9. Familie

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9. Familie

Geräusche von laufendem Wasser und umherlaufenden Personen drangen an Elenoras Ohr und sie atmete die nach Salben und Tee riechende Luft ein. Ihr Körper fühlte sich taub und kraftlos an und sie versuchte angestrengt, ihre Augen zu öffnen. Die junge Hexe musste ein paar Mal blinzeln, um sich an die Helligkeit zu gewöhnen, dann schließlich öffnete sie ihre Lider ganz und blickte auf ein leeres Krankenbett gegenüber von ihr. Das Fenster stand offen und ließ die Strahlen der Mittagssonne herein, was eine friedliche Atmosphäre schaffte. Elenora sah sich in dem leeren Krankenflügel um und entdeckte auf ihrem Nachtkästchen lauter Pralinenschachteln, Blumen und Karten. Sie streckte die Hand nach einer aus und zuckte sofort zusammen, als ein stechender Schmerz durch ihre Seite schoss. Als Elenora die Decke umfaltete, erkannte sie auch den Grund: Ihr unterer Brustkörper war dick einbandagiert. Verzweifelt versuchte sich die Gryffindor zu erinnern, was passiert war, als sich die Schritte von vorhin wieder näherten und Poppy Pomfrey aus einem Nebenzimmer trat. „Du bist wach! Endlich. Wie fühlst du dich, meine Liebe?", rief Poppy erstaunt und eilte zu ihrem Bett, um ihr noch ein Kissen als Stütze hinter den Rücken zu klemmen. „Äh... ganz gut, denke ich. Aber Poppy..." Elenora senkte ihr Stimme und fragte etwas peinlich berührt: „Was ist denn passiert? Warum ist mein Brustkorb einbandagiert?" Die Krankenpflegerin, die für sie schon immer zur Familie gehört hatte, strich ihr liebevoll über den Kopf und sagte: „Als Severus und Hagrid dich hier abgeliefert haben, warst du schon bewusstlos. Severus hat erzählt, du wärst umgekippt, nachdem ihr einen Portschlüssel benutzt habt. Nun ja, entweder kam es vom Porten oder vom Umfallen, aber du hast dir auf jeden Fall ein paar Rippen gebrochen." Jetzt erinnerte sich Elenora an das Geschehen vor ihrer Ohnmacht und verzog direkt das Gesicht. Madame Pomfrey schloss das Fenster und lief dann zur Tür des Krankenflügels. „Ich werde mal nach Minerva schicken lassen, sie macht sich ja solche Sorgen um dich." Mit diesen Worten verließ sie den Krankenflügel und die Tür fiel hinter ihr zu. Wenig später kehrte sie wieder und versprach, dass sie einen Schüler auf die Suche nach ihrer Tante geschickt hätte und es jetzt nicht mehr lange dauern konnte, bis diese hier auftauchte. Und tatsächlich, wenige Minuten später schlug die Tür auf und Minerva McGonagall stürmte mit wehendem Umhang in den Raum. „Elenora! Bei Merlin, du bist wach!" Ihre Tante setzte sich zu ihr ans Bett und strich ihr über die Wange. „Ich habe mir solche Sorgen um dich gemacht... dass du mir ja nie wieder so einen Schrecken einjagst! Ich dachte, mein Herz bleibt stehen, als Hagrid und Severus dich da halbtot in das Schulgebäude getragen haben!" Als sie Elenoras aufgewühlte Miene sah, fragte sie: „Ist alles in Ordnung?" Ihre Nichte blickte etwas teilnahmslos in die Leere und murmelte: „Ich habe... geträumt. Aber es war seltsam, denn ich – ich konnte mich selber sehen." „Von was hast du denn geträumt?" „Von... Bea. Und von ihrem Tod." Mitfühlend strich Minerva ihrer Nichte über die Stirn und sagte leise: „Das tut mir leid, Liebes." Sie schweigen eine Weile, dann setzte Minerva noch hinzu: „Ich möchte, dass du vor dem Porten ab jetzt immer Bescheid gibst, wenn du dich unwohl fühlst. So ein Unfall darf nicht noch einmal passieren, hörst du? Mit so etwas ist nicht zu spaßen, du hast uns allen Angst eingejagt." Die junge Frau lächelte schuldbewusst und nahm die Hand ihrer Tante in ihre. „Jetzt bin ich ja wieder fit", erwiderte sie und wurde sofort von Poppy böse angeschaut. „Wann du fit bist, bestimme immer noch ich! Du brauchst noch mindestens eine Woche Bettruhe, junge Dame!" Mit aufgerissenen Augen blickte Elenora die beiden Freundinnen an. „Eine Woche!? Und wer unterrichtet dann solange meine Schüler?" „Das haben wir auch die letzten zwei Tage ohne dich hinbekommen, da werden wir es die nächste Woche wohl auch noch schaffen", erwiderte Poppy und grinste über Elenoras erschrockenes Gesicht. „Moment, ich war zwei Tage bewusstlos?" „In der Tat. Severus hat dir ein paar starke Mixturen gebraut, die dich stärken und wieder aufbauen sollen, aber die haben deinen Schlaf leider etwas verlängert.", erklärte die Schulleiterin. Elenora war verwirrt und besorgt zugleich. „Severus! Wie geht es ihm? Ist er auch verletzt?" Beruhigend legte ihr Minerva eine Hand auf die Schulter und sagte beschwichtigend: „Nein, es geht ihm gut. Der Port hat ihn zwar auch etwas mehr mitgenommen als üblich, aber das ist nach so einem nervenaufreibenden Erlebnis normal. Er unterrichtet bereits wieder..." In diesem Moment trat noch jemand durch die offene Tür. Es war Severus mit ein paar Tränken in der Hand, der abrupt stehen blieb, als er die Frauen und die erwachte Elenora zu Gesicht bekam. „Severus! Du kommst gerade rechtzeitig mit den Tränken.", begrüßte ihn Poppy fröhlich und nahm dem verdutzten Tränkemeister die Gläser aus der Hand. Snape trat an Elenoras Bett und verschränkte die Arme. „Schön, dich wieder unter den Lebenden zu wissen, McGonagall.", sagte er ruhig und ohne eine Miene zu verziehen. Poppy bedachte ihn mit einem undurchdringlichen Blick, während sie einen Trank in ein Trinkglas umgoss und ihn Elenora reichte. Sie kippte ihn im Ganzen runter und verzog das Gesicht bei dem bitteren Geschmack. „Warum müssen Heiltränke immer so furchtbar schmecken", fragte sie laut und bekam nur einen verständnislosen Blick von Severus als Antwort. Die Heilerin lächelte sanft und sammelte ein paar umherliegende Binden ein. „Ich lasse euch drei jetzt mal allein." Dann verschwand sie wieder in dem Nebenraum, aus dem sie gekommen war und schloss die Tür. Minerva sah kurz zu Severus und dann wieder zurück zu Elenora. Anscheinend lag ihr etwas auf dem Herzen, das sie noch loswerden wollte. Die Direktorin räusperte sich und begann: „Ich hätte euch nicht alleine losschicken sollen. Es tut mir leid. Ich wusste, welch große Belastung es für euch beide ist und habe euch trotzdem ohne Begleitung gehen lassen. Es ist meine Schuld, dass du dieses Unglück hattest, Elenora.", beendete sie ihren Satz und sah betreten zu Boden. Bevor Elenora etwas erwidern konnte, schaltete sich Snape ein: „Nein, Minerva, ist es nicht. Ich habe genau gesehen, dass es ihr nicht gut ging und sie müde war und habe sie trotzdem porten lassen. Das war verantwortungslos von mir. Es ist meine Schuld." Elenora sah die beiden einen Augenblick stumm an, dann faltete sie ihre Hände und holte tief Luft. „Minerva, Severus, es ist mir bewusst, dass ihr beide Schuldgefühle für meinen Zustand hegt, aber ihr habt beide keine Schuld. Ich wusste, dass es falsch war, mich in dem Zustand zu porten und habe es trotzdem getan. Ich bin eine erwachsene Frau und hätte vernünftig handeln sollen, aber ich wollte nur noch nach Hause und habe die möglichen Konsequenzen ignoriert. Jetzt liege ich flach und meine Schüler müssen das ausbaden. Ich bin die Einzige, die hier unverantwortlich gehandelt hat." Sie pausierte und starrte ihre weiße Bettdecke an. Sie hatte auch etwas auf dem Herzen, was sie schon lange loswerden wollte, und das hier war die perfekte Gelegenheit. Etwas zittrig setzte sie erneut an: „Ich schätze es aber sehr, dass ihr euch beide um mich kümmert. Das habt ihr schon immer getan, vor allem du, Minerva." Sie sah ihre Tante an und schenkte ihr ein Lächeln. „Als meine Mutter starb, hast du keine Minute gezögert, nach Amerika zu fliegen und mich aus den Händen des Kinderheims zu retten. Ich... ich habe dir das nie gesagt, aber du warst seit dem ersten Tag wie eine Mutter für mich. Dafür wollte ich dir danken." Minerva hatte Tränen in den Augen, versuchte aber, sie zu verstecken. Elenora wandte sich an den Slytherin, der immer noch mit verschränkten Armen dastand. „Und du, Severus... ich weiß, wir haben uns anfangs nicht sehr gut verstanden, aber das hat sich zum Glück schnell geändert. Du hast es vielleicht nicht wahrgenommen, aber du hast mich in meinem ersten Jahr als Lehrerin sehr unterstützt, auf deine Art. Auch als du deine Todesser-Seite gezeigt hast, habe ich nie den Glauben an dich verloren und das hat sich gelohnt..." Sie wusste nicht recht wie sie fortfahren sollte, aber ihr Herz sprach für sie weiter. „Mein Vater starb, als ich noch sehr klein war. Ich wusste nie wie das ist, beide Elternteile zu haben, und deswegen habe ich es auch nicht vermisst. Dachte ich. Irgendwann habe ich gemerkt, dass etwas in mir fehlt, ich wusste nur nicht was. Aber als ich dich nach der Schlacht von Hogwarts gefunden habe, wusste ich, dass ich es die ganze Zeit schon bei mir hatte. Ich habe nur nie erkannt, was du mir bedeutest, Severus. Ich dachte, damals hätte ich wieder einmal einen wichtigen Teil meiner Familie verloren, aber zum Glück haben wir eine ausgezeichnete Heilerin", schloss sie ihren Monolog und lächelte schief, um ihre Tränen zurückzuhalten. „Oh Liebes." Minerva war offensichtlich sprachlos und umarmte ihre Nichte als Antwort fest, wischte sich mit der Handfläche über die Augen und stand vom Bettrand auf. „Ich glaube, ich lasse euch lieber einmal allein. Sonst fange ich wirklich noch an zu weinen.", sagte die Gryffindor und entfernte sich lächelnd. Als sie fort war, wusste Elenora nicht, wo sie hinschauen sollte. Sie befürchtete, einen großen Fehler gemacht zu haben, als sie Severus ihre wahren Gefühle offenbarte. Dabei hatte sie ganz bewusst das Wort „Vater" vermieden, um ihn nicht zu überfordern. Sie wusste aus früheren Gesprächen, dass Severus keine gute Verbindung zu seinem Vater gehabt hatte und das hatte ihr Sorgen bereitet. Der Slytherin hatte sich seit ihrer Ansprache weder bewegt, noch hatte er gesprochen. Jetzt öffnete er den Mund und sagte mit kühler, ruhiger Stimme: „Entschuldige mich. Ich muss gehen." Er drehte sich um und verließ mit wehendem Umhang den Krankenflügel. Zurück blieb eine schockierte und verletzte Elenora, die ihre Tränen jetzt nicht mehr zurückhalten konnte. Stumm saß sie in ihrem Bett und ließ ihrem Kummer freien Lauf, in dem Bewusstsein, dass sie die freundschaftliche Beziehung zwischen Snape und ihr vermutlich für immer begraben hatte. 


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Ugh, etwas schnulzig, ich weiß. Ich hoffe, ihr habt dieses Kapitel trotzdem durchgestanden :D

A Hogwarts Love StoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt