28

372 53 8
                                    

Da das Restaurant nicht allzu weit von unserem Haus entfernt war, wollte ich die Gelegenheit nützen, um die angespannte Stimmung zwischen mir und Juliana ein wenig zu lockern. Es war nur natürlich, dass sie ein wenige aufgeregt war, nur wollte ich ihr dieses Gefühl nehmen.

„Warum sind deine Haare wirklich blau?"

Beinahe reflexartig begann sie eine herausgefallene Haarsträhne zwischen Daumen und Zeigefinger zu zwirbeln und sah verlegen zu Boden.

„Ich mag blau."

„Ich mag blau auch, aber deshalb laufe ich nicht wie eine Meerjungfrau herum."

„Vielleicht erzähle ich es dir nach dem Dessert", grinste sie. „Hast du dir nie die Haare gefärbt?"

„Doch. In der High-School gab es eine Zeit, in der ich mir die Haare schwarz gefärbt habe. Und einmal hab ich eine Wette verloren und musste mir meine Haare rot färben. Aber es hat sich nach vier Haarwäschen zum Glück rausgewaschen."

„Was für eine Wette?", bohrte sie weiter, und ich ließ sie, weil ich wusste, dass sie mir den wahren Grund für die blauen Haare nicht verraten wollte.

„Es ging um ein Mädchen."

Sie sah mich neugierig an. „Mehr Details bekomme ich nicht?"

„Vielleicht nach dem Dessert."

Sie lachte.

Und schon waren wir bei dem Restaurant angekommen. Die Sonne verabschiedete sich schleichend und bereitete die Erde auf die Nacht vor. Ein Angestellter führte uns durch das Restaurant, in den hinteren Teil. Dort waren Tische im Freien, zwischen Bäumen und hohen Palmen in Töpfen. Lichterketten zogen sich wie Glühwürmchen an den Baumstämmen und über die Äste entlang.

Ich fand es kitschig, aber Mom, Sophie und Cora hatte es gefallen und Juliana ganz offensichtlich auch.

Unser Tisch stand ziemlich mittig. Eigentlich fühlte ich mich in Restaurants ohnehin schon nicht wohl (fremde Menschen sitzen nebeneinander und sehen einander beim Essen zu... das ist schon ziemlich seltsam, oder?), aber dann auch noch in der Mitte zu sitzen, sprengte mein Wohlfühl-Maß.

Meine Begleitung hingegen schien es kein bisschen zu stören und ich zog ihren Stuhl hervor, damit sie sich setzen konnte.

„Wow, ganz der Gentleman", lächelte sie neckend. „Wie ungewöhnlich."

Ich beugte mich von hinten zu ihr und murmelte direkt in ihr Ohr: „Es gibt Einiges, das du nicht von mir weißt."

Sie sah mich aus dem Augenwinkel verschlagen an und ich konnte beinahe spüren, wie ihr die Hitze ins Gesicht stieg. Dann ließ ich mich ihr gegenüber nieder und verschränkte die Finger auf dem weißen Tischtuch.

Juliana griff sofort nach der Leder eingebundenen Speisekarte vor sich und vergrub sich beinahe exzessiv in den Zeilen, als wolle sie sich zwischen den Seiten voller Gerichte vor mir verstecken.

Ich beschloss, ihr diese paar Minuten zu gönnen. Viel Raum, sich zu sammeln und ihre Gedanken zu sortieren, würde sie heute Abend ohnehin nicht mehr bekommen. Das würde ich nicht zulassen. Wenn Frauen nachzudenken begannen, dann endete es meistens nicht damit, dass sie mit mir schliefen.

Also griff ich ebenfalls nach der Speisekarte. Für gewöhnlich fand ich, dass ein großer Burger und eine ordentliche Portion Pommes viel befriedigender war als Lammrippchen in Honigkruste.

Außerdem kleckerte beim Burgeressen jeder. Hier musste ich auf das weiße Tischtuch aufpassen und die guten Tischmanieren ausgraben, die mir meine Großeltern beigebracht hatten, als ich ein Kind gewesen war. Sophie und ich hatten bei ihnen dann manchmal so getan, als säßen wir in einem edlen Restaurant, hatten Himbeersaft aus Weingläsern getrunken und das von Grandma gekochte und hübsch angerichtete Essen von Grandpa, der sich aus Spaß einen Anzug angezogen hatte, serviert bekommen.

Der Stalker meiner VormieterinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt