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Ich war mir nicht sicher, ob sie mir glaubte, aber nachdem ein Security-Typ nach draußen gekommen war und Alaina gefragt hatte, ob alles in Ordnung war und sie genickt hatte, nahm ich Loaf vom Haken und während wir ein Stück weit gingen, erzählte ich ihr alles. Angefangen bei dem ersten Brief, der an einem Sonntag in meinem Briefkasten gelegen hatte, bis hin zu dem aufgeschlitzten Häschen und den Briefen in der Mülltüte. Den direkten Aufforderungen und Nachrichten an mich und der Tatsache, dass ich nicht ganz unschuldig war, denn ich hatte sie ja doch irgendwie gestalkt. Es hatte sich nur auf harmloses Internet-Stalking und einen einmaligen Besuch vor ihrer Haustüre gehandelt.

Sie sagte kein Wort und hielt eine gute Armlänge Abstand von mir, aber sie hörte mir zu, das war immerhin ein Anfang. Erst, als ich fertig war und davon erzählte, dass der Stalker wollte, dass ich ihr die Briefe brachte, schüttelte sie den Kopf und meinte: „Das glaub ich einfach nicht..." Dann sah sie mich an. „Aber du bist mir doch gefolgt!"

„Nur einmal", wehrte ich ab. „Weil ich nicht fassen konnte, dass du tatsächlich einfach so mit einem Hasen am Arm in unsere Tierhandlung spaziert bist. Ich wollte nur wissen, ob du es wirklich bist und als ich den Namen auf deinem Klingelschild gelesen habe, bin ich wieder gegangen."

Sie verschränkte die Arme vor der Brust und zog die Schultern hoch, obwohl es nicht kalt war.

„Du hättest mich damals doch auch einfach fragen können, anstatt, mir durch die halbe Stadt zu folgen."

„Ja, das... das ist mir im Nachhinein auch eingefallen." Was hätte ich auch sonst sagen sollen?

„Woher soll ich wissen, dass du dir die ganze Story nicht ausgedacht hast?", fragte sie. „Und mir hier her in den Supermarkt gefolgt bist, damit du sie mir auftischen kannst und unschuldig rüberkommst?"

Alleine die Tatsache, dass sie ihrem Stalker so etwas Krankes und Verdrehtes zutrauen würde, ließ mich vermuten, dass die Briefe nur ein kleiner Bestandteil von dem Terror waren, den ich mitbekommen hatte und dem sie seit längerem ausgesetzt war. Und wenn sie tatsächlich dachte, dass ich ihr Stalker war, dann hatte sie keine Ahnung, wer es sein könnte.

„Naja, um ehrlich zu sein, weiß ich nicht, wie ich das beweisen kann", gab ich zu. Wie sollte ich beweisen, dass ich alles das nicht inszeniert hatte? „Würdest du mir glauben, wenn ich dir den Sack mit den Briefen und dem Hasen zeige?"

Sie schüttelte zögerlich den Kopf. „Das könnte auch nur Täuschung sein."

Ich nickte und wusste nicht, was ich ansonsten noch zu dem Gespräch hätte beisteuern können. „Gut, dann... dann hat sich das ja erledigt. Dann verbrenne ich die Teile und du redest mit deinem Stalker und sagst ihm, dass er mich in Ruhe lassen soll. Schönes Leben noch! War nett, dich kennen gelernt zu haben."

Ich wollte mich gerade umdrehen und in Richtung meiner Wohnung laufen, als sie diejenige war, die mir nachrief.

„Warte!" Ich wandte mich ihr wieder zu. „Du..." Sie rieb sich kurz die Stirn und verschränkte dann wieder die Arme vor der Brust. „Du hast die ganzen Briefe wirklich noch?"

Ich nickte. „Sind in einem stinkenden Müllsack in meiner Dusche."

Sie seufzte tief, betrachtete mich eingehend und schien kurz mit sich zu ringen. „Okay. Ich will sie sehen."

Es dauerte nur fünf Minuten bis wir bei meinem Apartment waren. Das einzige, was sie in dieser Zeit noch gesagt hatte, war, dass sie Loaf süß fand, aber sie hielt immer noch einen Meter Abstand zu mir, was mich nicht weiter verwunderte.

Als ich die Türe aufschloss und die Wohnung betrat, die einst sie bewohnt hatte, blieb sie auf dem Flur stehen sah sich aber neugierig um. Jetzt, da sie wieder normale Jeans und einen weiten, schwarzen Kapuzenpulli trug, war es schwer vorstellbar, dass ich sie vor zwei Tagen in einer Stripper-Bar gesehen hatte. Sie sah zu gewöhnlich aus, ganz anders als die Frauen, die in Filmen und Serien in Strip-Clubs arbeiteten.

„Du kannst ruhig rein kommen", meinte ich, aber sie schüttelte sofort den Kopf. Natürlich würde sie meine Wohnung nicht betreten, das war ein dämlicher Gedanke gewesen, aber die völlig normale, höfliche Floskel, die ich eben immer von mir gab, wenn jemand vor meiner Türe stehen blieb, der nicht mein Postbote war.

„Die Türe ist ja schwarz", bemerkte sie, während ich den Müllsack aus der Dusche holte.

„Ja. Und die Erde ist rund."

„Nein, ich meine... hast du sie neu gestrichen? Sie war vorher rot."

„Nein, ich bin eines Morgens aufgewacht und da war sie plötzlich schwarz. Vielleicht waren es die kleinen Kohlemännchen", gab ich zur Antwort und ließ den Sack mit den Briefen vor ihren Füßen fallen. „Du kannst ihn gerne mitnehmen. Bitte. Er verpestet das ganze Apartment."

Mit Fingerspitzen öffnete sie den Sack und warf mir einen kritischen Blick zu. „Warum hast du sie behalten, wenn du sie mir gar nicht bringen wolltest?"

Ich zuckte mit den Schultern. „Ich dachte, ich sende sie an die Presse, damit die einen Artikel drucken können, mit der Überschrift: Zehn Musterbeispiele für Ihren perfekten, versandfertigen Stalkerbrief."

Sie blinzelte mich irritiert an und ich war mir nicht sicher, ob sie meinen Sarkasmus verstanden hatte, also sagte ich die langweilige Wahrheit. „Ich schätze, ich war mir nicht sicher, ob ich sie dir nicht doch noch bringen soll."

Alaina warf einen vorsichtigen Blick ins Innere des Müllsacks und ich bemerkte, dass sie klitzekleine Sommersprossen auf der Nase und auf den Wangen sitzen hatte, was ich bemerkenswert fand, denn viel Sonne hatten wir dieses Jahr noch gar nicht gehabt.

Sie fischte einen der Briefe heraus, faltete ihn auseinander und blinzelte so häufig, dass ich glaubte, sie war kurz davor, in Tränen auszubrechen. Noch bevor sie den Brief zu Ende gelesen haben konnte, griff sie nach einem anderen und dann nach noch einem und dann nach dem zerschnittenen Stoffhasen, den sie beäugte, ohne, dass ihre Miene mir verraten hätte, was sie dachte.

Einzig und allein ihre Schultern, die sich schwer hoben und senkten, wenn sie ein- und ausatmete, verrieten mir, wie unheimlich ihr das alles war. Sie griff ein letztes Mal in den Müllsack und fischte das Kärtchen heraus, das obenauf gelegen hatte, als ich den Sack auf meinem Küchentisch gefunden hatte. Das Kärtchen, mit der Aufforderung, ihr diese Briefe zu bringen.

Sie ließ alles wieder in den Sack fallen und rieb sich über die Oberarme. In dem Augenblick, ging die gegenüberliegende Türe auf und Alaina zuckte so heftig zusammen, als hätte jemand geschossen, bevor sie sich umdrehte und ihre Schultern sich entspannten.

„Mrs. Graves!", stieß sie erleichtert aus.

„Alaina!", lachte meine Nachbarin. „Was für eine Überraschung!"

Mrs. Graves versuchte ein freundliches Gespräch aufzubauen, aber Alaina schien nicht wirklich darauf eingehen zu wollen. Was Mrs. Graves mir also über sie erzählt hatte, stimmte wohl: Alaina war recht still. Sie lächelte und nickte und gab kurze knappe Antworten und als meine Nachbarin die Liebesbriefe erwähnte, die vor meiner Türe abgelegt worden waren, warf Alaina mir einen verstörten Blick zu. Mrs. Graves fragte mich einmal mehr, ob sie mir etwas vom Einkaufen mitbringen sollte, aber ich lehnte ab und sie wünschte Alaina alles Gute, bevor sie den Flur hinunter verschwand.

„Okay, ich... ich sollte nach Hause gehen", sagte Alaina ziemlich aufgewühlt und bewegte sich ebenfalls den Flur hinab.

„Warte, willst du deine Liebesbriefe nicht mitnehmen?"

Sie sah mich an, als hätte ich den Verstand verloren. „Nein, danke."

„Was soll ich damit?"

„Ist mir egal. Wirf sie weg!"

„Damit sie beim nächsten Mal mit Hundescheiße bestückt in meinem Bett landen? Vergiss es!"

„Ich muss los..." Sie schüttelte den Kopf, eilte um die Ecke und ließ mich mit dem Haufen an Stalkerbriefen zurück.

Der Stalker meiner VormieterinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt