermaßen abstößt...", beendete er seinen Gedankengang und Elenora seufzte. „Wenigstens hat er jemanden an seiner Seite, dem er vertraut. Ich meine zu glauben, schon einmal auf die Greengrass-Schwestern in Hogwarts gestoßen zu sein... vielleicht sogar im Unterricht! Astorias Gesicht kam mir dann doch seltsam bekannt vor." Severus brummte nur zustimmend und ließ dann mit einer Handbewegung die große Flügeltür zur Eingangshalle aufschwingen. Die Fackeln warfen gespenstische Schatten an die Wände des Korridors, den die beiden Lehrer jetzt entlangschritten. „Ich glaube, ich schaue noch auf einen Tee im Lehrerzimmer vorbei. Kommst du mit?" „Ich muss mich leider noch um einen Trank kümmern, den ich für den morgigen Unterricht brauche. Vielleicht beim nächsten Mal.", erwiderte Severus entschuldigend und bog dann mit wehendem Mantel in den Flur ab, der zu den Kerkern führte. Elenora lief noch einige Schritte, bis sie zu der Tür des Lehrerzimmers kam und trat ein. Sie freute sich schon auf eine schöne Tasse Kräutertee und zog im Laufen ihren Mantel aus, als auf einmal ihr Blick auf eine Gestalt fiel, die am langen Tisch sahs und in einem Buch blätterte. Erfreut setzte Elenora ein Lächeln auf und rief: „Hallo Pomona!" Professor Sprout blickte auf und lächelte ihrer jungen Kollegin liebevoll entgegen. „Elenora, meine Liebe, schön dich zu sehen." „Ich mache mir einen Tee, möchtest du auch eine Tasse?", fragte die Gryffindor und setzte den Teekessel auf das kleine Kaminfeuer. Die Hufflepuff-Hauslehrerin nickte dankend und erwiderte: „Sehr gerne." Sie schlug ihr Buch zu und faltete die Hände, als sich Elenora zu ihr an den Tisch setzte. „Was treibt dich noch um zu dieser späten Stunde?", wollte Pomona wissen und legte den Kopf ein wenig schief. Die junge Frau antwortete: „Severus und ich sind gerade von einem Besuch bei den Malfoys zurückgekommen, und mir war irgendwie gerade nach Tee! Apropos..." Mit einer Hand dirigierte die Gryffindor den zischenden Teekessel und zwei Tassen auf die Tischplatte und schenkte beide Becher randvoll. Der frische Duft von Kräutern breitete sich im Raum aus und Professor Sprout schnupperte zufrieden an ihrer Tasse. „Ah, wunderbar. Sag', wie geht es den Malfoys? Wenn ich richtig gehört habe, sind sie umgezogen?" „Ja, in der Tat. Sie wohnen jetzt im Landsitz der Blacks in Somerset." Elenora seufzte und starrte gedankenverloren die wabernden Rauchschwaden an, die von ihrem Tee hochstiegen. „Soweit ich das beurteilen konnte, geht es ihnen gut, zumindest Lucius und Narzissa. Aber Draco... die Situation ist angespannt. Er und sein Vater scheinen nicht gut aufeinander zu sprechen zu sein" „Nun, das ist ja auch nicht verwunderlich. Nach all dem, was der arme Junge wegen der Berufung seines Vaters erleiden musste." Elenora drehte den Kopf zu ihrer Kollegin, die kurz an ihrem Tee nippte und dann weitersprach. „Na, sein Vater war einer der treuesten Anhänger von Voldemort, zumindest äußerlich. Und wie wir wissen, war er noch dazu nicht wirklich der beste Vater." Langsam nickte Elenora. Zwar konnte sie Lucius mittlerweile gut leiden, aber in seiner Rolle als Vater hatte er wahrlich nicht gerade eine Glanzleistung abgelegt. Das erkannte sogar sie, die bis vor kurzem nie wirklich einen echten Vater gehabt hatte. „Trotzdem tut Lucius mir leid. Er strengt sich wirklich an, das tun sie alle." „Mag sein, aber die Vergangenheit wird für immer an dieser Familie hängen, egal wie viele gute Taten sie ab jetzt vollbringen werden. Und ich sage das nicht, weil ich eine Abneigung gegen die Malfoys habe, sondern weil es einfach die Wahrheit ist.", erklärte Pomona und sah die junge Gryffindor bestimmt an. Schwer seufzend senkte Elenora den Kopf und murmelte: „Da hast du wohl Recht." Pomona sah auf die Uhr und zuckte leicht zusammen. „Meine Güte, schon so spät! Wir sollten wirklich zu Bett gehen, was meinst du?" „Oh ja! Einen Schultag haben wir vor dem Wochenende immerhin noch vor uns.", pflichtete Elenora der Professorin bei und zusammen erhoben sich die beiden Frauen. 

A Hogwarts Love StoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt