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Als der Pfarrer fertig mit seiner Trauerrede war, spielten sie Candle In The Wind von Elton John und da traten selbst mir die Tränen in die Augen. Wir führten die Prozession zum Grab an und liefen dem Urnenträger nach. Am Grab selber wurde die Urne langsam hinab in die Erde gelassen und der Pfarrer sprach noch ein paar letzte Worte, „Asche zu Asche. Staub zu Staub.". Als erstes warf meine Mutter eine paar Rosenblätter hinter her, dann Josie und dann Jeff, ich schloss mich ihnen an und murmelte ein leises „Tschüss Dad", dann trat ich beiseite und machte den anderen Platz und stellte mich mit etwas Abstand zu meiner Familie. Die Gäste kamen nach dem sie am Grab waren zu uns um ihr Beileid auszusprechen. Ich schüttelte viele Hände, von fremden, Leute die ich bis jetzt vielleicht ein drei Mal gesehen hatte. 

Ich war froh als ich meinen Rucksack schulterte und meinen Rollkoffer hinter mir mich herziehend zur Bushaltestelle schlenderte. Eigentlich hätte es noch Kaffee und Kuchen bei uns zu Hause gegeben, aber dafür hatte ich keine Zeit mehr. 

Am Flughafen checkte ich mich ein und stellte mich dann am Sicherheitskontrolle an, die ich etwas später ohne Probleme passierte. Jetzt hieß es warten. Die Situation erinnerte mich Washington DC wo ich eigentlich die Tour hatte abbrechen wollen und mich dann doch umentschieden hatte.

Es dauerte ewig bis ich im Flieger war, natürlich auch nur Economy Class, die nächsten dreizehn Stunden würden eher ätzend werden. In einem der Shops hatte ich mir zum Glück noch ein Nackenkissen gekauft, was jetzt auf jeden Fall zum Einsatz kam. 

Während des Flugs schaute ich mir über mein Handy eine Serie an um mich abzulenken, dann schlief ich noch etwas. Erst hatte ich das Gefühl, die Zeit würde gar nicht vergehen, aber dann tauchte irgendwann die Lichter von Frankreich vor mir auf. 

Nachdem ich gelandet war, drängte ich mich an den anderen Passagieren vorbei, ich musste zum Glück nicht noch auf meinen Koffer warten, es war mitten in der Nacht und durch die Zeit Verschiebung hatte ich jegliches Zeitgefühl verloren. Meinen Koffer vor mich herschiebend schlenderte ich die langen Gänge entlang. Es tat so gut nach dem langen Flug endlich ein paar Schritte zu machen. Die Jeans die ich auch auf der Beerdigung angehabt hatte, war eine echt blöde Idee gewesen anzulassen. Ich folgte den Schildern Richtung Ausgang und da wartete bereits Markus auf mich. Es war mit niemanden Abgesprochen  das ich abgeholt werden sollte und deshalb freute ich mich umso mehr. 

Wir begrüßten uns und ich freute mich ehrlich ihn wieder zu sehen. Er deutete in Richtung der Taxistände und plaudernd steuerten wir auf eine der vielen Taxen zu. Markus nannte dem Fahrer die Adresse eines Hotels und wir fuhren los. Während der fahrt gähnte ich mehrmals und die dunklen Straßen Turins flogen nur so an mir vorbei. 

Das Konzert war erst morgen Abend und ich war total im Arsch. Ob es an den sechs Stunden Zeitunterschied lag? I doubt it!

Das Hotel war am anderen Ende der Stadt und da der Flughafen recht außerhalb lag, waren wir auch durch den Verkehr bedingt lange unterwegs, dafür hatte sich es aber wirklich gelohnt. Ein wunderschöner Altbau im Viktorianischen Stil baute sich vor mir auf als wir aus dem Taxi stiegen. Markus bezahlte den Fahrer und folgte mir dann durch die schwarz eingerahmte Drehtür in das innere des noblen Gebäudes. Im Gegensatz zu Kalifornien, wo ich es diesen Winter schon sehr kühl fand, war Turin super kalt. Ich checkte mich ein und erhielt eine Schlüsselkarte und Zimmernummer, dann folgte ich Markus der auf mich gewartet hatte und mir dann zeigte was die anderen gerade so trieben. 

Wir gingen an die Bar. Wo auch sonst hin? Die Bands und die Crew saßen gemischt in einer Sitzecke, die aus ein paar Lounge Sesseln und Sofas bestand und waren Grüppchenweise in ihre Gespräche und Drinks vertieft. „Hallo!", rief ich in die Runde und grinste schief, Chuck und die Anderen sprangen freudig auf und begrüßten mich so als ob sie mich vor Weihnachten zu Letzt gesehen hatten und nicht erst Vorgestern. Auch von den Jungs von Green Day wurde ich freudig empfangen, nicht ganz so überschwänglich wie von den Jungs aus meiner Band, aber doch herzlich. 

„Meine" Band, das klang so komisch und surreal, ich konnte es immer noch nicht fassen das ich morgen mein offiziell erstes Konzert spielte. Die Nervosität überwog und drängte die Gedanken an Joey und meine Familie in den Hintergrund. Ich setzte mich zu Jimmy und Mike auf eines der Sofa und hörte ihnen zu. Markus hatte mir einen Cocktail organisiert und setzte sich auf den letzten freien Platz, wir stießen an, „Wie war eigentlich dein Weihnachten?", fragte er mich dann und beförderte meine gut verdrängten Gedanken wieder in den Mittelpunkt meines Bewusstseins. Ich lächelte gequält, „Anders. Anders als ich es erwartet habe", versuchte ich es etwas ausweichend zu umschreiben. „Was hattest du denn erwartet?", er nahm einen Schluck aus seinem Bier, „Erstmal Ruhe", lachte ich, „Nein, am liebsten hätte ich die Zeit in der Badewanne verbracht, gelesen, niemanden gesehen und einfach Zeit mit mir selber verbracht. Gut vielleicht ein bisschen mit dem Rest der Band.". „Und wie war es wirklich?", „Genau anders rum?", ich erzählte eine etwas abgespeckter Version, denn das mit Joey oder das mit meiner Familie ging hier erstmal niemanden etwas an. Er lachte zwischendurch wodurch ich mir auch vorgaukeln konnte das alles „Okay" war. 

Nach dem Drink verabschiedete ich mich aus der Runde und suchte mit meinem Koffer und dem Rucksack mein Zimmer für diese Nacht. Es dauerte nicht lange, das fand ich auch schon Zimmer 318, mit der Schlüsselkarte öffnete ich die Tür und ließ mich dann erstmal aufs Bett fallen. Das schönste Gefühl auf dieser Erde! Nach einem langen Tag einfach nur auf einem weichen Bett zu liegen.

Ich machte mich noch Bettfertig, wollte dann als letzte Amtshandlung noch meinen Handy einstecken, da wurde mir bewusst das ich etwas sehr wichtiges vergessen hatte zu kaufen. 

Richtig! 

Einen Adapter für Europa! 

Etwas genervt schmiss ich mich auf das Bett, daran konnte ich jetzt sowieso nichts mehr ändern, ich machte mir eine Notiz in meinem Hinterkopf das ich mir zeitig einen passenden Adapter anschaffte. 

Unruhig, wegen des Morgen anstehenden Konzert und nachdenklich über Joey und meine Familie, schaffte ich es dann schließlich einzuschlafen.

Hit the Road JackWo Geschichten leben. Entdecke jetzt