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An dem verlängertem Wochenende Anfang Juni kamen meine Eltern zuerst für einen Tag zu Besuch. Sie hatten danach vor noch weiter zu Freunden zu fahren. Mein Dad half morgens sogar beim füttern und misten mit. Meine Mum und ich kümmerten uns um die Fohlen. Sie ging mit ihrer Sweetie spazieren, Franz sprang um sie herum. Mein Dad longierte zum ersten mal ein Pferd. King war so ein lieber beim longieren geworden. Ihn brachte nur selten etwas aus der Ruhe.
Schließlich konnte ich meine Mum dazu überreden mit mir ausreiten zu gehen. Zoe hatte mir erlaubt Penny auszuleihen. Ich sattelte Mali. Die beiden waren eben ein Herz und eine Seele zusammen.
Vor knapp 20 Jahren saß meine Mum regelmäßig auf einem Pferd. Leider stürzte sie schwer, weshalb sie nach ihrer Schwangerschaft mit mir nicht noch mal damit angefangen hatte. Ich lies sie zuerst auf dem Platz etwas reiten. Sie strahlte vor sich hin. Penny war die ruhe selbst und lies sich meine Mum ganz langsam an sie gewöhnen. Schließlich ritten wir los. Durch den Gang über die Wiese ritten wir ins Feld. Auch wenn der Mai so einiges an regen mitgebracht hatte, hatten es leider viele Bäume nicht geschafft. Der Juni legte mit den Sonnenstrahlen so richtig los. Es war richtig Sommer geworden. Die Sonne brannte auf der Haut. Wir entschlossen uns kurzfristig doch in den Wald abzubiegen.
„Sag mal, hattest du schon einen Tierarzt für Sweetie da?" fragte mich meine Mum plötzlich.
„Ja, gleich nach der Geburt. Er meinte alles wäre gut. Franz ginge es gut und Sweetie würde auch nichts fehlen."
„Nein, ich meinte wegen ihrem Bein. Gab es keine Chance, dass das wieder wird?" wie kam sie denn da jetzt drauf?
„Damals hatte der Arzt gesagt, sie würde niemals wieder reitbar sein. Also habe ich mir da keine Hoffnungen gemacht. Ich denke nicht, dass sich da etwas gebessert hat. Das wichtiges war für mich, dass sie ohne Schmerzen leben kann." erklärte ich, trotzdem musste ich sie fragen wie sie auf dieses Thema kam.
„Ich hatte mir immer vorgestellt, meinen ersten Ausritt mit Sweetie zu machen." kam es plötzlich. Sie hatte sich vorgestellt mit Sweetie ausreiten zu gehen? Ich musste etwas grinsen. Dann tat es mir leid. Ich hatte ihren Traum platzen lassen. Plötzlich fühlte ich mich furchtbar schuldig. Dieses Gefühl begleitete mich den ganzen restlichen Tag. Der Ausritt war schön, aber er änderte nichts an der Tatsache, dass ich meiner Mum etwas genommen hatte, was sie sich gewünscht hatte.
„Meinst du ich soll für Sweetie noch mal den Tierarzt kommen lassen?" hörte ich mich plötzlich fragen.
„Warum? Ihr geht es doch super gut." antworte Joey. Irgendwie enttäuschte mich seine Antwort. Aber was hatte ich denn anderes erwartet?
„Stimmt, sie lahmt nicht und hat keine Schmerzen." stellte ich fest. Irgendwie gab mir das Hoffnung. Ich googelte am nächsten Morgen wie hoch die Wahrscheinlichkeit bei einem damaligen Bänderriss liegt, das Pferd wieder zu reiten. Es kam nichts wirklich hilfreiches dabei raus. Ich las viele Geschichten die gut endeten, aber eben auch schlecht. Ich hatte ein sehr mulmiges Gefühl, als ich die Nummer meines Tierarztes wählte. Ich tat das für meine Mum und für Sweetie. Schon nach dem dritten Klingeln ertönte eine Stimme.
„Hallo, Helena Wissel hier. Könnte ich mit Doktor Flehm sprechen?" fragte ich höflich. Mein Herz schlug wie wild. Ich lief in der Küche immer wieder hin und her.
„Hallo Helena." hörte ich dann endlich. Ich schilderte ihm kurz die Lage und stellte anschließend die Frage.
„Ich denke, es gibt immer Wunder, aber eine Wahrscheinlichkeit liegt bei weniger als 1%." meinte er. Aber diese 1% Hoffnung waren in mir und in meiner Mum. Ich musste es wissen.
„Könnten sie trotzdem mal kommen und sich das ganze ansehen?" fragte ich.
„Ja klar, sehr gerne." antwortete er darauf. Er war wirklich der beste Tierarzt den man sich nur wünschen konnte. Er war immer ehrlich, aber brachte einem schlechte Nachrichten ruhig, mit Herz und Verstand bei. Wir vereinbarten den kommenden Mittwoch um drei Uhr. Ich musste also den Unterricht bei Clauida absagen oder verschieben. Ich rief sie gleich an. Wir verlegten den Unterricht um zwei Stunden zurück. Also begann er um fünf mit Mali und endete mit Prince um acht.
„Ach und Helena, ich hätte da auch noch etwas für dich." sagte Claudia noch. Ich wollte eigentlich schon wieder auflegen.
„Ja?"
„Hättest du Interesse an einem weiteren Pferd?" fragte sie mich plötzlich.
„Ähm, eigentlich nicht. Warum?"
„Ich habe heute eine Palominostute angeboten bekommen. Sie ist eine Ponystute und 5 Jahre alt. Sie wurde letztes Jahr angeritten, jetzt soll sie weiter verkauft werden. Ich denke, ich passe auf kein Pony mehr, aber ich musste bei ihrem Anblick gleich an dich denken." oh je, was hatte sie mir da nur wieder aufgetischt? Das konnte doch nur schlecht ausgehen. Ich lies mir die Anzeige von ihr schicken. Der Text, den sie beschrieb, las sich gut. Sie war anscheinend ein sehr freundliches und sportliches Pony. Ihr Vater war international im Dressursport bekannt und ihre Mutter machte das Gelände ziemlich unsicher. Sie sah wirklich sehr sehr hübsch aus. Trotz ihrer hellen Fellfarbe, sah man eine weiße Blesse und vier weiße Füße.
Ich hatte ein sehr schlechtes Gefühl bei der Sache. Vor knapp zwei Monaten hatte ich noch Herr Wenkler eine abfuhr erteilt. Aber irgendwie war das mit dem Pony eine andere Sache. Ich konnte sie ausbilden und sie schließlich für meine, hoffentlich, späteren Kinder behalten. Laut ihrer Beschreibung waren schon Kinder sie geritten. Natürlich war Joey dagegen. Er hatte keine Zeit und auch keine Lust sich um noch ein Pony zu kümmern. Seit dem er dieses Jahr wieder voll und ganz in der Saison dabei war, hatte er viele Anfragen wegen Beritt oder Unterricht bekommen.
Dennoch war es immer noch meine Entscheidung und mein Geld. Platz hatten wir noch auf alle fälle. Ich entschloss dort mal anzurufen und einfach mal zu gucken. Die Frau am Telefon war sehr nett und sehr angetan als ich ihr ein bisschen von mir erzählte.
Ich konnte Joey doch noch überreden mit mir dorthin zu fahren. Knapp eine Stunde Autofahrt stand das Pony von uns entfernt. Der Hof sah sehr edel aus. Es war eine Züchterin, deren Ponys sehr erfolgreich waren. Sie begrüßte uns an der Einfahrt.
„Ich bin Sabrina." und gab uns die Hand. „Creamy steht auf der oberen Wiese." meinte sie und zeigte neben uns. Wir stiegen also den etwas steilen Weg nach oben zwischen den Wiesen auf. Vor uns erstreckte sich eine super große Wiese, die bis zum Wald reichte. Auf der Wiese standen fast 10 Ponys. In allen Farben. Aber nicht nur Ponys waren zu sehen. Fast jedes Pony hatte einen Begleiter. Fohlen.

Aus eins wurde achtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt