„Du hast was gemacht?!"
Ich kann mit Fug du Recht behaupten, dass ich mich noch nie in meinem Leben abstoßender gefühlt hatte, als in dem Augenblick, in dem ich Rey erzählte, dass ich Alaina gefunden hatte. Naja, dass sie mich gefunden hatte. Und ich ihr gefolgt war. Ich hatte ihn auf der Busfahrt nach Hause angerufen und er war sofort vorbeigekommen. Wahrscheinlich, um sicherzustellen, dass ich noch alle Tassen im Schrank hatte.
Rey's Gesichtsausdruck verriet deutlich, wie sehr ihn all das verstörte.
„Du bist ihr nachgegangen", stellte er noch einmal klar. „Du hast sie verfolgt. Hast du einen Vollschaden? Alter, Parker, das ist strafbar."
„Du hast doch gesagt, ich soll sie finden!", rief ich verteidigend, während ich den Hund erneut mit ein paar Tüchern trocken rubbelte und überlegte, ob ich den Föhn auspacken oder ihn einfach vor die Heizung schieben sollte.
„Und hab ich gesagt, dass du sie stalken sollst? Imbécil! Sie hat schon einen Stalker, sie braucht nicht noch einen! Und was zum Teufel macht der Hund hier?"
Ich verdrehte die Augen. „Das ist Loaf."
„Das beantwortet nicht meine Frage!" Aufgebracht ging er im Wohnzimmer auf und ab.
„Er wäre heute abgeholt worden und in den Zwinger gekommen. Oder eingeschläfert worden."
Rey blieb stehen und hob die Augenbrauen. „Und du hast ihn mitgenommen, weil... du... Hunger hattest?"
Ich warf das Tuch auf den Boden und drückte mir die Hände auf die Stirn. „Keine Ahnung! Ich weiß nicht, was mit mir los ist. Ich weiß nicht, warum ich den Hund mitgenommen habe oder Alaina nach Hause gefolgt bin. Aber jetzt habe ich einen Scheißköter an der Backe, um den ich mich kümmern muss, weil ihn mir niemand auf dieser Welt abnehmen wird."
Rey legte den Kopf schräg und betrachtete den hoppelnden Hund.
„Er hinkt."
„Ist eine Hüftfehlstellung. Er benützt dieses Hinterbein nicht."
Rey nickte verstehend. „Naja, womöglich freundest du dich ja mit ihm an."
Ich schnaubte verachtend. „Ja klar, und vielleicht entpuppt sich Alaina's Stalker als liebenswert."
„Möglich, jetzt, da er einen Hund hat."
Ich warf ihm einen scharfen Blick zu, aber er konterte mit hochgezogenen Augenbrauen. Im Grunde genommen hatte ich Alaina nicht gestalkt. Ich war ihr nur kurz ohne ihr Wissen oder Einverständnis nach Hause gefolgt. Das machte mich noch lange nicht zu einem Verbrecher. Oder?
Rey griff in meinen Rucksack, den ich auf dem Tisch abgestellt hatte, und zog einen der Spielbälle raus, die ich hatte mitgehen lassen. Als er das Spielzeug einmal zusammendrückte und es quietschte, bereute ich sofort, diesen Ball mitgenommen zu haben. Der Hund spitze die Ohren und sah zu Rey auf.
„Wie sieht sie denn aus?", fragte er dann und warf den Ball sanft in eine Ecke. Der Köter hoppelte hinterher. Es war wahrscheinlich das erste Mal, dass er so viel Platz zum Spielen hatte. Dabei war meine Wohnung nicht gerade groß, aber das Gehege in Mal's Tierhandlung war vielleicht die Hälfte meines Wohnzimmers und hatte einen ganzen Wurf an Hunden beherbergt. Der Kleine konnte nicht schnell genug laufen und rutschte auf dem Parkett immer wieder aus, aber er störte sich nicht daran, sondern attackierte den Ball und biss freudig hinein.
„Weißt du, warum Hunde quietschendes Spielzeug mögen?" Ich zog mein Handy hervor und öffnete Alaina's Social Media Profile. „Weil sie die Schreie ihrer Beute darin erkennen."
„Das ist verstörend." Rey nahm mir das Handy aus der Hand und scrollte durch Alaina's Bilder.
„Sie ist süß", bemerkte er, gerade als er bei einem Selfie im Spiegel mit einem anderen Mädchen angelangt war.
„Sie ist normal", erwiderte ich. „Ein typisches Next-Door Mädchen. Nichts Besonderes. Ich hab schon hübschere gesehen." Juliana zum Beispiel. An sie erinnerte man sich. Nicht zu guter Letzt wegen ihrer blauen Haare. Aber sie war wohl generell ein Mensch, der im Gedächtnis der Leute hängen blieb. Zumindest war sie in meinem hängen geblieben.
Rey gab mir mein Telefon zurück. „Und du bist sicher, dass sie es ist?"
„Ziemlich sicher, ja."
„Und was machst du jetzt?"
Ich zuckte mit den Schultern. „Weiß noch nicht." Auf jeden Fall konnte ich nicht einfach bei ihr aufkreuzen und ihr die Briefe in die Hand drücken. Dann wüsste sie, dass ich ihr gefolgt war. Natürlich hätte ich die Briefe auch einfach so auf die Matter werfen können, aber damit hätte ich sie wohl nur verschreckt. Das Beste wäre vermutlich, wenn ich die Briefe verbrennen und sie gar nicht wissen lassen würde, dass ich so sehr in ihre Privatsphäre eingedrungen war.
Ja, das sollte ich tun.
„Es hat sich erledigt, schätze ich."
Rey sah mich misstrauisch an. „Du wirst sie nicht mehr aufsuchen?"
„Ich bin doch kein Psychopath. Es geht ihr gut, sie wohnt zwar nicht allzu weit weg, aber ich denke nicht, dass sie noch großartig in Gefahr schwebt."
Der Köter jagte dem quietschenden Ball durch die ganze Wohnung und bescherte mir Kopfschmerzen.
„Hm..." Rey sah nachdenklich aus. Beinahe besorgt.
„Was?"
„Naja, wenn der Stalker nun dich im Auge behält und mitbekommt, dass du weißt, wo Alaina jetzt ist..."
„Hey, solange du nicht ihr Stalker bist, ist alles gut." Ich sah zu meinem neuen Haustier und dem unfassbar nervigen Spielzeug. Als hätte der Hund es gewusst, biss er noch einmal kräftig zu und der Ball gab den hohen unerträglichen Laut von sich.
„Ich werde ihn erschlagen", ließ ich Rey wissen, der daraufhin schmunzelnd zu dem Hund ging und ihm den Ball aus dem Maul nahm.
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Der Stalker meiner Vormieterin
Teen FictionFür Simon hat eben erst ein neues Leben angefangen. Endlich frei von dem Dauerkrieg Zuhause und frisch von seiner Freundin getrennt, will er sich, nicht zu weit weg, ein eigenes Leben aufbauen, auch, wenn er noch nicht so recht weiß, wie das aussehe...