Eine knappe Stunde später stand ich vor Julianas Türe. Ich war nicht einmal in meinem eigenen Apartment gewesen, um Alaina Bescheid zu geben, dass ich wieder hier war.
Mom hatte Recht gehabt. Sophie hatte recht gehabt. Ich wollte wissen, was zwischen Juliana und Kamara lief. Ich wollte es aus ihrem Mund hören, damit ich wieder in Frieden leben konnte.
Doch als ich anklopfte, konnte ich Kamaras Stimme hören und Julianas Lachen, als sie rief: „Sekunde!", und bereute sofort, hier hergekommen zu sein. Was wollte ich sie fragen?
Schläfst du mit Kamara? War das zwischen uns nur ein Witz für dich? Hast du auf einen flotten Dreier gehofft?
Im Grunde genommen wollte ich gar nicht die Wahrheit wissen. Ich wollte Juliana nur fragen, damit sie mir sagen würde, dass Kamara nur ein Freund war.
Aber das würde sie nicht, das wusste ich.
Als sie die Türe öffnete, lachte sie immer noch über etwas, das Kamara gesagt oder getan hatte und sie hatte dunkelbraunes Pulver im Gesicht. Es roch nach Kuchen.
„Verdammt! Die erste Fuhre ist uns wirklich verbrannt, Lia!"
Lia. Kaum zu fassen, dass er sie so nannte. Juliana hatte mir zwar auch angeboten, sie so zu nennen, weil es ihre „Freunde" angeblich taten. Aber ich hatte gefunden, dass Juliana ein schöner Name war. Ich war nicht so faul, ihn um vier Buchstaben zu kürzen.
Als sie mich sah, drehte sie sich zwar kurz zu Kamara um, schlüpfte dann aber aus der Wohnung und schloss die Türe hinter sich. Wir waren alleine auf dem Flur. Sie, ich und der Mehlstreif in der blauen Strähne, die ihr immer so frech ins Gesicht hing.
„Alles okay?", fragte sie und sah mich unsicher an. Plötzlich wusste ich nicht mehr, was ich sagen wollte. Am liebsten wäre ich einfach umgedreht und weggelaufen.
„Ja", sagte ich stattdessen. „Ja, klar und bei dir?"
Sie legte den Kopf schräg. „Du hast doch wohl nicht hier angeklopft, um zu fragen, wie es mir geht. Dafür hätte eine SMS gereicht."
„Ich wollte dich nur an unsere Wette erinnern", behauptete ich. „Ich habe mich brav dran gehalten. Was ist mit dir?"
„Völlig fleisch- und fischlos, seit dem Beginn unserer Wette." Sie kniff die Augen zusammen. „Simon, geht es dir wirklich gut? Du wirkst... durch den Wind."
Ach, das liegt nur daran, dass meine Familie vor ein paar Stunden zerbrochen ist. Und natürlich daran, dass ich dich gerne habe und nicht will, dass du deine Zeit mit Kamara verbringst, während ich mit einem gestalkten Mädchen in meiner Wohnung festsitze.
Aber die Worte blieben mir im Hals stecken.
Sie warf einen kurzen Blick auf ihre geschlossene Türe, bevor sie sich wieder zu mir drehte. „Hey, wenn du... wenn du reden willst, dann kann ich... Ich meine, er hat bestimmt nichts dagegen, wenn ich heute Abend nicht zu Hause bin. Wir zwei könnten doch irgendwo essen gehen und reden und-"
Ich schüttelte den Kopf. „Nein, schon okay. Wirklich, mir geht es gut. Ich..." Die Worte entglitten mir wieder und ich machte ein paar Schritte weg von ihr. Ich konnte besser denken, wenn ich ihr nicht so nahe war. „Ich wollte dich nur kurz sehen. Weiter nichts..."
Ich eilte zu meiner Türe und zog hastig und ungeschickt meine Schlüssel heraus.
„Simon-"
Was auch immer sie hatte sagen wollen, unterbrach ich, als ich die Wohnungstüre zuschlug.
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Der Stalker meiner Vormieterin
Teen FictionFür Simon hat eben erst ein neues Leben angefangen. Endlich frei von dem Dauerkrieg Zuhause und frisch von seiner Freundin getrennt, will er sich, nicht zu weit weg, ein eigenes Leben aufbauen, auch, wenn er noch nicht so recht weiß, wie das aussehe...