Ein paar Stunden später, als draußen bereits das Nachtleben begann und ich Loaf wieder nach Hause gebracht hatte, fanden wir uns tatsächlich in einem Strip-Club wieder. Keine Ahnung, wie ich Rey dazu hatte breitschlagen können, aber er schien sich auch mehr für seinen Gin-Tonic zu interessieren als für die tanzenden Mädchen, jedenfalls war der, den er im Augenblick trank, sein dritter.
Wir hatten uns an einen Tisch mit zwei Stühlen in einer Nische verzogen und wenn nicht ab und zu eine halbnackte Kellnerin mit glitzerndem Busen an unseren Tisch gekommen und uns gefragt hätte, ob sie uns noch etwas bringen konnte (ein Getränk, einen Snack oder ein Mädchen), wäre ich mir in dem roten Licht und mit der versauten Musik mit Rey an meiner Seite wie ein schwules Pärchen vorgekommen. Das dachte die Kellnerin vielleicht mittlerweile auch, nachdem wir jedes Mädchen, das uns einen Lapdance anbot dankend abwiesen.
„Was war los zwischen euch?", fragte ich irgendwann, weil mich die Neugierde packte und ich es nicht mehr aushielt.
Er rieb sich die Schläfen. „War es nicht eindeutig?"
„Hey, was Spanisch angeht, verstehe ich nur die bösen Wörter."
„Dann dürftest du ja die ganze Konversation ihrerseits mitbekommen haben", entgegneter er trocken und ich musste auflachen. „Sie hat mit mir Schluss gemacht."
„Sie macht doch jede Woche mit dir Schluss, oder nicht?" So oft, wie ich die beiden schon hatte streiten hören, wunderte es mich, dass Rey sich nicht längst von sich aus von ihr getrennt hatte. Ich hätte diese Frau keinen Tag ausgehalten. Sie war ganz hübsch, halb Koreanerin, halb Mexikanerin, aber sobald sie in ihrer hohen Stimme zu schimpfen begann, hätte ich am liebsten jedes Mal nach einem Schraubenschlüssel gegriffen und ihn ihr in den Hals gestochen.
„Was war los? Sie meinte, du wärst nicht erwachsen, was auch immer das sein soll."
Er schmunzelte, schüttelte aber den Kopf. „Vergiss es, es war ohnehin von Anfang an klar, dass wir beide nicht auf Dauer funktionieren würden. Es war nur eine Frage der Zeit." Rey wirbelte mit dem Strohhalm die Eiswürfel und die Gurkenscheiben in seinem Glas umher. „Was hat dich eigentlich dazu veranlasst, heute hier her zu kommen? Da war doch erst letztens dieses hübsche Mädchen in deinem Apartment."
„Stimmt", nickte ich, lehnte mich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust.
„Was ist aus dem geworden? Sie schien nett zu sein. Und wirklich hübsch."
„Ich schätze... die Dinge werden zwischen uns nie wieder so sein, wie vor diesem Abend."
Er blinzelte mich an. „Wie bitte?"
„Rey, ich hab eine Frage. Hast du deine Füllung schon mal so schnell in einen Muffin gespritzt, dass das Backen gar keinen Spaß mehr gemacht hat?"
Obwohl er schon bei seinem dritten Drink war, verschluckte er sich bei meinen Worten an seinem Getränk und sah höchst verstört aus. „Wenn ich dich um eines bitte, dann darum, dass du diese kranken Metaphern sein lässt."
Ich trank einen Schluck von meiner Rum-Cola (Juliana wäre stolz auf die Cola gewesen) und fand, dass Metaphern das einzige waren, das dieser grauen Welt Farbe verlieh.
Mann, du bist auch nicht mehr ganz nüchtern.
„Aber um deine Frage zu beantworten", fuhr er fort. „Ja. Ich schätze, das ist jedem Kerl schon mal passiert."
„Wann ist dir das passiert?"
Er zuckte mit den Schultern. „Als ich fünfzehn war und zum ersten Mal einen Muffin gefüllt habe."
Ich ließ meinen Kopf auf die Tischplatte knallen und Rey lachte. Fünfzehn. Fünfzehn! Ich war zweiundzwanzig, verdammt.
„Ich sehe Juliana nie wieder, oder?", fragte ich.
„Kommt drauf an."
„Worauf?"
„Ob sie dich mag", erwiderte Rey. „Aber, da ich dich kenne, würde ich dir zustimmen."
„Danke." Ich hob meinen Kopf wieder vom Tisch. „Jedenfalls hatte sie es danach supereilig von mir wegzukommen und hat sich seither nicht mehr gemeldet."
Rey kniff die Augen zusammen und sog scharf die Luft ein. „Autsch. Dann hol dir lieber eine Nutte, mein Freund."
„Eine Nutte?"
„Ich bin sicher, für einen Riesen sagen die alles, was du hören willst und ihnen machen sogar fünf Sekunden einen Heidenspaß."
„Du quälst mich gerne, oder?"
„Ich hab vom Besten gelernt", er grinste mich bescheiden an. „Aber wenn dir der Nuttenplan nicht gefällt, könntest du zur Abwechslung auch einfach... erwachsen sein und dich bei ihr melden. Du weißt schon. Nachfragen, was los ist."
Ich warf ihm einen mürrischen Blick zu, konnte aber nichts erwidern, weil ich wusste, dass er recht hatte. Und unter anderen Umständen wäre ich schon längst wieder vor ihrer Türe aufgekreuzt, aber ich kann mit Fug und Recht behaupten, dass mein Ego noch nie so gekränkt worden war. Und das war noch nicht einmal ihre Schuld, sondern meine eigene. Gut, ein Bisschen war es ihre Schuld, weil sie mit ihrem Verhalten nochmal extra auf meinem Ego herumtrampelte.
Ich beugte mich ein Stück weit aus unserer Nische heraus, um eine Kellnerin zu mir zu winken. Ich brauchte noch eine Rum-Cola.
Die junge Frau in High-Heels und Minirock kam sofort angelaufen und mir blieb die Luft weg, als ich erkannte, wer da vor mir stand.
Das ist unmöglich.
Ich war so schockiert, dass ich keinen Laut herausbrachte.
„Was kann ich euch bringen?", fragte Alaina und ihr Blick blieb an mir kleben. Sie kniff die Augenbrauen zusammen. „Kennen wir uns?"
Obwohl ich es nicht beabsichtigte, schüttelte ich wie automatisch den Kopf und war heilfroh, dass ich meine Sprache wieder fand. „Ich glaube nicht, nein. Ich nehme noch eine Rum-Cola. Viel Rum, wenn's geht."
Sie nickte und es wirkte auf mich einen Hauch misstrauisch. Dann lächelte sie gezwungen, bevor sie sich umdrehte und verschwand.
„Hey, alles okay?", fragte Rey und beugte sich zu mir. „Du siehst aus, als hättest du einen Geist gesehen."
Ich blinzelte ihn an, griff nach seinem Glas und leerte das widerliche Gesöff in einem Zug. „Den zahlst du", murrte er.
„Willst du wissen, wer das war?"
Er drehte sich noch einmal nach ihr um, aber sie stand nur hinter der Bar, redete hastig mit einer anderen Kellnerin und deutete auf unseren Tisch, bevor sie aus meinem Sichtfeld verschwand.
„Das war Alaina."
Rey sah mich überrascht an. „Wirklich? Auf den Fotos, die du mir von ihrem Instagram-Profil gezeigt hast, sah sie irgendwie anders aus."
„Du warst nur abgelenkt von den High-Heels und dem tiefen Ausschnitt."
Rey lachte auf. „Bestimmt nicht."
Die blonde Kellnerin, mit der Alaina eben hinter der Bar gesprochen hatte, kam zu unserem Tisch und setzte mein Glas vor mir ab.
„Bitte sehr", lächelte sie breit. „Kann ich euch sonst noch etwas bringen?"
„Nein, im Augenblick nicht", sagte ich eilig, obwohl Rey bereits zu der Bestellung eines weiteren Gin-Tonics ansetzen wollte. „Hey, wo... wo ist das andere Mädchen hin?"
„Welches?", schmunzelte sie. „Hier laufen viele Mädchen herum."
„Das, das meine Bestellung aufgenommen hat. Du hast gerade noch mit ihr gesprochen."
„Oh, sie ist nach Hause gegangen", erklärte die junge Frau. „Sie hat gemeint, dass sie sich nicht wohl fühlt und mir gesagt, was du bestellt hast. Eine Rum-Cola, stimmt doch? Mit extra viel Rum."
Ich nickte. „Ja... ja, das stimmt. Danke."
Lächelnd wandte sie sich wieder ab und verschwand hinter der Bar, während ich die Hälfte des Getränkes auf einmal hinunterstürzte.
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Der Stalker meiner Vormieterin
Teen FictionFür Simon hat eben erst ein neues Leben angefangen. Endlich frei von dem Dauerkrieg Zuhause und frisch von seiner Freundin getrennt, will er sich, nicht zu weit weg, ein eigenes Leben aufbauen, auch, wenn er noch nicht so recht weiß, wie das aussehe...