An diesem Abend rief ich Rey an und fragte Alaina, wie unangenehm es ihr auf einer Skala von eins bis zehn wäre, wenn ich mich in dem Club, in dem sie arbeitete, mit meinem Kumpel betrinken würde.
Sie schmunzelte. „Solange du die Augen nach meinem Stalker aufhältst, habe ich absolut kein Problem."
Ich wollte nicht mehr an Juliana denken. Ihren Worten hatte ich eindeutig entnehmen können, dass Kamara bei ihr in der Wohnung schlief, warum hätte sie sonst sagen sollen, dass er bestimmt nichts dagegen hatte, wenn sie heute Abend nicht zu Hause war?
Gegen neun Uhr fand ich mich also mit Rey zum zweiten Mal innerhalb eines Monats in einem Strip-Club wieder. Ich drückte ihm bei dieser Gelegenheit gleich das Geld in die Hand, das ich ihm schuldete.
„Also", sagte Rey nach meiner dritten Rum-Cola an der Bar. „Wir sind jetzt seit einer Stunde hier und ich weiß immer noch nicht, wieso."
„Du brauchst einen Grund, um in den Strip-Club zu gehen?"
Er nickte. „Ja. Irgendwie schon."
Ich stieß einen tiefen Seufzer aus. „Von mir aus. Meine Eltern trennen sich und Juliana vögelt den schwarzen Footballspieler, der angeblich kein Footballspieler ist. Oh, und ich weiß nicht, ob du es mitbekommen hast, aber ein verrückter Stalker ist hinter mir her, aber was will man machen?" Ich zuckte mit den Schultern.
„Alles klar, dein nächster Drink geht auf mich", war alles, was er dazu sagte und ich war froh, dass ich ihm nicht mein Herz ausschütten musste. Ich hatte meine Probleme immer lieber mit mir selbst ausgemacht.
Rey drehte sich wieder zur Bar und beobachtete Alaina. Er tat es schon, seit wir hier waren und langsam machte mich das nervös, denn zusammen mit einem rothaarigen Kerl Mitte dreißig und einer Tänzerin in silberner Unterwäsche, die definitiv auf beiden Seiten tanzte, war er der Einzige.
„Sag schon, stehst du auf sie?", fragte ich und Rey drehte sich zu mir.
„Was?"
„Alaina. Sie ist noch bis morgen meine Mitbewohnerin -aber auch nur, wenn die Cops Gas geben-, wenn du sie süß findest, kann ich sicher was arrangieren. Sie sagt ohnehin ständig, dass sie mir was schuldig ist."
Er stieß halb amüsiert, halb genervt den Atem aus. „Nein, danke."
„Warum starrst du sie dann schon die ganze Nacht lang an?"
„Ich denke nur nach."
„Über Sex mit ihr?"
„Ich glaube nicht, dass sie sehr viel Interesse an mir hat."
„Wieso das? Hat Verónica deine Eier mitgenommen, als sie gegangen ist?"
Er verdrehte die Augen und ich war beinahe sicher, dass sein Gin-Tonic bald auf meiner Hose landen würde. „Parker, ich bewundere dich für deine Sensoren, was Frauen angeht, die du offenbar nicht haben kannst. Aber Frauen, die nach dir lechzen, gehen dir durch die Lappen."
Ich blinzelte ihn an, weil ich nicht wusste, worauf er hinauswollte. „Was zur Hölle soll das heißen? Verwende einfaches Vokabular, ich hab schon drei Rum-Cola intus."
Er beugte sich zu mir uns ein belustigtes Grinsen flackerte in seinen Augen auf. „Sie wird nicht mit mir ausgehen. Alaina steht nämlich auf dich."
„Pff. Niemals."
„Sie sieht dich bei jeder sich bietenden Gelegenheit an. Schon den ganzen Abend lang. Jedes Mal, wenn du eine Stripperin wegschickst, entwischt ihr ein Lächeln. Was meinst du, wieso?"
„Weil sie froh ist, nicht im Bett eines perversen zu schlafen."
„Parker, du bekommst die Briefe ihres Stalkers. Euch verbindet etwas. Du hast sie ins Kino ausgeführt. Nach Hause gefahren. Hast für sie die Polizei geholt und mit den Cops geredet, weil sie es nicht konnte. Und dann hast du ihr eine Bleibe angeboten und sie sogar in deinem Bett schlafen lassen. So wie es aussieht, hat sie seit einiger Zeit mit niemandem mehr so viel Zeit wie mit dir verbracht." Er hob seinen Gin-Tonic hoch. „Und es ist ja nun wirklich nicht so, als wäre dein Anblick kaum zu ertragen. Außerdem hast du Humor. Einen ziemlich schrägen, aber du hast Humor. Nenn mir nur eine Frau, die bei so einem Kerl nicht zumindest ein kleines Bisschen am Rad dreht."
„Die Frage kann ich beantworten! Diego Reynolds."
Er warf mir einen bösen Blick zu. „Ich bin ja auch keine Frau."
„Wenn du keine vögelst, bist du eine."
Er zog die Augenbrauen zusammen. „Was?"
Ich schüttelte den Kopf und rieb mir über die Stirn. „Keine Ahnung, ich bin betrunken."
Eine Kellnerin, die ich heute Abend zum ersten Mal sah, kam zu uns. „Kann ich euch noch was bringen?"
Rey schaltete seinen Charme ein, wie ein anderer das Licht und ließ sein strahlendstes Lächeln aufblitzen, als er sich zu ihr beugte und zu Alaina deutete.
„Ja, ich hätte gerne eine genaue Auskunft über ihre Gefühle meines Kumpels gegenüber."
Er schlug mir auf den Rücken und ich warf ihm einen warnenden Blick zu. „Rey."
Die junge Frau mit den violetten Strähnchen in ihrem hellbraunen Haare lachte. „Ich weiß nicht, wovon du sprichst." Ihr Tonfall verriet genau das Gegenteil und Rey merkte es.
„Wie heißt du?", fragte er.
„Theresa."
„Wann ist deine Schicht zu Ende? Ich würde dir unheimlich gerne einen Drink spendieren."
Sie verdrehte lächelnd die Augen. „Du willst mich nur zum Reden bringen."
„Das stimmt", lächelte Rey und sie lachte. „Ach, komm schon. Du kannst mir doch sicher etwas über ihre Gefühlswelt erzählen."
„Rey, Alter", knurrte ich. „Das Maß ist voll."
Die Frau tätschelte meine Hand und warf mir einen wissenden Blick zu. „Um ehrlich zu sein..." Sie griff nach einem Glas aus dem Geschirrspüler und begann, es mit einem Tuch zu trocknen. „Ich bin froh, dass ihre Gedanken endlich nicht mehr nur ständig bei diesem Idioten festkleben."
Ich wurde hellhörig und warf Rey einen raschen Blick zu. „Was?"
Sie sah sich nach Alaina um, aber sie war offenbar im Lager verschwunden.
„Naja, sie hat mir nie seinen Namen gesagt, aber... Er hat ihr ziemlich zugesetzt."
Meine Neugierde war geweckt. „Inwiefern?"
„Naja, Alaina war nie sonderlich gesprächig oder offen, aber wenn sie geredet hat, dann nur noch von ihm. Sie hat buchstäblich auf Wolke sieben geschwebt, aber ich weiß absolut nichts von ihm." Sie zuckte bedauernd mit den Augenbrauen. „Tja, irgendetwas ist wohl furchtbar schief gegangen, schätze ich. Von einem auf den anderen Tag war sie plötzlich total niedergeschlagen." Sie griff nach einem weiteren Glas und ich hoffte, dass der Geschirrspüler randvoll war, damit sie nicht zum Reden aufhörte. „Verschlossen. Ich habe sie ein paar Mal erwischt, wie sie im Lager geweint hat. Ich weiß nicht, was passiert ist, nur, dass es etwas mit diesem Typen zu tun hatte."
„Wann war das?", fragte ich und sie kniff nachdenklich die Augen zusammen.
„Vor etwa sechzehn Monaten? Die Sache mit ihm hat auf jeden Fall vorletzte Weihnachten begonnen."
Irgendetwas störte mich daran, aber ich war zu betrunken, um sofort zu begreifen, was es war. Dann fiel es mir auf.
„Kennst... kennst du Alaina denn privat?"
Sie schüttelte den Kopf. „Nein, erst, seit sie hier angefangen hat."
Ich blinzelte. „Und wann war das?" Alaina hatte mir gesagt, dass sie diesen Job erst vor kurzem angefangen hatte, etwa zu der Zeit, zu der sie umgezogen war. Unmöglich konnte dieses Mädchen all das mitbekommen haben, wenn das stimmte.
Sie stieß den Atem aus. „Das muss auch etwa um diese Zeit gewesen sein."
Alaina kam aus dem Lager und ihre Kollegin verstummte und zwinkerte mir zu und flüsterte: „Das weißt du alles nicht von mir."
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Der Stalker meiner Vormieterin
Teen FictionFür Simon hat eben erst ein neues Leben angefangen. Endlich frei von dem Dauerkrieg Zuhause und frisch von seiner Freundin getrennt, will er sich, nicht zu weit weg, ein eigenes Leben aufbauen, auch, wenn er noch nicht so recht weiß, wie das aussehe...