49. "Go, Go, Go, Gryffindor!"

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„Duncan am Ball! Er passt ihn zu Thackerby, aber was ist das! Maccari stößt ihn an, Thackerby rutscht ab, Maccari jetzt am Ball!" Der Hall von tosenden Stimmen hallte in Elenoras Kopf wider, während sie mit angehaltenem Atem das Geschehnis vor ihr beobachtete. Heute fand das erste Quidditch-Spiel der Saison statt, bei dem traditionell Slytherin gegen Gryffindor antrat. Gebannt starrte die Gryffindor-Hauslehrerin auf den Slytherin-Sucher Maccari, der in Zick-Zack-Linien auf das Gryffindor-Tor zuraste. Der Hufflepuff-Schüler Samuel Dimont, der als Kommentator tätig war, brüllte jetzt regelrecht in sein Mikrofon: „Maccari führt einen Wollongong Shimmy aus und startet einen Angriff! Duion macht sich bereit, Maccari wirft und – TOR! TOR FÜR SLYTHERIN!" Die Slytherin-Kurve der Zuschauerränge sprang auf und jubelte, während Elenora sich enttäuscht in ihren Sitz sinken ließ. Neben ihr klatschte Snape fest in die Hände und seine Augen leuchteten stolz. Mit einem süffisanten Grinsen drehte der Slytherin seinen Kopf zu seiner Kollegin und meinte: „Sieh es ein, ihr habt schon so gut wie verloren." „Oh, warte nur ab!", giftete Elenora zurück und beobachtete, wie der Gryffindor-Hüter Duion verärgert gegen den eisernen Tor-Ring schlug, als der Ball zurück ins Spiel kam und alle Augen wieder auf dem Quaffel lagen. „Herméz jetzt am Ball! Wenn Gryffindor noch aufholen will, müssen sie jetzt ein paar Punkte machen!" Der Gryffindor-Jäger sauste mit dem Ball unter seinem Arm an ein paar Slytherins vorbei, die plötzlich aufholten und dem Sechstklässler gefährlich nahekamen. „Was zum..." Elenoras Blick folgte den beiden Slytherin-Treibern, bis einer von ihnen plötzlich quer in die Flugbahn des Gryffindors driftete und ihn so vom Kurs abbrachte. In der Gryffindor-Kurve wurden Buh-Rufe laut und wurden von Madame Hoochs Pfiff übertönt. Dimont erklärte per Lautsprecher: „Das war ein Foul! Kollern ist nicht erlaubt, Leute!" Auf Rolandas Zeichen hin fügte er noch hinzu: „Das gibt einen Freiwurf für Gryffindor!" Die Slytherin-Spieler stöhnten auf, und einer boxte dem verantwortlichen Treiber verärgert gegen die Schulter. Während alle Spieler den Raum vor dem Slytherin-Tor freimachten, positionierte sich Herméz direkt über dem Mittelkreis. Als der Pfiff ertönte, schoss der Sechstklässler in Richtung des Torraumes, die Augen fest auf die Slytherin-Hüterin Makeda Okilo gerichtet. Die bullige Siebtklässlerin schaute äußerst finster drein, so als ob sie Herméz mit ihren Blicken einschüchtern wollte. Der Gryffindor ließ sich davon aber nicht abschrecken, driftete nach links und brachte seinen Besen dann mit einem Looping vor das rechte Tor. „Herméz zielt, Herméz wirft und TOOOOR! ZEHN PUNKTE FÜR GRYFFINDOR!", kam es rechts von Elenora aus dem Lautsprecher gebrüllt, während sie aufsprang und jubelnd in die Hände klatschte. Als sie wieder saß, erkannte sie aus dem Seitenblick Snapes griesgrämige Miene. „Ich habe dir doch gesagt, dass wir aufholen!", triumphierte Elenora und verschränkte selbstgefällig die Arme. „Hmpf." Severus Augen waren schon wieder auf den Quaffel gerichtet, der jetzt von den Slytherin-Treibern geschickt hin und her passiert wurde. Elenora drehte den Kopf und sah hoch zu Minerva, die auf dem hölzernen Thron über ihnen saß. Für Elenora war dieser Anblick immer noch seltsam, da dieser besondere Platz doch so viele Jahre Dumbledore gehört hatte. Die Schulleiterin bemühte sich, eine gleichgültige Miene zu bewahren, doch Elenora wusste, dass sie sich ebenso sehr für Gryffindor freute wie ihre Nichte. Schmunzelnd wandte die junge Gryffindor ihre Aufmerksamkeit wieder dem Spiel zu, und sie konnte gerade noch beobachten, wie der Gryffindor-Hüter Duion den Quaffel diesmal erfolgreich abwehren konnte. Plötzlich schoss ein kleiner, grummelnder Ball direkt über den Köpfen der Professoren vorbei und alle duckten sich instinktiv. Dem Ball waren die Gryffindor-Treiber dicht auf den Fersen, was von Dimont lautstark kommentiert wurde. „Ein Klatscher hat seinen Weg zu den Lehrer-Türmen gefunden, aber Baxter und Henderson sind ihm bereits dicht auf den Fersen! Wow!" Der Klatscher machte plötzlich kehrt und raste geradewegs auf Baxter zu, die mit ihrem Schläger ausholte und der gemeinen Kugel einen kräftigen Schlag verpasste. Der Klatscher sauste über das Spielfeld und traf den Besen eines Slytherin-Jägers, der die Kontrolle verlor und in Richtung des Bodens schoss. Kurz bevor er auf dem sandigen Boden aufkommen konnte, zog er seinen Besenstiel fest an und sauste wieder in die Höhe, was die anderen Slytherins mit begeistertem Klatschen bejubelten. „Das war knapp!", kam es da plötzlich von einer bekannten Stimme hinter Elenora. Sie drehte den Kopf und erblickte Professor ó Racghnail, der das Spektakel mit vor Spannung geballten Fäusten beobachtete. Als er Elenoras Blick sah, grinste er. „Auch wenn Sie natürlich die Gryffindors anfeuern, müssen Sie doch zugeben, dass das eine grandiose Aktion von dem Slytherin war, Elenora!" Die Angesprochene lachte und gab zurück: „Nein, dagegen lässt sich in der Tat nichts sagen." Aaron setzte zu einem weiteren Kommentar an, als plötzlich die aufgeregte Stimme des Kommentators laut wurde: „Was ist das, O Neill setzt sich plötzlich in Bewegung! Hat er etwa den Schnatz gesichtet? Jetzt kommt auch Khosa angeflogen, ja, sie verfolgen den Schnatz!" Die beiden Sucher flogen auf gleicher Besenlänge hinter dem für die Zuschauer fast unsichtbaren goldenen Ball her und versuchten, sich gegenseitig aus der Bahn zu drängen. Auf einmal wurde das grummelnde Geräusch eines Klatschers wieder laut, und einer der beiden Eisenbälle schoss an den Lehrertribünen vorbei in Richtung der konkurrierenden Sucher. „Oh nein, ein Klatscher hat sich die Sucher als neues Ziel ausgesucht!", rief Dimont, während jetzt jeweils die Treiber beider Teams versuchten, den Klatscher auf den gegnerischen Sucher auszurichten. Khosa, die Sucherin von Gryffindor, hatte den auf sie zufliegenden Klatscher jetzt gesichtet und bereitete sich darauf vor, ihm auszuweichen. Allerdings änderte der eiserne Ball in letzter Sekunde die Richtung und flog direkt auf den Slytherin-Sucher zu, der sich schnell zur Seite fallen ließ und jetzt von unten an seinem Besen hing. „Wahnsinn! O Neill legt eine Faultierrolle hin und kann dem Klatscher ausweichen! Jetzt hat Khosa allerdings einen Vorsprung – oha! Sie weicht Herméz aus und FÄNGT DEN SCHNATZ! GRYFFINDOR GEWINNT!" Alle Gryffindors inklusive ihrer Hauslehrerin schossen in die Höhe und jubelten ihrem Team zu. Langsam breitete sich ein Singsang in den Reihen der Gryffindor-Fans aus, der bis zu den Türmen hochdrang: „Go, Go, Gryffindor! Go, Go, Gryffindor! Khosa macht das letzte Tor!" Glücklich lächelte Elenora auf das Team herunter, das nun eine Ehrenrunde über die Zuschauerränge drehte. Dann boxte sie Severus gegen die Schulter und grinste: „Go, Go, Gryffindor! Die Löwen haben es euch Schlangen gezeigt!" „Oh, bitte. Ihr hattet Glück, dass O Neill dem Klatscher ausweichen musste, sonst gar nichts!", zischte der Slytherin-Hauslehrer und schnaubte. „Severus, du warst schon zu meiner Zeit als Hauslehrerin ein schlechter Verlierer", schmunzelte Minerva, die sich von ihrem Thron erhoben hatte. „Sagt die Richtige, Minerva", grummelte Severus nur und machte sich ebenfalls an den Abstieg aus dem Turm. Unten angekommen, erblickten die Professoren eine Traube aus Schülern, die sich um zwei sich zankende Spieler gebildet hatte. „Was hast du dir dabei gedacht, einfach zu Kollern! Du bist und bleibst ein schlechter Spieler, Rohan!" „Ach ja? Du hast es nicht anders verdient, weil du ein Looser bist, Ricardo!" Severus verdrehte die Augen, als er erkannte, wer sich da in die Haare bekommen hatte. Es handelte sich um die Zwillinge Rohan und Ricardo Herméz, die sich ständig bekriegten. Was wohl daran lag, dass sie nicht nur in unterschiedlichen Häusern gelandet waren, sondern auch noch in den rivalisierenden Hausmannschaften spielten. Ricardo, der Gryffindor-Zwilling, boxte seinem Bruder plötzlich hart gegen die Schulter, und rief: „Wer ist hier der Looser? WIR haben doch gewonnen, du Erbsenhirn!" Rohan ließ sich das natürlich nicht gefallen und schlug Ricardo gegen das Knie, sodass der Sechstklässler jaulend zurückwich. Nun schaltete Elenora sich ein und drängte sich durch die Menge bis nach vorne auf die freie Fläche. „Das reicht jetzt, auseinander mit Ihnen.", sagte sie mit strenger Stimme und sah den Slytherin und den Gryffindor warnend an. Mit vor Wut blitzenden Augen starrte Ricardo seinen Zwillingsbruder weiterhin an, ließ aber von ihm ab und antwortete mit einem gemurmelten „Ja, Professor." Dann ließ er sich von seiner Mannschaft mitziehen, die immer noch ausgelassene Tänze und Gesänge ausführten. Minerva schüttelte den Kopf und sah Rohan Herméz hinterher, der sich jetzt ebenfalls zu seiner Mannschaft stellte und Ricardo den Rücken zudrehte. „Wären sie nicht so zerstritten, könnte man sie glatt für die neuen Weasley-Zwillinge halten, so viel Aufruhr wie die beiden veranstalten", meinte die Direktorin dann und Elenora lachte leise. „Wohl war." Auf dem ganzen Rückweg zum Schulgebäude sangen die Gewinner ihre neue Hymne und Saima Khosa wurde von den älteren Schülern auf den Schultern bis in die Eingangshalle getragen. Die Viertklässlerin grinste stolz bis über beide Ohren, und wurde sogar ein wenig rot, als Elenora ihr zum Sieg gratulierte. „Das habt ihr gut gemacht, ihr alle. Ich bin stolz auf euch!", rief Elenora ihrem Team zu, die sich jetzt gegenseitig auf die Schultern klopften. Eine männliche Gestalt stellte sich neben sie und fügte hinzu: „Auch meinen Glückwunsch, Gryffindors." Aaron ó Racghnail lächelte anerkennend in die Runde, und lief dann an Elenoras Seite den Gang entlang. „Auch Ihnen herzlichen Glückwunsch, schließlich sind Sie die Hauslehrerin." „Vielen Dank, Aaron.", bedankte sich Elenora bei ihrem großen Kollegen und grinste weiter vor sich hin. Heute konnte ihr einfach gar nichts mehr die Laune trüben, nicht mal die noch zu korrigierenden Aufsätze. Jetzt war es aber erstmal Zeit für das Abendessen, und so begaben sich alle Bewohner von Hogwarts laut diskutierend und feiernd in Richtung der Große Halle. „Wie läuft es mit den neuen Klassen?", wollte Aaron wissen und schob seine massigen Schultern vorbei an einem Eckpfeiler, der aus der Wand ragte. „Besser als ich gedacht hätte. Was ist mit Ihnen, haben Sie sich schon eingefunden?" „Oh ja! Dank ihrer hervorragenden Mitschriften konnte ich meinen Unterricht lückenlos anschließen", erwiderte der Rothaarige und neigte dankend den Kopf. Elenora lächelte und sagte: „Das freut mich zu hören. Wenn ich Ihnen sonst noch irgendwie helfen kann, lassen Sie es mich wissen!" Elenora wurde von dem Strom ihrer Schüler in Richtung des Gryffindor-Tisches gezogen, weshalb sie zum Abschied nur kurz die Hand hob. Aaron erwiderte die Geste und begab sich zu seinem Platz am Lehrertisch. Minerva, die mittlerweile auch in der Halle angekommen war, klatschte zweimal kurz in die Hände, und sofort änderten sich die Hogwartswappen auf den Fahnen im Raum zu den rot-goldenen Mustern von Gryffindor. Jetzt erreichte auch Elenora ihren Sitzplatz und schob ihren Stuhl zurück. Nachdem sich alle niedergelassen hatten und das Essen aufgetischt war, wurde es schnell ruhiger in der Halle. Elenora biss in ein Stück Brot und beobachtete, wie Severus nur griesgrämig in seiner Suppe umrührte. „Oh, komm schon alter Mann, zieh jetzt nicht so ein Gesicht", zog Elenora ihn auf und klappte schnell den Mund wieder zu, als Snapes tödlicher Blick sie traf. Die Laune des Slytherins war für heute wohl endgültig verdorben, denn wenige Minuten später erhob er sich wortlos und verschwand mit wehendem Umhang aus der Halle. „Da zieht er hin, unser Verlierer", scherzte Minerva und Elenora musste lachen. „Die Gryffindors haben großartig gespielt. Ich habe gesehen, dass sogar ó Racghnail euch angefeuert hat!", kommentierte Minerva das Spiel und häufte sich eine Portion Kartoffeln auf ihren Teller. „Ja, er hat dem Team auch gratuliert. Sehr aufmerksam von ihm." „Wie findet er sich zurecht? Hast du mit ihm gesprochen?" „Ja, das habe ich, und er scheint sich schon eingelebt zu haben." „Und, was hältst du von ihm? Hat sich deine Abneigung gegen ihn gelegt?", wollte Minerva wissen und sah ihre Nichte neugierig an. Elenora zuckte die Schultern und erwiderte: „Nun, er ist nett! Wir sind schnell Freunde geworden, nachdem... naja, jedenfalls passt er meiner Meinung nach gut hierher." Minerva nickte zustimmend und gab hinzu: „Laut Poppy macht er sich auch sehr gut als Aushilfe im Krankenflügel. Er ist wahrlich eine Bereicherung für unsere Schule. Wie geht es dir eigentlich mit deinen neuen Klassen?" Elenora winkte ab. „Es läuft wie am Schnürchen. Irgendwie habe ich mir den Wechsel schwerer vorgestellt." „Ah, dann ist ja alles bestens. Ich wusste, dass du dir zu viel Stress machst, Liebes.", meinte ihre Tante augenzwinkernd und erhob sich von ihrem Stuhl. Verlegen strich Elenora sich ihre Robe glatt. Minerva McGonagall hatte mal wieder Recht, wie so oft. 

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