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Wie immer machte ich mich auch an diesem Mittwoch daran, meine Eltern und meine Geschwister zu besuchen. Es dauerte beinahe zwei Stunden, bis ich mich in meinem Auto durch den abendlichen Verkehr gekämpft hatte und an dem kleinen Einfamilienhaus am Rand der Stadt angekommen, aus dem ich vor knappen sechs Wochen ausgezogen war.

Sophie saß draußen auf der hölzernen Veranda in der Hollywoodschaukel, hatte einen Notizblock auf dem Schoß und die Kopfhörer aufgesetzt. Mit dem rechten Fuß wippte sie im Takt der Musik. Als ich das Gartentor hinter mir schloss wurde mir auch bewusst, warum sie beim Lernen Musik hörte. Die Stimmen unserer Eltern drangen bis in den Vorgarten. Als sie mich sah, zog sie sich die Kopfhörer runter.

„Hey", sagte sie.

„Hey." Ich schob die Hände in die Hosentaschen, als der Wind etwas auffrischte und nickte zu dem Block auf ihrem Schoß. „Lernst du für deine Abschlussprüfungen?"

„Ja, ich will meinen Notendurchschnitt halten."

„Du meinst den 4.0 Schnitt?", grinste ich.

„Ha ha", erwiderte sie genervt, bevor sie wieder ernst wurde. „Mom hat gesagt, wenn sich meine Noten bessern, darf ich in den Sommerferien mit David und meinen Freunden ans Meer fliegen." Ich nickte verstehend.

Sophie war vor kurzem siebzehn geworden und hing damit genau in dem Alter fest, in dem sie mit ihren Freunden und besonders ihrem Freund lieber nächtelang wegblieb und verbotenerweise Alkohol trank, anstatt für die Schule zu lernen. Aber ich wollte nicht den Moralapostel spielen, ich war damals nicht besser gewesen.

Nur ihr Freund störte mich mächtig. Als sie ihn das erste Mal nach Hause gebracht hatte, war er mir schon seltsam vorgekommen, und weil ich es nicht nur liebte, Leuten auf den Zahn zu fühlen, sondern mir auch meine Schwester ziemlich wichtig war, hatte ich ein bisschen gegraben und so einiges über David herausgefunden, das Sophie vermutlich gar nicht wusste. Und besser auch nicht herausfinden sollte.

Ich deutete auf die geschlossene Haustüre, hinter der immer noch gestritten wurde. „Wie lange geht das schon so?"

„Vielleicht ne Stunde?", entgegnete Sophie. „Ich wünschte, die zwei würden sich endlich scheiden lassen. Für Cal und Cora."

Ich nickte. Sophie und ich waren alt genug, um zu verstehen, dass unsere Eltern eben nicht auf uns wütend waren. Aber besonders Cora verstand es nicht, wenn auf dem Esstisch wieder mal darüber gestritten wurde, ob mein kleiner Bruder ins Sommercamp durfte, oder Cora bei einer Freundin übernachten konnte. Ob die zwei vor dem Einschlafen noch eine Folge Spongebob sehen durften oder nicht. Ob sie erst ihre Hausaufgaben machen sollten und dann spielen durften, oder ob es umgekehrt auch in Ordnung war.

Und wenn ich jetzt richtig hörte, ging es in dem Streit darum, ob die beiden in den Osterferien zu den Eltern unserer Mom oder zum Vater unseres Dad's sollten.

„Sind die beiden in ihren Zimmern?", fragte ich Sophie und sie nickte. Ich seufzte tief und betrachtete die frisch gesetzten Sträucher, als ich kurz nachdachte. „Lust auf einen Kinderfilm mit schlechten Witzen im Kino?", fragte ich dann.

„Nein", erwiderte sie, ohne eine Miene zu verziehen. „Aber ich komm trotzdem mit."

„Holen wir die zwei."

Das Gezanke meiner Eltern hörte in dem Augenblick auf, als ich die Türe öffnete. Der vertraute Holzgeruch und das süßliche Parfüm meiner Mutter stieg mir in die Nase.

Mom und Dad standen sich im Wohnzimmer gegenüber, und obwohl die Stimmung zum Zerreißen gespannt war, lächelte meine Mutter sofort, als sie mich sah.

„Simon! Schön, dich zu sehen, wie geht es dir?" Sie klang ein wenig atemlos und ihre blonden Haare waren in einem unordentlichen Knoten zusammen gebunden. Die Ärmel ihrer Weste waren hochgekrempelt.

Ich umarmte sie kurz und gab ihr einen Kuss auf die Wange, während Sophie nach oben lief, um die Kleinen zu holen. „Gut."

„Du hättest anrufen sollen", meinte mein Vater und fuhr sich durch die dunklen Haare.

„Hätte das denn etwas geändert?", brummte ich. „Ihr streitet doch ununterbrochen."

Beide wollten vermutlich zeitgleich etwas darauf erwidern (vermutlich, dass es mich nichts anging und ich nicht so frech sein sollte), aber Sophie kam bereits mit Cal und Cora die Treppe herunter. Cal stürzte sich freudeschreiend auf mich und redete aufgeregt auf mich ein, aber ich verstand kein Wort. Cora hingegen stand in ihrem blauen Kleid und der weißen Strumpfhose einige Meter von mir entfernt und verschränkte die Hände hinter dem Rücken.

„Lust, ein bisschen raus zu gehen? Vielleicht ins Kino?" Jetzt breitete sich auch auf ihrem Gesicht ein Lächeln aus und beide nickten eifrig. „Dann zieht eure Jacken und Schuhe an und wartet draußen." Sie gehorchten brav und Sophie schob sie eilig hinaus, wobei sie mir einen bedeutungsstarken Blick zuwarf. Sobald sie die Türe hinter sich geschlossen hatte, wandte ich mich wieder an meine Eltern.

„Ihr habt vier Stunden, um zu klären, was auch immer ihr zu klären habt", knurrte ich kopfschüttelnd und folgte meinen Geschwistern nach draußen, bevor meine Eltern etwas darauf erwidern konnten. 

Der Stalker meiner VormieterinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt