32. Ballkleid

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In den nächsten Tagen war Elenora damit beschäftigt, die letzten Vorbereitungen für den Weihnachtsball zu treffen, ihrer Aufgabe als Lehrerin nachzugehen und sich um ihre zwei neuen Schützlinge zu kümmern. Die beiden Fohlen hatten sich schnell an ihr neues Zuhause gewöhnt und waren Hagrid und Elenora schon sehr zutraulich gegenüber, was das Füttern und die Pflege wesentlich einfacher machte. Der ganze Trubel lenkte Elenora sehr von ihrem Herzschmerz ab und sorgte dafür, dass sie kaum noch an ihren Exfreund denken musste. Einzig der Gedanke an den Winterball stimmte sie ab und zu ein wenig traurig, aber sie fand meistens einen Weg, sich davon abzulenken. Gerade saß die Professorin mit Severus am Lehrertisch in der Großen Halle, wo sie zusammen die anwesenden Schüler beaufsichtigten. Elenora beobachtete, wie ihr Schüler Thomas Thackerby in Begleitung zweier Kollegen hinüber zum Tisch der Ravenclaws spazierte, direkt auf einen Mädchenpulk zu. Die Professorin lächelte leise, als Thackerby vortrat, sich vor eines der Ravenclaw-Mädchen stellte und etwas zu ihr sagte. Das Mädchen wurde rot und kicherte, dann nickte sie und auf Thackerbys Gesicht erschien ein breites Grinsen. Severus bemerkte Elenoras Blickrichtung und verzog das Gesicht, als er das Spektakel sah. „Wenn deine Gryffindors so mutig sind, warum müssen sie dann immer in der Gruppe losziehen, damit einer ein Mädchen zum Ball bitten kann?" „Vielleicht, weil das in der Natur eines Pubertierenden liegt?", gab Elenora schnippisch zurück und erntete nur ein Augenrollen vom Slytherin. „Erbärmlich.", schloss er seine Aussage und fuhr mit seinen Korrekturarbeiten fort. Elenora seufzte nur und versuchte, ihre neidischen Blicke vor den Schülern zu verbergen. Besser ohne Tanzpartner auftauchen als mit einem Betrüger, mahnte sie sich selbst und versuchte, ihre Konzentration auch wieder auf ihre eigenen Korrekturarbeiten zu lenken. So wichtig war der Ball jetzt nun auch wieder nicht, und sie war sich sicher, dass sie sich morgen auch so amüsieren würde. Schließlich hatte sie ja noch Minerva und Severus, die beide auch partnerlos sein würden. Trotzdem nagte der Neid weiter an ihr und verwandelte sich bald in eine depressive Stimmlage. Severus bemerkte ihre niedergeschlagene Miene und neigte den Kopf. „Alles in Ordnung?" Elenora sammelte ihre Sachen ein und stand auf. „Ach, ich bin nur... müde.", erwiderte sie und verließ den Lehrertisch. Im Vorbeigehen erhaschte sie noch einen Blick auf das Ravenclaw-Mädchen, das jetzt glücklich kleine Herzen auf ihr Pergament malte. Das verbesserte Elenoras Laune nicht unbedingt und so dachte sie über eine Möglichkeit nach, sich aufzumuntern. Ein Blick aus dem Fenster sagte ihr, dass es noch nicht zu spät war, um Hagrid und den Fohlen einen Besuch abzustatten, weshalb sie ihren Papierkram in ihr Büro brachte und sich dann auf den Weg zu der kleinen steinernen Hütte am Waldrand machte. Aus dem Schornstein stiegen wie immer kleine Rauchwolken in den Abendhimmel und die junge Frau klopfte zaghaft an die Holztür. Sofort hörte man Fangs Gebell und Sekunden später öffnete Hagrid die Tür. „Oh, Professor, guten Abend! Du bist wegen den kleinen Rabauken hier, hab' ich recht?" Er trat einen Schritt zur Seite und gab den Blick auf Diablo frei, der neugierig zum Eingang spähte. Elenora kniete sich hin und schnalzte leicht mit der Zunge. „Komm her, Hübscher!" Bevor Diablo sich rühren konnte, schoss Geist wie ein Blitz an ihrem Bruder vorbei und warf Elenora fast um. Die Gryffindor lachte und kraulte der kleinen Stute den Hals. „Immer mit der Ruhe, Geist!" Jetzt kam auch Diablo langsam aus der Hütte stolziert und streckte seiner Retterin die weiche Nase entgegen. Elenora kramte in ihrer Manteltasche nach dem Beutel, in dem sie ein paar Leckerlis mitgebracht hatte und begann, den jungen Thestral zu füttern. Natürlich wurde auch Geist nicht vernachlässigt, dennoch zwickte sie ihren Bruder in die Seite, um auch an den Beutel heranzukommen. Diablo schnaubte entrüstet auf und schnappte nach ihr, aber Geist war schneller und brachte sich mit einem Sprung nach hinten in Sicherheit. Hagrid lachte auf und rief: „Zwei muntere Wirbelwinde haben wir uns da ins Haus geholt, Professor! Hätt' man gar nich' gedacht, so wie die gezittert haben am ersten Tag." Zustimmend nickte Elenora und verfütterte den letzten Leckerbissen an Geist. Schnaubend versuchte Diablo, seinen kleinen Kopf in ihre Manteltasche zu stecken, aber Elenora schob ihn behutsam weg und stand auf. „Vielen Dank nochmal, dass du dich um sie kümmerst, Hagrid." Der Wildhüter winkte ab. „Ach, ist doch selbstverständlich. Konnte die zwei ja nich' einfach im Wald liegen lassen." Elenora lächelte und drückte die beiden Fohlen wieder sanft in Richtung der Hüttentür, bis sie von selbst hineinliefen. „Morgen schaffe ich es vermutlich nicht, vorbeizukommen..." „Ja ja, versteh' ich, schließlich ist da der Weihnachtsball.", beendete Hagrid ihren Satz und nickte verständnisvoll. „Keine Sorge Professor, ich kümmre mich ja um sie." Dankbar lächelte die junge Frau und hob zum Abschied die Hand, dann drehte sie sich um, um die Stufen zum Schloss zu erklimmen. Ihren eigenen Gedanken nachhängend verbarg sie ihre kalten Finger tief in den weichen Taschen ihres Mantels und nahm eine Stufe nach der anderen. Sie wollte nicht riskieren, wieder hinzufallen und ihre fast verheilte Seite wieder zu verletzen, denn das konnte sie jetzt nun wirklich nicht nochmal gebrauchen. Im Schloss herrschte an diesem Abend mal wieder geschäftiges Treiben, denn es fehlten noch ein paar letzte Dekorationen und Schüler wie Lehrer waren gleichermaßen aufgeregt auf den Ball. Sogar die Hausgeister und Gemälde waren munterer als sonst, und Sir Nicholas schwebte mit einem fröhlichen: „Guten Abend, Professor!" an ihr vorbei. Elenora nickte ihm nur kurz zu und drückte sich dann an die Wand, um einer großen Gruppe tratschender Mädchen auszuweichen, die ihr auf dem Gang entgegenkamen. „Ich bin schon so aufgeregt! Ich hoffe, Sean wird mein Kleid gefallen..." „Natürlich wird es das! Du wirst wunderschön aussehen, so wie wir alle. Da kriegen die Jungs was zum Staunen!" „Welche Farbe hat dein Kleid eigentlich?" Die Gruppe verschwand um die nächste Ecke und das Stimmengewirr verlor sich in der Ferne. Wirklich jeder schien sich nur noch Gedanken um den Ball zu machen, was ja auch irgendwie verständlich war. In diese festliche Vorfreude passte Elenoras depressive Stimmung nun gar nicht rein, weshalb sie sich still und leise auf den Weg zu ihrem Schlafgemach machte. Erleichtert, dem Trubel entkommen zu sein, schloss sie die Tür hinter sich und atmete erst einmal tief durch. Sie zog ihren Wintermantel aus und hing ihn an den Garderobenhaken an ihrer Tür, als ihr Blick auf ihren großen Wandschrank fiel. Elenora starrte ihn kurz stumm an, dann trat sie langsam zu ihm und öffnete die knirschenden Holztüren. Dort hing, aus allen anderen Kleidern hervorstechend, ihr wunderschönes Ballkleid. Elenora seufzte und fuhr mit der Hand über den seidenen Stoff; sie konnte sich noch genau erinnern, wie bezaubert sie damals davon gewesen war, als sie es in der Winkelgasse gefunden hatte. Das bodenlange Kleid war schulterfrei und dessen satter Rot-Ton stach jedem Betrachter ins Auge. Die rüschenbedeckten Ärmel waren separat und mit den gleichen eleganten Stickmustern verziert, wie der Saum des Kleides. Das Highlight bildeten die winzigen funkelnden Edelsteine, die kunstvoll in den Stoff eingearbeitet waren. Auch wenn das Kleid insgesamt sehr aufwendig verarbeitet war, hinterließ es dennoch einen einfachen und eleganten Eindruck beim Betrachter. Ein kleines Lächeln stahl sich auf das Gesicht der Gryffindor, wenigstens würde ihr Outfit morgen Abend glänzen. Und wer weiß, vielleicht schaffte sie es ja doch, den Slytherin-Hauslehrer zu einem Tanz zu überreden. Sie schloss die Schranktüren wieder und wandte sich gerade ihrem Schlafzimmer zu, da klopfte es an der Tür. 

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