55. Die Richardson-Hochzeit

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Der Tag der Hochzeit war angebrochen und Elenora stand in Arias Gemächern, um ihr beim Packen zu helfen. „Und du bist dir sicher, dass ich nicht auch schon jetzt mitkommen soll? Ihr braucht doch bestimmt noch Hilfe bei irgendwas", fragte Elenora und verschloss sorgfältig den umherliegenden Koffer. „Keine Sorge, wir haben ein kräftiges Aufbau-Team und meine Mutter hat alles wunderbar im Griff!", beruhigte Aria ihre Freundin und zog sich ihren Mantel über. Sie umarmte Elenora und grinste die Gryffindor glücklich an, dann sagte sie: „Wir sehen uns heute Nachmittag. Oh, ich bin so aufgeregt!" „Das verstehe ich, schließlich ist das dein letzter Tag als ‚Eastwood'! Aber das Adrenalin wirst du noch brauchen, glaub mir! Jetzt geh, sonst verpasst du deinen Portschlüssel." Elenora schob ihre Freundin aus der Tür und begleitete sie noch bis zu den großen Flügeltüren der Eingangshalle. Nach einer letzten Umarmung eilte Aria aus dem Schloss und Elenora sah ihrer Freundin lächelnd hinterher. Dann begab sich die junge Frau in ihre eigenen Gemächer, denn es war bis zu ihrer Abreise noch einiges zu tun. Ein Stapel Aufsätze und ein unbeantworteter Brief von Charlie warteten bereits auf sie, sodass sie sich gleich auf ihrem Schreibtischstuhl niederließ und frisches Briefpapier zur Hand nahm. Sie erzählte von ihrem Besuch bei den Malfoys in Somerset, ihrem Problem mit dem Irrwicht und von der Hochzeitseinladung nach Romford. Als sie die ihre Unterschrift auf das weiße Papier setzte, versetze ihr der Anblick von Charlies krakeliger Handschrift auf dem Brief neben ihr einen kleinen Stich im Herzen. Sie vermisste den rothaarigen Weasley sehr, waren seit ihrem letzten Wiedersehen doch schon ganze fünf Monate vergangen. Vielleicht fand sie die Zeit, ihn in den nächsten Ferien einmal zu besuchen. Laut seinem Brief ging es ihm in Rumänien hervorragend, auch wenn er vor kurzem die Beziehung zu seiner Freundin Emilia beendet hatte. Soweit Elenora es verstanden hatte, waren die beiden aber friedlich auseinandergegangen, was vermutlich auch der Grund dafür war, warum Charlie der Rumänin nicht lange nachgetrauert hatte. Er ist unterbewusst eben schon mit seiner Arbeit verheiratet, dachte Elenora lächelnd und fasste an den Anhänger der Halskette, die sie von Charlie zu Weihnachten bekommen hatte. Nachdem sie den Brief versiegelt hatte, widmete sie sich den Aufsätzen über Vampire, die sie noch korrigieren musste. So vergingen die Stunden wie im Flug und bald schlug die Uhr Mittagszeit, was die Gryffindor aus ihrer Arbeit aufschrecken ließ. Jetzt war es an der Zeit, sich ausgehfertig zu machen. Mit einer laschen Handbewegung öffnete Elenora die Türen ihres Kleiderschrankes und entnahm ihm ein bodenlanges, dunkelblaues Kleid, das auf einer Seite schulterfrei ausfiel. Elenora verschwand damit im Badezimmer und kam ein paar Minuten später wieder heraus, um sich dann bewundert vor ihrem Spiegel zu drehen. Das Kleid floss sanft und geschmeidig um ihre Beine, was jede Bewegung wie weiche Meerwellen aussehen ließ. Nachdem die junge Frau noch etwas Makeup aufgetragen und ihre Haare zu einer Hochsteckfrisur frisiert hatte, schnappte sie sich ihren Umhang, Zauberstab sowie das Brautgeschenk und machte sich auf den Weg in die Eingangshalle, wo sie sich gleich mit Aaron treffen wollte. Unten angekommen war von dem großen Iren noch keine Spur zu sehen, dafür aber liefen zahlreiche Schüler mit verwunderten Blicken an ihr vorbei. Elenora zog unbehaglich an ihrem Mantel, bis endlich Aaron um die Ecke geschlendert kam. Elenora versuchte, ihn nicht zu sehr anzustarren, aber er sah in seinem hellblauen Anzug einfach zu gut aus. Seine Haare waren in einem ordentlichen Dutt zurückgebunden und er hatte sich eine weiße Blume an sein Jackett gesteckt. Elenora schüttelte kurz den Kopf, um ihre Fassung wiederzuerlangen, denn Aaron hatte seine Begleitung entdeckt und kam auf sie zugeschritten. „Sie sehen umwerfend aus, wenn ich das so direkt sagen darf", schmeichelte der Professor ihr und Elenora entwich ein verlegenes Kichern. „Sie dürfen. Es sieht ganz so aus, als ob wir bei der Farbwahl sogar denselben Gedanken hatten...", fügte sie noch hinzu und zupfte am blauen Stoff ihres Kleides. Aaron lachte und antwortete: „Nun, dann füge ich mich ja hervorragend ins Bild ein." Zusammen verließen die beiden Professoren das Gebäude und begaben sich auf dem gewohnten Weg zum Portschlüssel, der wie immer nahe dem Waldrand versteckt lag. Diesmal war es ein silbern funkelnder Kelch, den die Professoren zusammen umfassten und sich somit kurze Zeit später auf einer freien Wiese befanden. In einigen Metern Entfernung waren zwei große Zelte aufgebaut, die durch einen überdachten Tunnel verbunden waren. Gedämpfte Tanzmusik drang an Elenoras Ohren und ab und an auch lautes Gelächter. „Wie es aussieht, sind wir nicht die Ersten", sagte Aaron und bot Elenora den Arm, den sie bereitwillig ergriff. Zusammen näherten sie sich dem Zelt und Elenora konnte schon ein oder zwei bekannte Gesichter in der Menge erkennen. Plötzlich näherte sich dem Paar ein junger Mann, der Aria sehr ähnlichsah. „Ah, Sie müssen Ms. McGonagall und Mr. ó Racghnail sein! Ich bin Kai Eastwood, Arias älterer Bruder und heute Nachmittag für die Einweisung der Gäste zuständig!", rief er und zwinkerte. Elenora nickte wissend und reichte ihm die Hand. „Das sind wir, in der Tat. Ich habe viel von Ihnen gehört, Mr. Eastwood." „Ach bitte, nennt mich doch einfach Kai!" „Freut mich sehr, Kai.", sagte jetzt auch Aaron und reichte dem Engländer die Hand. Kai machte eine ausladende Handbewegung und erklärte: „Ich führe euch gleich zu euren Plätzen, die Zeremonie geht in ein paar Minuten los. Hier entlang bitte!" Elenora und Aaron drückten sich an den vielen Gästen vorbei, um Kai zu ihren Plätzen zu folgen, die sich relativ weit vorne am Tanzparket befanden. Kai deutete auf einen der runden Tische und grinste: „Ihr habt die Ehre, mit meiner Schwester und mir am selben Tisch zu sitzen! Ich hoffe, der Altersunterschied macht euch nichts aus." Am Tisch saß das kleinste Geschwisterchen von Arias Familie, Liv Eastwood. Genau genommen war es Arias Adoptivschwester, die mit drei Jahren in die Familie aufgenommen wurde, aber abgesehen von ihrer Hautfarbe unterschied sie sich kein bisschen von ihren Geschwistern. Ihr Grinsen, mit dem sie die Neuankömmlinge jetzt begrüßte, war genauso breit wie das von Kai, und ihre Augen glänzten nur so vor Klugheit, genau wie die von Aria. „Hi! Ich bin Liv, und wer seid ihr?", fragte sie gerade aus, als sich die beiden Professoren zu ihr an den Tisch setzen. „Ich bin Elenora McGonagall und das ist Aaron ó Racghnail. Wir sind Kollegen und Freunde von Aria. Schön dich kennenzulernen, Liv!", erklärte Elenora und lächelte Liv freundlich an. Das junge Mädchen beäugte die beiden zunächst kurz und nickte dann begrüßend. „Hab schon viel von euch gehört! In Briefen, zumindest. Ich bin keine Hexe, und älter als elf bin ich auch schon, also wird's wohl nie was mit Hogwarts, aber Aria hat mir alles darüber erzählt! Vielleicht nimmt sie mich eines Tages mal mit, hat sie gesagt.", erzählte Liv mit leuchtenden Augen, während ihre Rasterlocken fröhlich auf und ab wippten. „Das wird sie bestimmt! Dann bekommst du deine persönliche Schlosstour", lächelte Elenora und zwinkerte dem Mädchen zu. Auf einmal schallte der Klang eines Glases durch den Raum, und die Anwesenden wurden langsam leiser. Eine Frau, die Elenora als Arias Mutter identifizierte, hatte sich erhoben und lächelte den Gästen freundlich entgegen. „Liebe Gäste, herzlich willkommen! Mein Mann, das Brautpaar und ich freuen uns sehr, dass ihr an diesem besonderen Tag so zahlreich erschienen seid! Die Zeremonie wird jeden Moment beginnen, also bitte einmal einen kräftigen Applaus für unseren Bräutigam!" Tosender Applaus und Pfiffe wurden laut, als Joseph Richardson auf die Tanzfläche trat und sich mit verlegenem Grinsen kurz verbeugte. Sogleich fing die Band an, einen englischen Hochzeitsmarsch zu spielen, und die Menge teilte sich für die Braut. Hochgespannt blickte Elenora zum Zelteingang, der sich jetzt öffnete und den Blick auf Aria Eastwood freigab, die nun galant ihrem zukünftigen Ehemann entgegenschritt. Unterbewusst hielt die Gryffindor die Luft an und bestaunte ihre Freundin; zwar hatte sie bei der Kleiderauswahl geholfen, aber der Anblick raubte ihr immer noch den Atem. Das weiße Kleid war bodenlang und zog eine seidene Schärpe hinter sich her. Die Rüschenärmel des Kleides waren mit kleinen funkelnden Steinchen verziert, die auch in Arias Frisur eingeflochten waren. Die Ravenclaw strahlte heller als ein Stern, wie sie da so auf Joseph zuschritt, dem offensichtlich die Worte fehlten. „So sieht also der glücklichste Mann der Welt aus!", flüsterte Aaron Elenora zu, die nur andächtig nickte. Als Aria auf dem Parkett angekommen war, nahm Joseph sie bei der Hand und zusammen drehten sie sich dem Magischen Zeremonienmeister um, der den Ehebund aussprechen würde. „Wir sind heute hier versammelt, um die Vereinigung zweier sich liebender Seelen zu feiern." Während der Zeremonienmeister die traditionellen Trauungssprüche vortrug, schauten sich Aria und Joseph verliebt an, was Elenora beinahe emotional werden ließ. Der Zeremonienmeister legte nun seine Hand auf die der Partner und sprach die magischen Worte: „So erkläre ich euch hiermit für lebenslang verbunden!" Ein glückliches Lachen erschien auf Arias Gesicht und Joseph zog sie zu sich, um sie leidenschaftlich zu küssen. Im Zelt brach tosender Jubel aus und Elenora musste sich nun wirklich zusammenreißen, um nicht doch in Freudentränen auszubrechen. Schon bald erklangen die ersten Töne eines beliebten Musikstückes, sodass Aria ihren Ehegatten auf das Parkett zog und mit ihm freudig zu tanzen anfing. Die Anwesenden waren aufgestanden und klatschten im Takt des englischen Klassikers, während die ersten Gläser Champagner herumgereicht wurden. Auch Elenora und Aaron stießen zusammen an und leerten ihre Gläser in einem Zug, was beide zum Lachen brachte. „Was für ein schönes Ehepaar", meinte Aaron und Elenora stimmte seufzend zu. „Ich hoffe, meine Hochzeit wird irgendwann einmal genauso himmlisch!", wünschte sich die junge Frau, was bei Aaron einen neugierigen Blick auslöste: „Dann haben Sie und ihr Partner schon Verlobungspläne?" Baff starrte die Gryffindor den Professor an, bis ihr einfiel, dass er ja gar nichts von ihrem tragischen Liebesleben wusste. „Oh bei Merlins Bart, nein – ich habe nicht einmal einen Partner", lachte sie dann auf und nippte an ihrem nächsten Glas Schampus. Aaron stimmte in ihr Lachen mit ein und gab hinzu: „Nun, dann bin ich wohl nicht alleine im Club der Singles. Obwohl ich den Eindruck habe, dass relativ viele Lehrer in Hogwarts unverheiratet sind?" „Ja, ich weiß auch nicht voran das liegt, das ist so ein Phänomen an unserer Schule", kicherte Elenora. Da erhaschte sie einen Blick auf Aria, die von der Tanzfläche trat und sogleich von einigen Gästen umringt wurde. Zurück an Aaron gewandt meinte sie: „Es macht Ihnen doch nichts aus, wenn ich mich kurz mit der Braut unterhalten gehe?" „Natürlich nicht! Ich habe hier doch auch einen kompetenten Gesprächspartner", antwortete der Hufflepuff und zwinkerte Liv zu, die freudig zurückgrinste. „Nun denn, bis gleich!" Die junge Professorin verließ ihren Platz und schob sich durch die Menge hinüber zu ihrer Freundin, um sie von hinten zu überraschen. Aria fuhr herum und lachte glücklich. „Oh El! Ich freue mich so, dich zu sehen!" „Alles Gute zur Hochzeit, meine Liebe!", rief Elenora und zog die Braut in eine feste Umarmung. Dann überreichte sie der Ravenclaw ihr Brautgeschenk, das diese vorsichtig entgegennahm. Erwartungsvoll beobachtete Elenora, wie Aria das Geschenkpapier entfernte und eine Flasche selbstgebrannten Whiskey sowie eine kleine Schneekugel zum Vorschein kamen. In der Schneekugel befand sich ein geschnitztes Abbild des Ehepaares, das Aria jetzt bewundernd anstarrte. „Das... das ist ja wunderschön! Wie um alles in der Welt..." „Eine Spezialanfertigung aus der Winkelgasse. Ich finde, es trifft euch gut!", erklärte die Gryffindor gleich und erntete einen dankbaren Blick von ihrer Freundin. „Vielen Dank, El. Ich werde sie in Ehren halten." „Schön, dass sie dir gefällt!" Aria hielt ihre Kollegin auf einmal an den Armen fest und wollte wissen: „Dir ist doch nicht langweilig, oder? Ich meine, weil du hier nicht so viele Leute kennst..." „Ganz und gar nicht, schließlich bin ich ja mit Aaron als Tanzpartner hier." „Oh, tatsächlich? Wie wunderbar!" „Ja, wir sitzen mit deinen Geschwistern an einem Tisch. Liv ist wirklich bezaubernd!" „Ha, sag ihr das lieber nicht offen ins Gesicht, sonst wird sie mir das ewig unter die Nase reiben!", lachte Aria und strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Joseph winkte Elenora vom Buffet aus zu, was Elenora erwiderte und Aria dann Richtung ihres Gemahls schob. „Na los, dein Traumprinz wartet auf dich, Mrs. Richardson!", raunte die junge Frau mit einem Augenzwinkern und beobachtete, wie Aria mit einem letzten glücklichen Blick auf ihre beste Freundin zu ihrem Ehemann hinüberschritt. Um dem Gewusel auf dieser Seite des Zeltes zu entgehen, machte sich die Gryffindor auf den Rückweg zu ihrem Tisch.

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