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Als ich die Augen aufschlug wurde mir als erstes bewusst, wie verspannt mein Rücken war. Ich spürte jeden Muskel, jede Sehne und jeden Knochen. Das zweite, was mir auffiel, war, dass Alaina mich beobachtete. Sie saß aufrecht auf der Couch und starrte mich an.

„Guten Morgen", lächelte sie, als ich mich aufsetzte. Sie sah nicht mehr so müde und blass wie gestern aus.

„Morgen", murmelte ich mit rauer Stimme und rieb mir über die Augen. „Wie spät ist es?"

„Gleich acht."

Wenn ich in meinem Bett gelegen hätte, dann hätte ich mich jetzt umgedreht und hätte seelenruhig weitergeschlafen. Aber weil mir eben alles wehtat, richtete ich mich auf.

Rey war offenbar schon wach und summte in seiner Küche gut gelaunt vor sich hin.

Ich hasste Morgenmenschen.

„Hast du die ganze Nacht da gelegen?", fragte Alaina und ich nickte. „Das ist irgendwie... süß."

Ich zog eine Augenbraue hoch, weil ich fand, dass ich ein Idiot war.

Rey kam zwischen dem Perlenwasserfall hindurch und hielt mir und Alaina jeweils eine Teetasse hin.

„Dein Schönheitsschlaf war zu kurz, Dornröschen", ließ er mich schadenfroh wissen und ich zeigte ihm den Stinkefinger, während ich einen Schluck Tee trank und das Gesicht verzog.

„Rey, Alter." Ich hustete. „Dir ist da ein bisschen Tee in den Honig gerutscht."

Er legte den Kopf schräg. „Stell dich nicht so an. Honig ist gesund. Es gilt als das absolute Wundermittel in Arabien."

„Ja, und in Indien vertrauen sie auf die Zwiebel bei Sonnenstich. Wickle ich sie mir deshalb im Sommer um den Schädel?"

„Du bist ein Zyniker", murrte er.

„Ich finde den Tee ausgesprochen deliziös. Und so etwas wie zu viel Honig gibt es gar nicht", zwinkerte Alaina ihm zu und alleine für diese Aussage und einen weiteren großen Schluckt hatte sie sich bei ihm vermutlich massive Freundschaftspunkte eingeholt, denn er grinste mich triumphierend an, bevor er wieder in die Küche verschwand.

Ich stellte die Teetasse augenblicklich weg, rappelte mich auf und streckte mich. Meine Wirbelsäule knackte dankbar.

„Und?", fragte ich. „Was hast du jetzt vor?"

Sie biss sich auf die Unterlippe und mied meinen Blick. Dann seufzte sie tief. „Ich schätze... ich muss wohl zur Polizei gehen, oder?"

Ich nickte, erleichtert darüber, dass es nicht mehr Überredungskunst bedurfte. „Soll ich dich hinfahren?"

Sie nickte. „Nach dem Frühstück. Dein Freund bereitet es gerade zu."

„Was gibt es denn?", rief ich in die Küche, weil mir trotz der frühen Uhrzeit der Magen knurrte.

„Ful."

„Bitte, was?"

„Ful." Er steckte den Kopf durch die Perlenketten. „Das ist ein ägyptischer Bohnenbrei. Aus Sauerbohnen, Olivenöl und verschiedenen Gewürzen. Dazu gibt es ägyptisches Brot, Eier und Falafel."

„Ägyptisches Brot?", hakte ich nach.

„Dazu gibt es Rezepte im Internet."

„Du hast einen Vollschuss. Ich will nur Cornflakes."

Rey seufzte theatralisch und wieder kam Alaina zu Hilfe, seine Laune zu bessern. „Also, ich bin gespannt darauf. Es ist doch toll, wenn man sich für die Kulturen anderer Länder so sehr interessiert."

Der Stalker meiner VormieterinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt