40. Ein besonderer Heiligabend

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Nachdem Minerva ein „Wir sind spazieren!" in Richtung Küche gerufen hatte, erhoben sich die beiden Gryffindors und machten sich daran, ihre Wintermäntel überzuziehen. Elenora öffnete die Haustür und sofort schlug ihr ein frischer Wind entgegen, was sie aber nicht von der wunderschönen Aussicht ablenken konnte: Die gesamte Landschaft vor ihr war in ein sauberes Weiß getaucht und glänzte wunderschön in der Nachmittagssonne. „Ich kann verstehen, warum Großmama auch während dem Krieg hier nie wegwollte", murmelte Elenora und hörte Minerva neben sich antworten: „Ja, es ist wirklich zu jeder Jahreszeit atemberaubend." Ein paar Herzschläge lang standen die beiden einfach nur da und ließen den Ausblick auf sich wirken, dann schritt Minerva voran durch den knisternden Schnee. Sie liefen vorbei an einem großen kahlen Baum, dessen Äste weit oben in der Krone ein großes Loch formten. „Weißt du noch, wie wir früher dieses Loch da oben immer als Quidditch-Tor benutzt haben? Ich habe es nur einmal geschafft, ein Tor zu werfen.", fragte Elenora ihre Tante und lächelte bei dieser Erinnerung. Minerva blickte nach oben und ihr huschte ebenfalls ein seliges Lächeln über die Lippen. „Ja, Dorothea war wirklich eine ausgezeichnete Hüterin. Schade, dass sie nicht in Hogwarts war, sie hätte sich hervorragend in einem der Quidditch-Teams gemacht!" Elenora dachte an die seltenen Sommer, die sie mit ihrer Cousine hier in Forsinard verbringen durfte, während Minerva Missionen für den Orden ausführte oder anderweitig beschäftigt war. Auch wenn die Gryffindor nie gut im Quidditch gewesen war, hatten die beiden Mädchen doch immer viel Spaß gehabt, vor allem als Jacob irgendwann auch groß genug geworden war, um auf einem Besen zu fliegen. Manchmal hatten sie auch Minerva und Malcom dazu überreden können, eine Runde mit ihnen zu spielen. Obwohl Minerva seit der Verletzung in ihrer Jugend nicht mehr so schnell fliegen konnte, war sie immer noch eine gute Spielerin, die die ganze Gruppe in Atem gehalten hatte. Wenn Elenora die Augen schloss, konnte sie noch immer den warmen Sommerwind auf ihrer Haut spüren und den schweren Geruch der Kirschbäume hinterm Haus wahrnehmen. Hinter dem Baum erstreckte sich das Waldstück, aus dem der diesjährige Weihnachtsbaum stammte, und Minerva betrat den kleinen Trampelpfad als Erstes. Der Weg war gerade mal so breit, dass die zwei Gryffindors nebeneinander laufen konnten. Elenora hakte sich bei ihrer Tante unter und zusammen liefen sie ein Stück schweigend den Weg entlang, nur den Geräuschen des Waldes lauschend. Auf einmal blickte Minerva ihre Nichte von der Seite an und sagte: „Elenora, Liebes, ich muss dich etwas fragen." Aufmerksam drehte die junge Frau ihren Kopf leicht zur Seite, ohne aber den Blick vom Pfad zu wenden. „Ja?" „Es geht um Severus. Mir ist es immer noch ein Rätsel, wie ihr beiden euch auf einmal vertragen habt. Schließlich herrschte doch monatelanges Schweigen, und da komme ich eines Abends in sein Zimmer und da sitzt ihr zwei und trinkt Tee, als ob nie was gewesen wäre. Was genau ist passiert?" Wissend nickte Elenora, sie hatte sich schon gedacht, dass ihre Tante nochmal darauf zurückkommen würde. Sie räusperte sich und begann: „Nun ja, für mich kam es auch sehr überraschend. Weißt du, als Damien in Hogwarts aufgetaucht ist und ich die Beziehung endgültig beendet habe, wollte Severus mich danach aufmuntern. Aber ich-" Elenora stockte kurz; die Erinnerung an diesen Vorfall löste bei ihr immer noch Unbehagen und Schuldgefühle aus, „Ich habe ihn abgewiesen und verletzt. Naja...da dachte ich erstmal natürlich, dass ich unsere Freundschaft endgültig ruiniert hätte, aber noch am selben Tag haben wir uns zufällig auf einem Gang getroffen und er hat mir alles erklärt. Wieso er abgehauen ist nach unserem Gespräch im Krankenflügel damals und warum er solange gebraucht hat, um mir das zu beichten." Minerva nickte jetzt verständnisvoll, dann blinzelte sie ihre Nichte liebevoll an. „Ich verstehe. Weißt du, Severus hat mir am Rande mal erzählt, dass du ihn zur Familie zählst... und dass du ihn mittlerweile wie einen Vater siehst." Bei Elenoras überraschtem Gesicht fuhr sie lachend fort: „Oh, du hast ja keine Ahnung, wie lange ich gebrauchte habe, um das aus ihm rauszukriegen. Dieser Mann ist wie ein Buch mit sieben Siegeln. Aber Spaß beiseite, ich habe diese besondere Verbindung zwischen euch beiden schon bemerkt, als du frisch als Lehrerin in Hogwarts angefangen hast. Ehrlich gesagt habe ich schon lange gehofft, dass euch beiden das auch auffällt." Minerva blickte in die Ferne zwischen den verschneiten Bäumen hindurch, wo man bereits wieder freies Gelände erspähen konnte. Dann fügte sie hinzu: „Severus ist zwar nicht Robert, aber er ist ein guter Mann und du bist ihm wirklich wichtig." In Elenoras Inneren ging ihr Herz auf. Die Vater-Tochter-Sache hatte sie ihrer Tante tatsächlich schon seit einer ganzen Weile erzählen wollen, aber sie hatte Angst vor ihrer Reaktion gehabt. Schließlich sollte es nicht so aussehen, als wollte sie ihren leiblichen Vater ersetzen, aber Minerva schien das zum Glück auch ohne Worte schon verstanden zu haben. Die junge Frau atmete erleichtert aus und sagte: „Danke, dass du das verstehst, Minerva." Die Schottin lächelte und zusammen verließen die beiden den Wald. Nach weiteren zehn Minuten kam das Herrenhaus wieder in Sicht und die Tour war beendet. Während Elenora sich die Stiefel abklopfte, meinte ihre Tante: „Es wird schon dunkel, langsam ist es Zeit für das Festessen!" Sie traten ein und fanden Audra und Dorothea vor, die ein paar letzte Päckchen unter dem Baum stapelten. „Ah, da seid ihr ja!" Isobel kam aus einem Nebenzimmer mit weiteren Päckchen unter dem Arm und drückte sie Dory in die Hände. „Minerva, kommst du mal eben mit? Wir müssen etwas besprechen", meinte die kleine Frau dann und grinste geheimnisvoll in Elenoras Richtung. Was hecken diese beiden schon wieder aus, fragte sich die Gryffindor stumm und sah ihrer Tante neugierig hinterher, als diese mit einem wissenden Lächeln ihrer Mutter in die Küche folgte. „Ich werde mich dann jetzt mal fertigmachen. El, kommst du mit?" Dory sah ihre Cousine auffordernd an und zog sie dann hinter sich die Treppen hoch, ohne auf eine Antwort zu warten. Verwirrt ließ Elenora sie gewähren und wurde von Dorothea direkt in ihr Zimmer geschoben. „Na los, sonst wird das Essen kalt!", rief sie und schloss die Tür dann mit einem Grinsen auf ihren Lippen. „Was war das denn gerade...", murmelte Elenora laut und schüttelte dann den Kopf. Ihre Cousine hatte Recht; es war Zeit, sich in elegantere Garderobe zu werfen. Die junge Frau schritt hinüber zu ihrem Koffer und holte zuerst die ganzen Geschenke für ihre Familie heraus, dann endlich zog sie eine elegante, schwarze Hose und ein dunkelrotes Oberteil zwischen den anderen Klamotten hervor. Sie schlüpfte in das Outfit und befestigte ihre Haare mit ein paar Nadeln zu einer schlichten Hochsteckfrisur, dann trug sie noch farblich passenden Lippenstift auf und entschied sich für lange, silberne Ohrringe, die bei jeder Bewegung funkelten. Zufrieden begutachtete sich die Gryffindor im Spiegel an der Wand und stapelte dann alle Geschenke so auf ihren Armen, dass sie alle auf einmal hinuntertragen konnte. Vorsichtig machte Elenora einen Schritt nach dem anderen in Richtung des Wohnzimmers und behielt die wackelnden Pakete dabei fest im Blick. Aus dem Wohnzimmer ertönten bereits die Stimmen ihrer Familienmitglieder, die jedoch verstummten, als Elenora eintrat. Erneut verwirrt blickte die junge Frau reihe um in die Gesichter ihrer Verwandten, die sie alle erwartungsvoll angrinsten. „Was ist los, was starrt ihr alle so?", fragte Elenora nun mit einem mulmigen Gefühl im Magen und drehte sich um. Fast hätte sie die Geschenke fallen gelassen, als ihr Blick auf die Ecke hinter der Tür fiel. „Severus!?" Der Slytherin öffnete die Arme ein wenig und hob die Augenbrauen. „Überraschung...", murmelte er dann und musste einen Schritt nach hinten machen, als Elenora ihn nach dem Absetzten der Pakete stürmisch umarmte. Im Hintergrund hörte sie ihre Familie lachen und drehte sich dann mit gespielt böser Miene zu ihnen um. „Ihr habt das ausgeheckt, alle zusammen! Deshalb die ganze Geheimniskrämerei..." Isobel grinste und verschränkte die Arme. „Es war eigentlich Minervas Idee, aber wir fanden sie alle großartig!" Elenoras Tante lächelte und hob die Schultern, so als ob sie dafür nichts könnte. Kopfschüttelnd wandte sich Elenora wieder Snape zu, der etwas unbehaglich die Hände verschränkte. „Euer Haus ist gar nicht so einfach zu finden.", kommentierte er und Elenora kicherte. „Tja, das hat auch seine Vor- und Nachteile. Aber jetzt lasst uns erstmal zu Tisch gehen, das Essen ist angerichtet!", verkündete Isobel und die Anwesenden zogen in Richtung des Esszimmers. 

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