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Ich hatte das Richtige getan.

Ich hatte mir und Juliana zwar genommen, was wir aufgebaut hatten, aber als ich am nächsten Morgen die Nachricht in meinem Briefkasten fand, wusste ich, dass ich das Richtige getan hatte.

Hör auf, nach mir zu suchen. Das nächste Mal nehme ich das Auto.

Alle Puzzleteile hatten sich zusammengefügt und ich war mir nun sicher, dass ich der Lösung nahe war.

„Das kann doch kein Zufall sein", sagte ich zu Rey. Wir hatten uns für diesen Sonntagmorgen in einem Café getroffen, nachdem ich ihm geschrieben hatte, dass Julianas Unfall gar kein Unfall gewesen war. „Dass ich Alainas altes Haus besuche und dort einen Wren Johnson mit seltsamen Verhalten und einer leerstehenden Küche -und vermutlich generell recht kargen Haus- vorfinde und Juliana kurze Zeit später von einem Radfahrer fast angefahren wird."

Der Stalker drohte, das nächste Mal das Auto zu nehmen. Obwohl ich Scherze darüber gemacht hatte, breitete sich jetzt pure Angst in meinem Körper aus. Der Stalker wagte sich an Juliana heran und dafür hätte ich ihm am liebsten den Hals umgedreht. Nur dafür musste ich erst einmal herausfinden, wer der Stalker überhaupt war.

„Was wenn Wren der Stalker ist? Wenn er Alaina tatsächlich dort in dem Haus festhält? Er hat sich ständig so merkwürdig umgesehen und dann diese Drohung, die Warnung, nur einen Tag später, es... es passt doch."

„Aber wir wissen nicht mit Sicherheit, ob Wren der Stalker ist", sagte Rey. „Du kannst schlecht hingehen und ihn fragen."

„Aber den Stalker gibt es", erwiderte ich triumphierend und Rey rollte mit den Augen, während er in seinem Kaffee mit Sahnehäubchen rührte. „Alaina hat ihn sich nicht bloß ausgedacht."

Ich seufzte und beobachtete durch die Fensterfront des kleinen Cafés die vorbeilaufenden Fußgänger. „Juliana hat ohnehin schon mit mir Schluss gemacht. Der Stalker sollte sich gar nicht für sie interessieren. Zumindest nicht, wenn ich so tue, als würde sie mich nicht interessieren."

„Jetzt spiel nicht verrückt", meinte Rey. „Vielleicht solltest du ihr die Wahrheit sagen."

Ich lachte auf. „Klar. Ich sage es ihr, wenn ich sie das nächste Mal im Stiegenhaus antreffe. Hey, Juliana. Ich habe einen Stalker, der gedroht hat, dich umzubringen, wenn ich weiter nach ihm und Alaina, die er vor einer Woche entführt hat, suche. Pass auf dich auf, ja?"

„Gut, dann nicht", meinte Rey und betrachtete er mich ein bisschen eingehender. „Das setzt dir wirklich zu, oder?"

„Wem würde das nicht zusetzen?"

„Ich meinte, die Sache mit Juliana. Dass sie mit dir Schluss gemacht hat."

Als Antwort biss ich mürrisch von meinem Sandwich ab.

„Ich könnte ja ein gutes Wort für dich einlegen", bot er schulterzuckend an. „Sie mag mich, vielleicht hört sie mir zu."

Ich schüttelte den Kopf. „Nein, lass das. Es ist vorerst besser, wenn ich mich von ihr fernhalte. Aber wenn du regelmäßig nach ihr sehen würdest und sicherstellen kannst, dass es ihr gut geht, dann ist mir schon geholfen."

Er nickte. „Klar, kein Problem. Und was hast du jetzt vor?"

„Ich?" Ich trank mein Mineralwasser aus und lehnte mich zurück. „Ich werde Wren Johnson noch einmal einen Besuch abstatten."

Rey sah mich an und schüttelte den Kopf. „Andere Leute hätten bei dem ganzen Psychoterror längst den Verstand verloren. Aber bei dir habe ich den Eindruck, dass es dir Spaß macht."

„Die Morddrohungen nerven", gab ich zu und begann zu grinsen. „Aber... bei Schnitzeljagden habe ich schon als Kind immer gewonnen."

Der Stalker meiner VormieterinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt