34. Sektgläser

94 6 0
                                    

In dieser Nacht war der Himmel sternenklar, obwohl es immer noch leicht schneite. Elenora lief durch einen der langen Säulengänge vorbei an knutschenden Pärchen und tratschenden Schülergruppen bis zum Hinterhof des Schlosses. Als sich die junge Frau versichert hatte, dass sie alleine war, blieb sie stehen und stütze sich auf einem steinernen Sims ab. Einen Moment lang genoss sie einfach nur die Stille dieser ruhigen Nacht und sah den Schneeflocken beim Fallen zu. Gedankenverloren wiegte die Gryffindor ihr Sektglas in der Hand. Sie war sich nicht sicher, warum sie so weit weg von den anderen sein wollte, aber gerade brauchte sie einfach einen Moment Ruhe. Und das, obwohl sie glücklicher nicht sein konnte: es war eine wunderschöne Nacht, der Weihnachtsball lief großartig und natürlich trug auch der Tanz mit Severus seinen Teil zu ihrem Wohlbefinden bei. Elenora nahm einen Schluck von dem süßlichen Gebräu in ihrem Glas und fühlte, wie es warm ihre Kehle hinunterfloss. Die Gryffindor ertappte sich dabei, wie sie an den Abend dachte, als sie Damien gefragt hatte, ob er ihre Begleitung sein wollte und schüttelte sich kurz, um diesen deprimierenden Gedanken wieder loszuwerden. Bin ich deswegen alleine hier draußen? Weil ich meinen Exfreund vermisse? Elenora zog ihre Augenbrauen zusammen, während sie versuchte, ihrem plötzlichen Stimmungswechsel auf den Grund zu gehen. Nein, sie war sich sicher, dass es nicht Damien war, der ihr fehlte. Warum musste sie dann schon wieder an ihn denken? Da fiel es ihr wie Schuppen von den Augen: Sie vermisste das Gefühl einer Beziehung. Zwar war sie glücklich in ihrer familiären Situation mit Minerva und Severus, aber die beiden konnten ihr eben nicht die Geborgenheit und Liebe einer echten Beziehung geben. Dazu war nun mal ein richtiger Partner nötig. Elenora war äußerst verwirrt über diese Gefühlslage, denn schließlich war sie relativ frisch getrennt und sie hatte geschworen, sich von nun an auf ihren Beruf und ihre Familie zu konzentrieren. Warum also wünsche ich mir jetzt wieder in einer Beziehung zu sein? Hat mir die letzte nicht schon genug Schmerzen bereitet? Die junge Frau seufzte resigniert; sie konnte und wollte sich selbst im Moment einfach nicht verstehen. So stand sie noch eine Weile da und starrte trübselig in die Dunkelheit, bis sie einen Luftzug an ihrer Seite spürte und plötzlich Snape neben ihr stand. Erschrocken fuhr Elenora zurück und Severus hob sofort beschwichtigend die Hände. „Ich bin es nur. Entschuldige." Erleichtert entspannte sich die junge Frau wieder und Severus stütze seine Arme neben ihr auf die Brüstung. „Alles...in Ordnung? Du bist vorhin so schnell verschwunden." „Oh ja, alles bestens! Mir war nur plötzlich so heiß", erwiderte Elenora schnell und strich sich ein paar Strähnen aus dem Gesicht. Severus neigte schweigend den Kopf und die Gryffindor hatte das Gefühl, dass er ihr das nicht so ganz abnahm. Zu ihrer Erleichterung jedoch bohrte er nicht weiter nach und ließ stattdessen seinen Blick über den verschneiten Hof schweifen. „Tut mir leid, dass ich dich mit Minerva und den anderen allein gelassen habe, jetzt musstest du dir bestimmt Gespräche über Schuhgrößen und Hutdekorationen anhören", sagte Elenora und grinste verschmitzt. Ihr Kollege verschränkte die Arme hinter dem Rücken. „Ich habe es überlebt." Elenora musste kichern und sah dann ebenfalls hinaus in die nächtliche Stille. Eine ganze Weile standen die beiden einfach nur beieinander und genossen die ruhige Zweisamkeit, bis sich Severus plötzlich kurz schüttelte und meinte: „Es wird langsam kalt, lass uns wieder reingehen." Zusammen schritten sie auf dem Gang zur Großen Halle zurück und traten ein. Der Ball war noch immer in vollem Gange und Elenora folgte Severus zwischen den tanzenden Schülern hindurch bis zum Lehrerbereich. Der Slytherin setzte sich und Elenora wollte es ihm gerade gleichtun, als sie eine bekannte Stimme hinter sich hörte. „Professor! Professor McGonagall...Junior!" Elenoras Kopf schoss herum und sie erblickte Thomas Thackerby, ihren Gryffindor-Schüler. Der Sechstklässler war offensichtlich schon ein wenig beschwipst und baute sich breit grinsend vor ihr auf. Hinter ihm konnte Elenora ein paar seiner Freunde sehen, darunter auch den Slytherin Nico Middleton und das Ravenclaw-Mädchen, das Thackerby zum Ball gebeten hatte. Die ganze Gruppe kicherte und warf verstohlene Blicke zu der Professorin, die sofort ihren strengen Lehrer-Blick aufsetzte. „Ich hatte Sie gebeten, mich nicht so zu nennen, Mr. Thackerby.", kommentierte sie dann und sah ihren Schüler noch etwas durchdringender an. Der winkte ab und fing an zu grinsen. „Jetzt seien Sie mal nicht so, Professor. Ich kann Sie übrigens gut -hicks- leiden. Wenn wir schon mal dabei sind..." Er hielt sich mit einer Hand an einer Stuhllehne fest und bot seiner Professorin die andere. „... Würden Sie mir die Ehre gestatten, mit mir zu tanzen?" Elenora stand einfach nur perplex da, sie war sich nicht sicher ob sie richtig gehört hatte. Thackerbys Freunde brachen in lautes Gelächter aus, als er einen unsicheren Knicks vor Elenora machte und sie weiterhin auffordernd angrinste. Die Gryffindor brauchte noch einen Moment, um ihre Gesichtszüge wieder unter Kontrolle zu bringen, dann richtete sie sich auf und gab den „McGonagall-Blick" zum Besten. „Mr. Thackerby, ich muss Sie vielleicht nochmal daran erinnern, dass Sie mein Schüler sind und sich sowas nicht gehört. Des Weiteren bin ich mir sicher, dass Sie wohl etwas zu viel Sekt getrunken haben, Thomas. Middleton, wischen Sie sich das Grinsen aus dem Gesicht und sorgen Sie lieber dafür, dass Thackerby hier sicher in seinem Gemeinschaftsraum ankommt.", sagte sie bestimmt und stemmte die Hände in die Seiten. Nico Middleton gab sich alle Mühe, ernst zu schauen, als er seinen lallenden Freund am Arm packte und Richtung der Eingangshalle zog. Kopfschüttelnd sah Elenora ihren Schülern hinterher, bis sie in der Menge verschwunden waren. Die Jugend von heute... dachte sie und drehte sich dann zu ihrem Tisch um, wo sie in weitere grinsende Gesichter sah. Mit einem Augenverdrehen ließ sie sich auf ihrem Platz nieder und griff nach dem nächsten Glas Sekt. „Das habe ich jetzt auch noch nicht erlebt", schmunzelte Rolanda Hooch und sah Elenora belustigt an. „Du hast wohl einen neuen Verehrer." Elenora stöhnte nur, als Minerva dazwischenwarf: „Oh, das ist nur ein dummer Streich unter Jugendlichen. Mir haben sie den auch einmal gespielt." Jetzt richteten sich alle Augen auf die Schulleiterin und Minerva nahm einen Schluck von ihrem Sekt, bevor sie anfing zu erzählen. „Es ist schon ewig her, zu der Zeit, als du noch in der Schule warst, Severus", fing sie an und der Slytherin seufzte genervt. „Oh, ich kann mir denken, von wem du sprichst..." murrte er und sah jetzt finster drein. Unbeirrt fuhr die Direktorin fort: „Ich kann mich an eine Freundesgruppe erinnern, die immer für Unfug gesorgt hat... sie bestand aus einem gewissen Mr. Potter, Mr. Black, Mr. Lupin und Mr. Pettigrew. Nun, wie wir alle wissen, war Sirius immer etwas... aufgeweckter als seine Freunde und so wurde er einmal von James Potter dazu angestachelt, mich zum Tanzen aufzufordern. Was natürlich nicht geglückt ist.", schloss Minerva ihre kleine Geschichte und blickte selig lächelnd ins Leere. Poppy schmunzelte und auch Elenora konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Sie konnte sie zu gut vorstellen, wie ein junger Sirius Black ihre Tante aus seinen dunklen Hundeaugen angesehen hatte, um sie zum Tanzen zu überreden. Auch wenn sie Harrys Patenonkel nicht lange gekannt hatte, war er ihr mit seiner ironischen und witzigen Art doch schnell ans Herz gewachsen. Bei den Treffen mit dem Orden hatte er nach seiner Befreiung aus Askaban immer für gute Stimmung gesorgt und die Gruppe bei Laune gehalten, vor allem nachdem Voldemort wiedergekehrt war. Genau wie Remus hatte er einen besonderen Platz in ihrem Herzen und sie würde ihn sicher nie vergessen. James Potter hatte sie natürlich nie persönlich kennengelernt, aber von dem, was Severus so erzählt hatte, war er wahrlich kein Ritter in strahlender Rüstung gewesen. Peter Pettigrew war ihr ähnlich verhasst wie Voldemort, denn auch er hatte viele Leben auf dem Gewissen. Sie konnte sich auch gar nicht vorstellen, wie dieser abscheuliche Todesser einmal Teil dieser Freundesgruppe gewesen sein könnte, aber Voldemort selbst war das beste Beispiel dafür, dass sich Menschen von Grund auf ändern konnten. „Mögen alle drei in Frieden ruhen." Minerva seufzte und trank den Rest ihres Glases aus. Poppy und Rolanda pflichteten ihr schweigend bei, nur Severus wandte seinen Blick ab. Elenora nahm es ihm nicht übel, dass er seinen alten Kollegen auch post mortem nicht verzeihen konnte. Sie wusste nicht viel über Severus' Vergangenheit, aber sie hatte von Poppy und Minerva gehört, dass Potter und seine Freunde früher immer ihre Späße mit dem Slytherin getrieben hatten. Der Hauslehrer erhob sich und sah in die Runde. „Ich werde noch einen Rundgang machen und mich dann in meine Gemächer begeben. Gute Nacht.", verabschiedete er sich und nickte Elenora zu. Nachdem er ein einstimmiges „Gute Nacht" vom Tisch erhalten hatte, machte er auf dem Absatz kehrt und verschwand durch die Hintertür in der Wand. Auch Elenora überkam die Müdigkeit und sie unterdrückte ein Gähnen. „Ich glaube, ich mache mich auch auf den Weg... dann kann ich gleich nochmal nach Thackerby schauen." erklärte sie und stand ebenfalls auf. „Gute Nacht, Liebes." „Bis morgen, Elenora!" Die junge Frau schlängelte sich durch die noch übriggebliebenen Pärchen auf der Tanzfläche in Richtung der Doppeltür und verließ die Große Halle. Die große Turmuhr schlug Mitternacht, und Elenora schlenderte leise summend in Richtung ihres Gryffindorturms.  

A Hogwarts Love StoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt