17. Gin, Gefühle und Geheimnisse
Es war tiefste Nacht, als eine dunkle Gestalt die Eingangshalle von Hogwarts durch eine Nebentür betrat und ihre Kapuze absetzte. Ihre Taschenuhr zeigte bereits kurz nach ein Uhr morgens und Elenora musste sich am Geländer festhalten, um ihr Gleichgewicht nicht zu verlieren. Warum schmeckt dieser Gin auch so verdammt gut, fluchte sie innerlich und konzentrierte sich auf die Wand vor ihr, um wieder gerade stehen zu können. Ihr Ärgernis verflog sogleich wieder, als sie an die vergangenen vier Stunden im Lucky-Pub dachte. Ihr zweites Treffen mit Damien war ähnlich gut verlaufen wie das erste, wenn nicht sogar noch besser. Damiens Auftrag war gut verlaufen, denn er konnte den Todesser enttarnen und ihn zur Verhaftung überstellen. Das hatte ihm Pluspunkte bei seinem Chef eingebracht, sodass er ab jetzt nur noch für Außeneinsätze eingeteilt wurde und der langweiligen Büroarbeit entkam. Elenora lächelte, wenn sie an das stolze Glitzern in Damiens Augen dachte, als er ihr die guten Neuigkeiten mitteilte. Am Ende waren sie, sich gegenseitig stützend, zum Bahnhof gelaufen, wo sie den sehr gut gelaunten Slytherin in den Nacht-Express nach London setzte und sich dann zurück nach Hogwarts begeben hatte. Nicht einmal der leichte Nieselregen hatte ihre Stimmung trüben können. Jetzt stand sie hier in der Eingangshalle und deutete mit ihrem Zauberstab auf sich selbst, um ihren Mantel zu trocken. Plötzlich hörte sie Schritte im nächsten Gang, doch ehe sie reagieren konnte, stand Minerva McGonagall schon vor ihr und sah sie skeptisch an. „Wo hast du dich schon wieder herumgetrieben, junge Dame?" Elenora konnte ihr Grinsen nicht abschalten und machte ein paar unsichere Schritte auf ihre Tante zu. Minervas Augenbrauen schossen in die Höhe und sie packte ihre Nichte am Arm. „Sag mal, bist du betrunken? Schon wieder?" „Vielleicht. Ein bisschen?", kicherte Elenora und ließ sich von ihrer Tante zu ihren Räumen ziehen. Dort angekommen drückte die Schulleiterin die junge Frau auf ihr Sofa und gab ihr ein Glas Wasser, was Elenora in einem Zug leerte. „Elenora Isobel McGonagall. Ich erwarte eine Erklärung für dein unmögliches Verhalten, und zwar jetzt.", verlangte Minerva und starrte ihre Nichte über ihre Brillengläser hinweg böse an. Seufzend lehnte sich Elenora in die Kissen zurück und drehte eine Haarsträhne um ihren Finger. „Ich war... auf einem Date." „Auf einem Date?", wiederholte ihre Tante ungläubig und jetzt erst realisierte Elenora, was sie da gesagt hatte. Ein Date? Eigentlich sollte es nur ein Trinken unter Freunden sein, aber jetzt im Nachhinein kam es Elenora wirklich eher wie ein Date vor. Schließlich waren sie in der letzten Stunde aneinander gekuschelt auf der Bar-Bank gesessen und Elenora hatte sich sehr wohl dabei gefühlt. „Elenora, hörst du mir überhaupt zu?", fragte ihre Tante ungehalten und Elenora schüttelte den Kopf, um den Gedanken an Damiens wohlriechendes Aftershave zu vertreiben. „Wie bitte?" „Ich habe gefragt, wer denn der Glückliche ist." „Naja, das wird dir jetzt nicht gefallen, aber... es ist Damien Durant", gestand Elenora und beobachtete, wie der Ausdruck in Minervas Gesicht von neugierig zu aufgebracht wechselte. „Das meinst du doch nicht etwa ernst! Hast du denn aus deiner Vergangenheit gar nichts gelernt? Versteh mich nicht falsch, ich freue mich, dass du wieder ausgehst, aber doch nicht mit dem?", rief die Schulleiterin entrüstet und Elenora senkte den Kopf. „Ich weiß, ich weiß, aber er hat sich geändert, Tante Mina! Er ist jetzt viel aufgeschlossener und loyaler als vorher, außerdem hat er mir versprochen, mich nie wieder sitzen zu lassen." „Und vorher willst du wissen, dass er das einhält? Schließlich hat er es schonmal getan, was sollte ihn davon abhalten, es wieder zu tun?" Jetzt stieg Wut in Elenora auf. „Das verstehst du nicht, du kennst ihn nicht so gut wie ich! Ich weiß einfach, dass er sich verbessert hat!" „Ich kannte ihn gut genug um zu wissen wie viel ihn deine Gefühle interessiert haben", schnaubte ihre Tante, vorauf Elenora in ein patziges Schweigen verfiel. Als Minerva das bemerkte, seufzte sie tief und legte ihrer Nichte eine Hand auf die Schulter. „Elenora, ich möchte doch nur vermeiden, dass du wieder so unglücklich wirst wie damals. Aber wenn du wirklich meinst, dass er sich geändert hat... du wirst schon wissen, was du tust, schließlich bist du kein Kind mehr.", murmelte sie und stand auf. Als sie schon fast aus der Tür war, drehte sie sich noch einmal um und fügte hinzu: „Ich hoffe nur, dass du Recht behältst, was ihn angeht." Dann verschwand die Schulleiterin aus dem Zimmer und die Tür fiel hinter ihr zu. Elenora blieb noch eine Weile auf dem Sofa sitzen und dachte über die Worte ihrer Tante nach. Sie hatte es sich zwar nicht anmerken lassen, aber Minerva hatte doch Zweifel in ihr geweckt. Was ist, wenn sie Recht hat? fragte sich Elenora und drehte das Wasserglas in ihren Händen. Dann dachte sie daran, wie Damien ihr zum Abschied übers Haar gestrichen hatte und an den liebevollen Blick in seinen Augen, als sie von ihrer Woche erzählt hatte. Unwillkürlich lächelte sie. Doch, sie war sich sicher: Damien hatte sich geändert, und das war definitiv ein Date gewesen. Sie stand langsam auf und schälte sich aus ihrem Umhang, dann wechselte sie ihr Outfit gegen einen kuscheligen Schlafanzug und legte sich in ihr Bett. Sie starrte an die hohe Decke und reflektierte die Ereignisse des Abends. Für sie war es ein Date gewesen, was aber nicht bedeutete, dass Damien es auch als eines empfand. Unruhig rollte sie sich auf eine Seite. Ein Date bedeutete unter Umständen den Anfang einer Beziehung, und sie war sich nicht sicher, ob sie wirklich so weit gehen wollte. Aber es musste doch etwas bedeuten, wenn sie sich in Damiens Gegenwart so wohl fühlte. Waren es Gefühle oder einfach nur Freude darüber, dass sie wieder Freunde waren? Hatte sich ihre Beziehung heute Abend nicht schon zu mehr als nur Freundschaft entwickelt? Durch Elenoras Kopf schossen tausend Fragen, auf die sie keine Antwort wusste. Schließlich beschloss sie, die Dinge einfach mal laufen zu lassen und zu sehen, wo alles hinführte. Beruhigt schloss Elenora die Augen und schlief schon bald ein, mit den Gedanken bei einem dunkelhaarigen Slytherin irgendwo in London.
Am nächsten Morgen war Elenora schon früh wach und konnte nicht mehr schlafen, da sie immerzu an die vergangene Nacht denken musste. Das Glas Wasser gestern hatte sie glücklicherweise vor einem Kater gerettet, weshalb sie keinerlei Kopfschmerzen verspürte. Schließlich beschloss sie, einfach früher als sonst aufzustehen und machte sich gut gelaunt fertig. Ein fröhliches Liedchen summend lief sie zur Großen Halle, die noch ziemlich leer war. Außer ein paar wenigen Schülern waren noch Filius Flitwick, Aurora Sinistra und Severus Snape anwesend. Doch nicht mal der mürrische Gesichtsausdruck des Tränkemeisters konnte Elenoras gute Laune trüben und so rauschte sie mit einem „Guten Morgen, Severus!" an ihm vorbei, um sich auf ihren Platz zu setzten. Der Slytherin sah sie über den Rand seiner Zeitung hin argwöhnisch an und erwiderte ihren Gruß mit einem gemurmelten „Morgen." Elenora strich sich immer noch fröhlich summend ein Marmeladenbrötchen und biss herzhaft hinein, als Minerva zusammen mit Rolanda Hooch die Halle betrat und sich zu ihnen an den Lehrertisch gesellte. Als Minerva die ausgelassene Stimmung ihrer Nichte bemerkte, tauschte sie einen undefinierbaren Blick mit Severus und setzte sich dann auf ihren Platz an der Mitte des Tisches. Elenora war dieser Blick nicht entgangen und deswegen sah sie hinüber zu Severus, der sie immer noch beobachtete. „Wahf?", fragte sie mit vollem Mund, genervt von der Geheimniskrämerei zwischen den beiden. Sie war es nicht gewohnt, von ihnen ausgeschlossen zu werden und starrte Snape beinahe böse an. „Oh, gar nichts. Ich habe mir nur gerade einen Reim auf deine ungewöhnlich gute Laune gemacht", kam es unbeteiligt von Severus, der sich wieder den Nachrichten widmete. Elenoras Schultern sackten herunter. „Kannst du denn gar nichts für dich behalten" zischte sie ihre Tante an, die unschuldig die Schultern hob. Die junge Professorin fühlte sich hintergangen, weil Minerva offensichtlich Severus von ihrem gestrigen Gespräch erzählt hatte. Das hätte ich mir eigentlich auch denken können, erkannte Elenora resigniert und verzog ihr Gesicht. Die beiden erzählten sich immer jeden neuesten Klatsch, und vor ihrem Unfall war Elenora Teil dieses Tratsch-Bundes gewesen. Jetzt sah es allerdings ganz so aus, als ob sie selbst das neue Lieblingsthema der beiden geworden war. Die junge Hexe beschloss, sich davon nicht runterbringen zu lassen und beendete ihr Frühstück. Sie hatte vor dem Unterricht sowieso noch einen letzten Bowtruckle-Aufsatz zu korrigieren, den sie gestern Abend nicht mehr geschafft hatte. Ohne noch ein weiteres Wort zu sagen, schritt sie eilig aus der Großen Halle, um den seltsamen Blicken von Severus und Minerva zu entkommen.
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A Hogwarts Love Story
Fanfic(ABGESCHLOSSEN) Nach dem Sieg über Voldemort wird Hogwarts wiederaufgebaut und eine neue Ära beginnt, doch was wird sie bringen? Dies ist eine Geschichte aus der Sicht der jungen Lehrerin Elenora, eine Geschichte über familiäre, freundschaftliche un...