45

354 46 47
                                    

Nach meinem dritten Gin-Shot war ich so weit, dass ich die Worte erneut lesen konnte, ohne mir dabei fast in die Hosen zu machen.

DAS WIRST DU BEREUEN.

Ich hätte Juliana fragen können, was sie damit meinte, aber ich war mir ziemlich sicher, dass sie nur verwirrt den Kopf geschüttelt und gesagt hätte, dass sie keine Ahnung hatte, wovon ich sprach.

War der Stalker sauer, dass ich die Briefe entsorgt hatte? War er sauer, weil ich Alaina zu meinem Apartment gebracht hatte? War er sauer, weil ich ihr davon erzählt hatte, dass der Stalker nun auch mich zu stalken schien?

Was würde ich bereuen? Und warum würde ich es bereuen?

Ich werde das Apartment zubetonieren lassen. Mit mir darin.

Die Lust, mich mit Juliana zu treffen, war mir gehörig vergangen.

Ich war vorhin noch auf den Flur gelaufen, aber es war keiner zu sehen gewesen. Ich war mit Socken das Stiegenhaus hinuntergerannt, auf die Straße hinaus, in der Hoffnung, einen schwarzgekleideten Kerl zu entdecken, der aussah, als habe er fünf Tage nicht geschlafen und einen Haufen Meth intus -vorzugsweise mit einem Schild in der Hand, auf dem STALKER stand.

Aber ich hatte niemand Auffälliges gesehen, also war ich wieder in mein Apartment zurückgekehrt, hatte die Türe abgesperrt und drei Gin-Shots runtergeschüttet, als wäre es Wasser.

Jetzt hing ich am Telefon und versuchte zum fünften Mal Rey anzurufen. Parallel dazu rechnete ich mir meine Überlebenschancen aus, wenn ich heute noch einmal mit Loaf Gassi gehen musste. Würde mich ein Motorrad anfahren? Würde ich von einem Baseballschläger am Kopf erwischt werden? Würde Loaf bellen und mich zu beschützen versuchen, während mir ein Plastiksack über den Kopf-

Ich rieb mir die Schläfen und kniff die Augen zusammen.

„Es reicht...", murmelte ich und beschloss, am nächsten Tag nach der Arbeit zur Polizei zu gehen. Das war eine Drohung gewesen. Nicht an Alaina, sondern an mich. Und mir war mein Leben zumindest wichtig genug, als dass ich nicht als kalte Leiche zwischen ein paar Mülltonnen von einer Stripperin um halb fünf Uhr morgens gefunden werden wollte.

Es klopfte an meiner Türe. Ich fuhr zusammen, schlug mir das Knie am Tischbein an und das Glas, aus dem ich die Gin-Shots getrunken hatte, rollte auf den Boden, zerbrach aber nicht.

Ich hob es auf und starrte zur Türe. Sollte ich es als Waffe einsetzen? Oder lieber ein Messer nehmen? Ich hätte auch aus dem Fenster klettern können, aber da sprang Loaf bereits schwanzwedelnd auf die Türe zu und ich stieß erleichtert den Atem aus.

„Hey!", seufzte ich erleichtert, als ich Juliana vor meiner Türe stehen sah, mit A.T. an der Leine. Sie war offensichtlich gerade mit ihm draußen gewesen. Sie lächelte mich vorsichtig an.

„Wir... wir haben gesagt um acht bei mir und du bist nicht aufgetaucht, ich dachte... ich wollte nur nachsehen, ob alles okay ist."

Ich warf einen Blick auf die Uhr. Es war kurz vor neun. Ich rieb mir übers Gesicht. „Tut mir leid. Meine Schwester hat angerufen, weil sie mit ihrem Freund Schluss gemacht hat." Sie musste nichts von dem Stalker wissen. Das war meine Angelegenheit, ich wollte ihr keine Angst machen.

„Oh nein", bedauernd legte sie den Kopf schräg.

„Nein, nein", sagte ich schnell. „Ihr Freund war ein Idiot. Wir sind alle froh, dass es weg ist. Naja... alle, außer Sophie."

Sie nickte verstehend. „Dann... willst du vielleicht rüberkommen und darauf anstoßen, dass der Idiot weg ist?"

Eigentlich hatten mich die drei Shots mit voller Breitseite er-wischt. Kaum zu glauben, dass ich noch reden konnte, ohne über meine Worte zu stolpern. Ich war überrascht, dass Juliana den puren Gin nicht roch. Vielleicht tat sie es, aber sie ließ sich nichts anmerken, sondern lächelte mich an und lud mich zu sich nach Hause ein. Und es waren nur ein paar Schritte, das würde ich schon schaffen, ohne über meine Füße zu stolpern, also stimmte ich zu. Mein Körper hatte bei Alkohol immer schneller nachgegeben als mein Gehirn.

Der Stalker meiner VormieterinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt