47. Hauslehrerin

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Freitag, 07. März

Thema: Feuerwesen; Phönix (K.17, Abs.3)

Protokoll: Thackerby und Middleton zeigen kein Interesse und sind unaufmerksam; 5 P. Abzug für

Gryffindor und Slytherin. Berkins besitzt großes Vorwissen, ebenso Herméz.

Der Federkiel kratzte in gleichmäßigem Tempo über das Papier, gab jedoch keine Tinte mehr ab, sodass Elenora ihre Schreibhand in Richtung des Tintenfässchens streckte, um die Feder wieder in die schwarze Flüssigkeit zu tunken. Sie arbeitete gerade an dem Protokoll der Unterrichtsstunde, die sie vorhin gehalten hatte. Es war ihre letzte Stunde in Pflege magischer Geschöpfe gewesen, und Elenora fühlte bei dem Gedanken daran zugleich Unmut und Vorfreude in ihrer Brust aufkommen. Natürlich freute sie sich schon auf ihr neues Unterrichtsfach Verteidigung gegen die dunklen Künste, schließlich war es im Studium ihr Hauptfach und in der Schule ihr bestes Fach gewesen. Trotzdem würde sie es vermissen, wie ihre Schüler mit vor Neugier leuchtenden Augen zu ihr heraufsahen, wenn Elenora ein neues magisches Tier vorstellte. Seufzend beendete die Gryffindor ihre Mitschrift und klappte den dicken Ledereinband des Notizbuches zu. Vor ihr lag heute noch eine Menge Arbeit, denn sie musste noch ein paar letzte Dinge von ihrem alten Klassenraum in den Neuen transferieren und Professor ó Racghnail den Lehrplan überreichen. Außerdem wollte sie dem neuen Kollegen auch einen Teil ihrer alten Unterlagen überlassen, damit ihm der Start in den Unterricht vielleicht etwas leichter fiel. Schließlich hatte Professor Rodin dasselbe für sie getan, von daher war es nur fair, wenn sie diesen Gefallen jetzt weitergab. Mit einem Stapel Bücher und Pergamentrollen verließ die junge Frau den Raum und trat hinaus auf den Korridor, dem sie bis zu ihrem alten Klassenzimmer folgte. Darauf bedacht, mit all dem Gewicht ihrer Bücher das Gleichgewicht zu behalten, trat sie ohne Aufzusehen durch die Tür und stieß prompt gegen etwas Schweres. Sofort fiel ihr die ganze Traglast aus den Händen und als Elenora aufsah, blickte sie direkt in das erstaunte Gesicht von Aaron ó Racghnail. „Professor ó Racghnail! Entschuldigen Sie, ich war so fokussiert auf die Bücher..." „Schon gut, es ist ja nichts passiert. Warten Sie, ich helfe Ihnen.", erwiderte der große Mann und kniete sich zu ihr auf den Boden, um ihr beim Aufsammeln der Manuskripte behilflich zu sein. Peinlich berührt bemerkte Elenora, wie ihr die Röte ins Gesicht stieg und sie wischte sich verlegen eine Haarsträhne hinters Ohr. Als beide wieder standen, räusperte sich die Gryffindor und erklärte: „Ich, äh, wollte noch ein paar letzte Dinge aus diesem Zimmer holen." „Sicher doch, bitte sehr." Der Hufflepuff trat einen Schritt zur Seite und gab den Weg frei in den Klassenraum. Hastig stolzierte Elenora hinein und lief geradewegs zum Fensterbrett, auf dem noch die große Sanduhr und ein Stapel Pergamente lag. Bevor sich die junge Frau eine Möglichkeit überlegen konnte, wie sie das alles jetzt auf einmal zum anderen Zimmer transportieren konnte, stand ihr neuer Kollege schon neben ihr und packte die Sanduhr mit einer Leichtigkeit auf den einen und die Pergamentrollen auf den anderen Arm. „Ist das alles?", fragte er freundlich und Elenora nickte, bevor sie dann abwinkte. Sie wollte nicht länger Zeit mit dem neuen Professor verbringen als nötig, vor allem nicht nach dem peinlichen Unfall vorhin. „Oh, ich schaffe das schon irgendwie alleine, Sie müssen sich wirklich nicht den Aufwand machen..." „Halb so wild. Außerdem müsste ich mit Ihnen sowieso noch kurz über den Lehrplan sprechen.", unterbrach ò Racghnail sie und Elenora gab sich geschlagen. „Sie haben Recht, das müssen wir wirklich. Nun denn, wenn Sie mir bitte folgen würden..." Vollgepackt liefen die beiden nun in Richtung des südlichen Flügels von Hogwarts, wo sich die Lehrräume von Verteidigung gegen die dunkeln Künste sowie Verwandlung und Zauberkunst befanden. Der kürzeste Weg führte über den großen Innenhof vorbei an dem Springbrunnen und den Rosengerüsten, um die sich Pomona Sprout so liebevoll kümmerte. „Ich habe gehört, dass Sie eigentlich für die Stelle als neuer Professor für Kräuterkunde vorgesehen waren, ist das richtig?", fragte Elenora, um die unangenehme Stille zu unterbrechen. Ò Racghnail nickte und erzählte: „Das ist in der Tat richtig. Professor McGonagall kam letztes Jahr auf mich zu, noch während meiner Ausbildung zum Heiler, und fragte mich, ob ich an dem Posten Interesse hätte. Allerdings hat sich Professor Sprout ja quergestellt, was mir persönlich nichts ausmacht... ich bin auch zufrieden mit der Stelle in Pflege magischer Geschöpfe. Wie es das Schicksal so will, war das glücklicherweise mein Nebenfach im Studium der Kräuterkunde.", beendete der Rothaarige seine Erklärung und trat neben Elenora in den steinernen Korridor des Südflügels. Elenora nickte verstehend und gab hinzu: „Das war es bei mir ebenfalls! Nun, ich habe natürlich nicht Kräuterkunde studiert, aber magische Geschöpfe haben mich schon zu meiner Schulzeit fasziniert und deshalb habe ich es dann zu meinem Nebenfach gemacht." „Ja, diese Tiere haben etwas Besonderes an sich...", sagte der Hufflepuff und lächelte still. Elenora merkte, wie ihr ein Lächeln über die Lippen huschte und setzte schnell wieder ihr Pokerface auf, dann öffnete sie die Tür zu ihrem neuen Klassenraum. „So, da wären wir." Sie ließ die Bücher auf den Schreibtisch fallen, und öffnete dann mit einer flüchtigen Handbewegung die Vorhänge, um das Tageslicht hereinzulassen. Der rothaarige Professor hatte ebenfalls seine Traglast abgestellt und verschränkte nun die Hände hinter dem Rücken. „Also zum Lehrplan..." „Ah, richtig. Bitte sehr." Elenora hatte eine Pergamentrolle aus einer Schreibtischschublade gekramt und drückte sie dem großen Mann in die Hand. Dann wies sie mit dem Zeigefinger auf drei gestapelte Notizbücher auf dem Tisch. „Ich möchte Ihnen außerdem diesen Teil meiner Aufzeichnungen überlassen, inklusive einiger Notizen zu ihrer diesjährigen Klasse. Vielleicht hilft Ihnen das, sich schneller zurechtzufinden.", erklärte sie und ó Racghnail nahm die Bücher an sich. „Das wird es bestimmt, ich danke Ihnen vielmals. Falls ich mich irgendwie revanchieren kann, lassen Sie es mich wissen!", rief er bei Verlassen des Zimmers und zwinkerte der jungen Frau zu. Ungläubig starrte Elenora auf die Tür, die nun ins Schloss fiel. Hat er mir gerade zugezwinkert? fragte sie sich und schüttelte den Kopf. „Was glaubt er, wer er ist?", murmelte die Gryffindor zu sich selbst, während sie die neuen Bücher in das Regal hinter dem Schreibtisch einsortierte. Dieser Mann hatte etwas Nervtötendes an sich, und sie wusste nicht, warum. Seine bloße Präsenz ließ Elenora schon innerlich mit den Augen rollen. Mit einem genervten Seufzer sah die junge Professorin zur Uhr und stöhnte. „Bei Merlins Bart, wie ist es schon wieder so spät geworden?", rief sie aus und knallte die restlichen Bücher laut auf den Tisch. Ihr Tagespensum an Arbeit war zurzeit einfach nicht zu schaffen, egal wie sehr sie sich anstrengte. Nach diesem Wochenende begann der Unterricht in den neuen Klassen und sie hatte immer noch kein vernünftiges Konzept für ihre Zweitklässler entworfen. Sie verließ den Klassenraum und machte sich schnellen Schrittes auf den Weg zu ihren Gemächern. Dort angekommen, entfachte sie ein Feuer und schenkte sich ein Glas Feuerwhiskey ein, was ihre Laune aber leider auch nicht besser machte. Elenora hatte sich an ihren Schreibtisch gesetzt und kramte gerade nach den Lehrplanentwürfen, als es zaghaft an der Tür klopfte. Was ist denn jetzt schon wieder, grummelte die Gryffindor innerlich und rief energisch „Herein!" Die Tür öffnete sich langsam und Elenora sah äußerst genervt drein, bis sich ihr Besucher in den Raum traute. Es war ein kleiner Erstklässler namens Ethan Isaacs, der sie aus großen, unsicheren Augen ansah. „E-Entschuldigen Sie die Störung, Professor M-McGonagall! „Was gibt es?", fragte Elenora eine Spur barscher als beabsichtigt. Sofort zog der Gryffindor die Schultern ein und murmelte leise: „E-Es ist nichts, ich..." Als Elenora sah, wie sehr sie ihren Schüler verunsichert hatte, tat ihr ihr ungemütliches Auftreten sofort leid. „Nein, schon gut Mr. Isaacs, bitte, kommen Sie rein." Sie deutete auf den Stuhl vor ihrem Schreibtisch und der kleine Junge setzte sich zögerlich. Jetzt stütze Elenora ihre Hände auf dem Schreibtisch auf und blickte den Erstklässler aufmerksam an. „Also, wie kann ich Ihnen helfen?" Sichtlich nervös rutschte Ethan auf dem Stuhl hin und her, bis er endlich anfing zu reden: „Es ist so, ähm... meine Mama hat mir geschrieben, dass meine Großmutter sehr krank ist und...und...ich wollte fragen, ob ich vielleicht für dieses Wochenende nach Hause kann", fragte der Gryffindor jetzt im Flüsterton und eine Träne rollte seine Wange herunter. Wie festgefroren starrte Elenora den Erstklässler an, bis sie dann hauchte: „Oh...natürlich! Ich werde mich gleich darum kümmern." Sie erhob sich und trat aus dem Zimmer, dann drehte sie sich zu dem Portrait, das direkt neben ihrer Tür hing. „Angus, wären Sie so freundlich, der Schulleiterin eine Nachricht zu überbringen?" Das Portrait nickte freundlich und hörte aufmerksam zu, während Elenora ihm die Situation schilderte. „Der arme Junge...ich mache mich gleich auf den Weg, Professor." „Danke, Angus." Elenora betrat wieder ihr Büro, wo Ethan Isaacs immer noch wie ein Häufchen Elend auf dem Stuhl saß. „Was halten Sie von einer Tasse Tee, Ethan? Ich lasse die Hauselfen ihre Sachen packen und dann bringt Hagrid Sie nach Hause.", fragte sie den kleinen Jungen sanft und deutete auf einen Sessel vor dem Kamin. Ethan nickte, wischte sich ein paar Tränen aus dem Gesicht und lief dann die wenigen Schritte bis zum Sessel, um sich darin fallen zu lassen. Schweigend setzte Elenora das Teewasser auf. Sie fühlte sich schrecklich, weil sie den jungen Gryffindor so angefahren hatte, und gleichzeitig auch hilflos, weil sie nicht wusste, wie sie mit der Situation am besten umgehen konnte. Als Lehrer sollte man es vermeiden, eine zu enge Beziehung zu Schülern aufzubauen, und Elenora hielt deswegen stehts höflichen Abstand, selbst zu ihrem Haus. Allerdings würde sie im Moment nichts lieber tun, als den kleinen Jungen in den Arm zu nehmen und ihn aufzumuntern. Der Teekessel zischte und Elenora goss eine Tasse voll, die sie dem Gryffindor dann in die Hand gab. „So, bitte sehr." Ein geflüstertes „Danke" entwich den Lippen des Jungen und er pustete leicht in die aufsteigenden Rauchschwaden seiner Tasse. Seufzend ließ sich Elenora auf dem gegenüberliegenden Sessel nieder und starrte ins Feuer, nicht ohne ab und zu einen Blick auf ihren Schüler zu werfen. Ethan hatte immerhin aufgehört zu weinen und nippte ab und zu an seinem Tee, während er ebenfalls gedankenverloren in die tanzenden Flammen des Kaminfeuers blickte. Elenora knetete unruhig ihre Hände, während sie nach einer Möglichkeit suchte, um den Jungen abzulenken. Sie hasste solche Situationen, aber auch solch unangenehme Aufgaben gehörten nun mal zu den Pflichten eines Hauslehrers. Endlich klopfte es an der Tür und Minerva streckte ihren Kopf in den Raum. „Ah, da sind Sie ja. Es ist alles bereit, Hagrid kann Sie jetzt nach Hause begleiten, Mr. Isaacs.", redete die Schulleiterin beruhigend auf den Erstklässler ein, der sich langsam erhob und Elenora noch einen flüchtigen Blick zuwarf. „Danke für den Tee, Professor." „Keine Ursache. Gute Heimreise, Ethan.", antwortete diese und sah ihrem Schüler mitleidig hinterher, der an Hagrids Seite den Flur entlanglief. „Oh, armes Ding.", meinte Minerva, nachdem die beiden außer Hörweite waren. Elenora nickte, und Sorgenfalten bildeten sich auf ihrem Gesicht. „Ich war vorhin vielleicht etwas zu barsch zu ihm...dieser Stress macht mich noch wahnsinnig. Und dann ó Racghnail..." „Was ist mit ihm?" „Ich kann ihn nicht wirklich leiden." „Nicht? Aber er ist doch nur wenige Jahre älter als du und außerdem sehr nett!" „Trotzdem." Minerva schüttelte den Kopf und raffte ihre Robe zusammen. „Nun denn, wenn du meinst. Ich habe noch zu tun. Gute Nacht, Liebes." „Gute Nacht, Tante Mina.", antwortete Elenora und zog sich wieder in ihr Zimmer zurück. Dieser Tag war für ihren Geschmack wieder viel zu ereignisreich gewesen, und sie brauchte jetzt wirklich dieses Glas Feuerwhiskey.  

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