50. Achtundzwanzig

78 6 0
                                    

Vogelgezwitscher und die ersten Sonnenstrahlen des Tages erweckten Elenora aus ihrem Schlaf. Leicht gähnend streckte sich die junge Frau und öffnete die Augen. Mit einem Blick nach draußen schlich sich ein stilles Lächeln auf ihre Lippen. Heute war Elenoras 28. Geburtstag, und wenn sie genauer darüber nachdachte, fühlte sich die Gryffindor irgendwie alt. Es kam ihr vor, als wäre sie erst gestern mit ihren Cousins in Isobel McGonagalls Garten durch die Lüfte geflogen und hätte mit Minerva Flugstunden über dem Großen See gehabt. Dabei war all das schon so viele Jahre her und so vieles hatte sich seitdem geändert. Jetzt sieh dich an, fast 30 und immer noch keinen festen Partner, meldete sich eine sarkastische Stimme in ihrem Kopf. Aber Elenora beschloss, diese heute zu ignorieren und schwang sich energisch aus ihren flauschigen Kissen. Fröhlich summend lief sie ins Bad, um sich fertig zu machen, und als sie wieder heraustrat, stand plötzlich die kleine Hauselfe Polly vor ihr. „Guten Morgen, Miss McGonagall, Miss!", rief sie eifrig und fuhr dann fort: „Sie wurden gebeten, sich zu einer dringenden Versammlung im Lehrerzimmer einzufinden!" Überrascht zog Elenora die Augenbrauen hoch. „Worum geht es?" „Es geht um eine Änderung im Stundenplan!", beantwortete Polly die Frage und verbeugte sich. „Polly muss jetzt wieder an die Arbeit, Miss!" „Oh, natürlich. Danke, Polly." Nachdem die kleine Hauselfe wieder mit einem Puff verschwunden war, seufzte Elenora einmal laut. Selbst an ihrem Geburtstag blieb ihr die Arbeit wohl nicht erspart, aber so war das Lehrerdasein nun einmal. Sie griff nach ihrem Zauberstab, der auf dem Schreibtisch lag, und öffnete dann die Tür ihres Zimmers. In den Korridoren herrschte schon das übliche rege Treiben, denn viele Schüler waren bereits auf dem Weg zum Frühstück oder kamen vom morgendlichen Quidditch-Training. Gut gelaunt spazierte Elenora auf die Tür des Lehrerzimmers zu, und richtete ihre Robe, als die Tür weit aufschwang und ein Stimmenchor rief: „Alles Gute zum Geburtstag!" Perplex starrte Elenora auf die versammelte Menschenmenge, die sich in dem engen Türbereich drängelte und freudig klatschte. Ganz vorne standen Minerva, Poppy und Rolanda, die die junge Frau nacheinander herzlich umarmten. „Herzlich Glückwunsch, mein Schatz!", sagte Minerva und gab ihrer Nichte einen Kuss auf die Wange. Elenora war immer noch zu überrascht, um mehr als ein „Danke!" hervorzubringen. „Happy Birthday, El!" Aria Eastwood kam zusammen mit Aaron ó Racghnail aus der Menge hervor und drückte ihre Freundin an sich. „Alles Gute, Elenora." Aaron schüttelte ihr die Hand und lächelte sie freundlich an, dann räusperte sich auf einmal eine dunkle Stimme hinter der jungen Frau. Severus stand mit verschränkten Armen da, und beäugte seinen Schützling zunächst skeptisch. „Fast 30, du wirst ja langsam alt, Elenora." „Sehr witzig, Severus." Elenora hatte sich aus ihrer Schockstarre gelöst und grinste den Slytherin jetzt schief an. Dieser öffnete seine Arme ein wenig und zog die Gryffindor in eine kurze, aber feste Umarmung. „Meinen Glückwunsch.", murmelte er dann und ließ seine Hand noch einen Moment lang auf Elenoras Schulter ruhen, bevor er für die anderen Professoren Platz machte, die Elenora jetzt auch nacheinander gratulierten. Auf dem Tisch stand eine wunderschön verzierte Geburtstagstore, die in Form einer 28 gestaltet war. „Na, ist die Überraschung gelungen?", fragte Rolanda Hooch und lehnte sich zu Elenora herüber. „Oh ja!", grinste die junge Frau und ließ sich auf ihrem Platz nieder, was ihr die meisten Anwesenden gleichtaten. „Die Torte war Arias Idee, sie ist wirklich sehr kreativ was sowas angeht! Ich habe nur beim Backen geholfen", erzählte Aaron und ließ sich links neben Elenora wieder, während sich Aria mit einem stolzen Lächeln rechts von ihrer Freundin hinsetzte. „Hätte ich mir fast denken können, ihr zwei habt letzte Woche schon so geheimnisvoll getuschelt!", lachte Elenora. Die drei Kollegen waren im letzten Monat zu einem freundschaftlichen Trio zusammengewachsen, das hin und wieder etwas zusammen unternahm. Von wöchentlichen Zaubererschach-Turnieren zu gemeinsamen Teetrinken und langen Spaziergängen auf dem Gelände von Hogwarts; die jungen Professoren hatten viel Spaß miteinander. Elenora war froh, dass das Kollegium von Jahr zu Jahr jünger wurde, denn ohne Aaron und Aria wäre es für die junge Frau doch etwas eintönig in Hogwarts. Aria hatte die „Acht" der Torte angeschnitten und verteilte an alle Anwesenden Kuchenstücke. Elenora steckte sich eine volle Gabel in den Mund schloss genießerisch die Augen. „Mmm, die Torte ist sehr lecker, gut gemacht ihr beiden!", lobte sie ihre Freunde. Arias Wangen färbten sich bei dem Kompliment etwas rosa und sie grinste weiter vor sich hin. „Deine Geschenke habe ich von Polly in dein Zimmer bringen lassen, dann kannst du sie nach Unterrichtsschluss in aller Ruhe öffnen.", erklärte Minerva und sah zur Uhr. „Du meine Güte, in 15 Minuten ist Unterrichtsbeginn! Wir sollten uns lieber alle auf den Weg machen...", fügte sie noch hinzu und erhob sich. Die restlichen Professoren taten es ihr gleich und so machte sich auch Elenora auf den Weg zu ihrem Klassenraum, nicht ohne allen Beteiligten noch einmal für die schöne Überraschung zu danken. Glücklich summend lief die junge Frau die Korridore ihrer geliebten Schule entlang und trat schwungvoll in den bereits gefüllten Raum. „Guten Morgen!" „Morgen, Professor", kam es gemurmelt von der Zweiten Klasse. Elenora lief zu ihrem Schreibtisch, den sie gestern Abend schon vorsorglich mit den heutigen Unterrichtsmaterialen versehen hatte, und lehnte sich an die Tischkante. „Wir werden heute mit unseren Expelliarmus-Übungen fortfahren, also verlassen Sie bitte Ihre Plätze und suchen Sie sich ihren Partner von letzter Stunde.", wies die junge Professorin ihre Schüler an, die sich sofort eifrig erhoben und diskutierend durcheinanderwuselten. „Ähm, Professor McGonagall, Raya Bashar ist seit gestern im Krankenflügel, also habe ich keinen Partner!", meldete sich da ein Ravenclaw-Junge zu Wort. „Nun, Mr. Andrews, dann müssen Sie wohl mit mir vorliebnehmen.", erwiderte Elenora kurzerhand und stellte sich dem Zweitklässler entgegen. Colin Andrews wirkte etwas verschüchtert, schüttelte dann aber kurz seine Arme aus und richtete seinen Zauberstab unsicher auf seine Professorin. Diese gedeutete ihm, noch einen Moment zu warten und richtete sich dann noch einmal an die ganze Klasse. „Denken Sie daran, bewegen Sie ihren Zauberstab in einem rechten Winkel nach unten und haben Sie ihr Gegenüber fest im Blick! Wenn Sie sich nicht vollständig auf Ihr Ziel konzentrieren, wird der Zauber nur abprallen oder gar nicht erst zustande kommen!" Jetzt drehte sich Elenora wieder zu Andrews und gab ihm mit einem Kopfnicken das Zeichen, sie anzugreifen. „Halten Sie ihren Stab etwas weiter hinten, dann haben Sie mehr Kontrolle über die Spitze, ja, genau so, und jetzt..." Auffordernd sah die Gryffindor den jungen Ravenclaw an, der nervös auf seiner Lippe kaute und dann ein genuscheltes „Expelliarmus" hervorbrachte. Die Spitze seines Zauberstabs leuchtete kurz auf und erlosch dann wieder, ohne großartig etwas bewirkt zu haben. Kopfschüttelnd sah Elenora ihren Schüler an und kommentierte: „So wird das nichts, Sie müssen den Zauber schon deutlich aussprechen. Soweit ich es gesehen habe, hat das doch letzte Stunde schon wunderbar funktioniert!" Colin Andrews kaute weiter auf seiner Lippe, sodass Elenora schließlich aufseufzte. „Hören Sie Andrews, Sie müssen sich keine Sorgen machen, dass Sie mich mit einem Angriff in irgendeiner Weise verärgern oder verletzen könnten. Auch dass ich Ihre Professorin bin ändert nichts an der Tatsache, dass diese Stunden dafür gedacht sind, solche Zauber zu üben, also haben Sie keine Angst.", redete sie jetzt beruhigend auf den kleinen Jungen ein, der sich sichtlich entspannte. Elenora hob erneut ihren Zauberstab und nickte Colin zu. „Also dann, auf ein Neues." Der Ravenclaw hatte den Blick fest auf sie gerichtet und holte tief Luft. „Expelliarmus!" Elenoras Zauberstab flog ihr aus den Händen und flieg klappernd zu Boden. Die ganze Klasse hatte innegehalten und starrte jetzt Colin an, der mit einer Mischung aus Stolz und Unsicherheit zu seiner Lehrerin aufblickte. Die Gryffindor nickte anerkennend und hob ihren Erlenholzstab wieder auf. „Sehr gut! Ich wusste, Sie können das besser", lobte sie Andrews und wies ihn an, sich mit anderen Schülern zu einer Dreier-Gruppe zusammenzuschließen. So konnte Elenora selber herumlaufen und die anderen Schüler unterstützen und beobachten. Mehr als die Hälfte beherrschte den Zauber schon recht gut, auch wenn es die jungen Schüler noch viel Konzentration kostete, einen kräftigen Entwaffnungszauber zu erzeugen. Elenora wusste jedoch, dass mit Zeit und Übung jeder Zauber einfacher wurde, genauso wie die Herstellung eines Trankes oder die Lösung einer Arithmantik-Formel. Zufrieden beobachtete sie, wie sich die Zweitklässler fleißig mit den Übungen beschäftigten und ein kleines Gefühl des Stolzes wuchs in ihrer Brust heran. Die junge Professorin konnte es kaum erwarten, diesen und vielen anderen ihrer Schüler irgendwann die bestandenen ZAGs in die Hand zu drücken. 

A Hogwarts Love StoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt