„Du kleines Arschloch", knurrte ich am nächsten Morgen, als ich aufstand und mich für die Arbeit fertig machen wollte, aber feststellen durfte, dass der Köter vor meine Türe gepinkelt hatte. Was für eine nette Geste. Gerne hätte ich es ihm gleich getan, aber er hatte kein Körbchen und würde auch keines bekommen.
Natürlich hatte ich ihn nicht in meinem Zimmer schlafen lassen. Darum saß er jetzt auf der Couch und blinzelte mich unschuldig an, als wüsste er nicht, was er getan hatte.
Missmutig machte ich mich daran, die sauer riechende Pfütze aufzuwischen.
„Dein Frühstück kannst du vergessen."
Er legte den Kopf schräg, sprang von der Couch und hoppelte auf mich zu. Zweimal verlor er den Halt. Er wollte mir spielerisch ins Knie beißen, aber ich schob ihn von mir, stand auf und stopfte die durchweichten Tücher in den Mülleimer. Sein Geschäft hatte einen dunklen Fleck auf dem Holzboden hinterlassen.
Ich stieß den Atem aus, stemmte die Hände in die Hüfte und sah auf den kleinen Mistkerl hinab.
„Wehe, du benimmst dich nicht, wenn wir heute zu mir nach Hause fahren. Ich hab zwei kleine Geschwister, die mit dir kuscheln werden wollen. Wenn du sie beißt, kassierst du eine, und wenn du ins Haus pinkelst, kassier ich eine, also halt dich zurück."
Als mir auffiel, dass ich gerade mit einem Hund redete, schüttelte ich den Kopf und ging ins Badezimmer, um mir erst mal eine ordentliche Portion kaltes Wasser ins Gesicht zu klatschen. Die gestrigen Ereignisse setzten mir offensichtlich zu. Das Handtuch, mit dem ich mir das Gesicht trocknete, müffelte schon ein wenig, deshalb landete es direkt im Wäschekorb.
Ein Blick in den Spiegel genügte, um zu wissen, dass ich so nicht auf die Straße gehen konnte. Er war voll mit eingetrockneten Wasser- und Zahnpastaspritzern und an der unteren linken Ecke war das Glas gebrochen. Das war wahrscheinlich der Grund, warum meine Reflektion heute so unfassbar scheiße aussah. Oder es war einfach wieder Zeit für einen Frisörbesuch, damit man meine Ohren wieder sehen konnte. Aber für jetzt musste es reichen, dass ich meine Haare so nach hinten gelte, dass ich weder wie ein reicher Schnösel aus den Dreißigern aussah, noch wie mein kleiner Bruder, wenn er vom Sport kam.
Schnell putzte ich mir noch die Zähne, dann nahm ich den Hund an die Leine, schulterte meinen Rucksack und verließ die Wohnung.
Ich warf wie immer einen Blick in den Briefkasten, aber es war kein Brief darin und langsam machte sich in mir der Verdacht breit, dass ich auch nie wieder etwas von dem Psycho hören würde. Stattdessen traf ich auf Juliana, die eben in engen Sportleggins und einem kurzen Top die Stiegen herunter kam. Mein Blick ruhte deshalb eine Sekunde länger als sonst auf ihrem Körper. Ihr Hund hoppelte neben ihr herunter und rannte sofort zu meinem, um ihn zu begrüßen.
Juliana blieb am Fuße der Treppe stehen, zog sich den Pferdeschwanz fester und sah erst irritiert auf den Krüppelhund, dann auf mich.
„Deiner?"
„Nur temporär." Sie nickte langsam, als wollte sie mir das nicht so recht abkaufen. „Er hat schon meine Wohnung eingeweiht und vor meine Türe gepinkelt."
„Kann ich ihm nicht verübeln."
„Ich auch nicht", ich nickte zustimmend. Nachdem das Aufeinandertreffen in ihrer Wohnung so miserabel geendet hatte, hatte sie mir bestimmt auch vor die Türe pinkeln wollen. Und jetzt hatte ich dieses absurde Bild im Kopf, das nicht mehr verschwinden wollte.
Die beiden Hunde sprangen umher und rollten sich auf dem kalten Steinboden herum. „Ich habe ihn Loaf genannt."
Ich grinste sie herausfordernd an, aber sie blickte nur kalt zurück.
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Der Stalker meiner Vormieterin
Novela JuvenilFür Simon hat eben erst ein neues Leben angefangen. Endlich frei von dem Dauerkrieg Zuhause und frisch von seiner Freundin getrennt, will er sich, nicht zu weit weg, ein eigenes Leben aufbauen, auch, wenn er noch nicht so recht weiß, wie das aussehe...