Keine zehn Minuten später saß ich auf dem Beifahrersitz von Joeys Auto, ein ziemlich neu und teuer aussehender, gut gepflegter Ford. Joey fuhr los und wir schwiegen uns an. Ein sehr unangenehmes Schweigen, was dann aber zum Glück von dem Autoradio übertönt wurde. Es lief gerade Boys don't cry von the Cure, ich mochte den Song begann im Takt dazu auf meiner Jeans zu trommeln. Großartig aufgehübscht hatte ich mich für den Abend nicht, weder was Klamotten noch Schminke anging, aber sowas spielte für mich noch nie eine große Rolle. Meine Oma aus Deutschland hatte früher immer gesagt, „Der einzige Tag an dem du dich für einen Mann hübsch machst, ist der Tag an dem du in deinem Sarg hübsch gemacht wirst um Jesus zu sehen". Sie war sehr gläubig, ganz im Gegensatz zu mir, aber ich fand den Denkansatz nicht verkehrt. Ich musste mich für niemanden hübsch machen.
„Ähm also wegen gestern Abend...", ich drehte mich zu Joey, „Ja?", „Ach vergiss es", winkte er dann nach kurzer Pause des Nachdenkens, in der ich ihn gespannt von der Seite aus beobachtet hatte und er konzentriert auf die Straße vor uns starrte ab. „Okay", ich hatte jetzt nicht sonderlich Lust einen weiteren Streit vom Zaun zu brechen und so schwiegen wir uns an. „Wo fahren wir jetzt genau hin?", brach in nach einer halben Ewigkeit das Schweigen. „Zu meinem besten Freund", ich war von Joeys Antwort geflasht, nicht so viele Informationen auf einmal. Aber ich wollte ihm jetzt nicht jede einzelne Information aus der Nase ziehen. Vielleicht hing ja ein Popel dran.
Den Rest der Fahrt sagte keiner mehr was, wir hörten nur Joeys Spotify Playlist zu, die über sein Autoradio lief. Einen schlechten Musikgeschmack hatte er jetzt nicht. Nach wenigen Minuten bog Joey von der Haupt- in eine ruhige Nebenstraße ab, vor einer Einfahrt, in der ein roter VW Golf stand machte er dann halt. „Warte eben hier. Bin gleich wieder da", er stieg aus und klingelte an der Tür. Ein paar Sekunden später wurde sie von einem langhaarigen Jungen mit Vintageklamotten geöffnet. In seinen hellblonden Haaren befanden sich ausgewaschene grünliche Farbreste, alles in allem wirkte er sehr verwahrlost und in dieser Wohngegend eher deplatziert. Joey und er gaben sich eine innige Männerumarmung und Joey gestikulierte anschließend etwas herum und zeigte dann in Richtung Auto. Wahrscheinlich erklärte er ihm das Billie in fast genötigt hatte mich mitzunehmen. Ein weiterer, ebenfalls blonder, Junge erschien in der Tür. Seine Haare waren, im Gegensatz zu dem jünger wirkenden Kurt Cobain Abklatsch, stylisch nach hinten gegelt und seine Klamotten waren zu dem eher extravagantem Vintagelook sehr schlicht. Joey nickte zu irgendwas was einer der beiden gesagt hatte und kam zurück zum Auto, „Wir gehen jetzt gleich los und vor dem Gilman treffen wir dann noch einen Kumpel.", ich nickte und stieg aus. „Hi, ich bin Cole", kam der mit dem Vintagelook direkt auf mich zu und lächelte mich an, „Und ich bin Max", stellte sich der andere vor. „Hey, ich bin Jack. Ich hoffe es ist wirklich okay wenn ich jetzt mitkomme...", Max grinste nur, „Ja klar, unser Bruder Cade hat sich leider einen fiesen Infekt eingefangen und kann so oder so nicht mit. Die Karte verfällt ja sonst leider.", ich nickte wieder, „Okay gut, ich dachte schon. Ich wollte eure Runde jetzt auch nicht stören". „Ach Quatsch, Freunde von Joey sind auch Freunde von uns", zwinkerte Cole mir zu, ich zog einwenig überrascht die Brauen hoch und drehte mich zu Joey um. Wann war denn das passiert? Seit wann waren wir „Freunde"? Und was hatte er den beiden bitte erzählt? „Kommt lasst uns los gehen. Seb wartet bestimmt schon.". Gesagt getan, Max stieg auf der Fahrerseite in den roten Golf und wir anderen folgten, er schien wohl für den Abend der Fahrer zu sein.
Wir parkten einen Block vom Gilman entfernt und liefen den Rest. Ich kannte den Club, Negative Love hatte hier auch schon oft gespielt und ich war auch schon oft mit Liam und Chuck hier gewesen und auch einmal mit Jeff. Cole hatte eine Flasche mit irgendwas alkoholischem die wir auf dem Weg hin killten. Bei dem Gedanken an Jeff musste ich natürlich an den Rest der Familie denken und es schüttelte mich dabei. War ich wirklich so herzlos, egoistisch und nachtragend? Andererseits, ich war damals nicht ohne Grund aus diesem Goldenen Käfig geflohen. Zusammen mit einem großen Schluck aus der Flasche spülte ich die Gedanken runter, da wo sie hingehörten. Nach ganz tief unten.
Vor dem Club war eine lange Schlange und meine drei Begleiter hielten nach ihrem Kumpel Ausschau. Nach kurzem Suchen hatten sie ihn dann schließlich recht weit vorne ausgemacht und wir stellten uns zu ihm in die Reihe. Hinter uns begannen ein paar Mädels zu tuscheln und keine fünf Minuten später dachte ich ein Déjà-vu zu haben. Die Szene die sich vor meinen Augen abspielte war wie damals als ich im Bus mit Joey saß. Nur das diesmal nicht nur Joey sondern alle vier belagert wurden und plötzlich kam die Erkenntnis bei meiner langen Leitung an. Die anderen drei waren bestimmt mit Joey in der Band die keine Rechtschreibung kannte. Das konnte ja ein lustiger Abend werden! Ich stand einwenig verloren neben meinen Begleitern, die jetzt mit den Mädels hinter mir plauderten und Fotos machten. Genervt lehnte ich mich gegen die Mauer und hoffte das es nicht den ganzen Abend so weiter ging. Andererseits hatte ich ja sowieso vorgehabt mich abzukapseln und von Joey los zu kommen und die Chance war ja wie gemacht dafür.
Nach weiteren fünfzehn Minuten die mir endlos vorkamen wurden wir endlich in den Club gelassen. Die Mädels mit denen sich die Jungs die Wartezeit vertrieben hatten blieben natürlich bei unserer Gruppe, wie so ein nerviges Kaugummi unter dem Schuh. „Ich gehe mal aufs Klo", sagte ich dann irgendwann in die Runde, aber es schien auch niemanden zu stören oder eher gesagt niemanden zu interessieren, hatte ich auch nicht erwartet. Statt zur Toilette ging ich auf die andere Seite des Clubs zur Theke, jetzt war ich schon einundzwanzig und ausnahmsweise mal nicht knapp bei Kasse, das konnte ich jetzt auch mal ausnutzen!
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Hit the Road Jack
RandomAuf Tour mit Green Day, kann es schöners geben? Für Jack aufjedenfall.