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Mein Telefon klingelte erneut, ich musste es echt mal wieder auf Lautlos stellen. Peinlich berührt und mir bewusst das mich alle anstarrten stand ich schnell auf und entschuldigte mich kurz. „Ja?", fragte ich etwas genervt in den Hörer. Irgendwann musst ich mal dran gehen, sonst würde irgendwer misstrauisch werden und mich mit nervigen Fragen Löchern. „Jack!", ich identifizierte die Stimme mit der meines Dads und direkt lief mir ein Schauer über den Rücken. „Was willst du?", fragte ich möglichst ruhig. Seine Stimme klang schwach und kratzig, „Jack, können wir uns bitte treffen? Ich werde wahrscheinlich nicht mehr lange haben, sagen die Ärzte", er hustete, „Ich weiß das du immer noch sauer bist, aber so möchte ich nicht mit dir aus der Welt gehen.". Ich biss mir auf die Unterlippe, „Ach jetzt wo du krank bist möchtest du dich entschuldigen oder was? Jetzt hast du ein schlechtes Gewissen?", eine Träne lief aus meinem Auge doch ich versuchte mir nichts anmerken zu lassen, ich versuchte stark zu bleiben. „Jack, ich möchte das ungerne am Telefon besprechen, komm bitte her und wir reden über alles! Ich hatte immer ein schlechtes Gewissen und du warst mir nie egal. Es ist doch Weihnachten, komm...", „Als Onkel Fred gestorben ist, war auch Weihnachten!", ich wischte mir die Träne weg. „Ich weiß ich hab einige Fehler gemacht und ich kann dich nicht zwingen, aber komm bitte vorbei, du würdest es später bereuen wenn ich nicht mehr bin.", er seufzte und hustete dann erneut. „Viel Zeit beliebt mir nicht mehr.", ich wusste nicht was ich sagen sollte und aus Reflex legte ich auf. Langsam und mit zitternder Hand ließ ich das Gerät sinken, ich atmete tief ein und aus, dann drehte ich mich zur Tür und im Rahmen lehnte Joey. „Was machst du hier?", fragte ich ihn und wischte mir eine weitere Träne aus dem Augenwinkel. „Ich wollte nach dir sehen", erklärte er, „Wir sind nicht zusammen!", blaffte ich ihn an und als ich an ihm vorbei ging rempelte ich ihn noch an. Wann checkte er endlich, dass, das zwischen uns keinerlei Zukunft hatte!

Statt zu den anderen zurück zu gehen verschwand ich im Gästeklo und ließ mich auf den Boden sinken. In mir kamen tausende von Fragen auf, aber eine drängte sich penetrant in den Vordergrund, sollte ich ihn besuchen? Ihn, der mir keine Träne hinterher geweint hatte. Ihn, der das Verhalten von Jeff als kleine Geschwisterstreitigkeiten abgetan hatte. Ihn, der mich einfach ersetzt hatte. Aber er war immer noch mein Vater. Ich spritzte mir kaltes Wasser ins Gesicht um einen klaren Kopf zu bekommen.

Als ich das Klo verließ, hatte ich einen Entschluss gefasst. Ich würde ihn besuchen. Einmal würde ich ihn noch sehen, dann würde ich nie wieder was mit diesem Abschnitt meines Lebens zu tun haben!

„Alles gut?", ich drehte mich um, Billie hatte ich wohl übersehen, ich nickte nur, „Ein bisschen Drama, aber gehört zum Leben dazu", versuchte ich meine leichte Rötung an Wangen und Augen weg zu lächeln. „Wenn du über was reden möchtest, kannst du gerne zu mir kommen", bot er an, ich nickte wieder, „Danke für das Angebot, aber ich glaub ich komme klar". Das war schon lieb von ihm, aber wenn man mal den Fakt bedachte, dass ich ihn eigentlich seit Beginn dieser Tour nicht ausstehen konnte und wir uns die ganze Zeit nur verbal am fetzen waren, war das eine ziemlich krasse Wendung. Für meinen Geschmack etwas zu krass und vor allem zu schnell. Ich musste erstmal verdauen, dass ich bei ihm wohnte und jetzt mit seiner Familie, nicht seiner kleinen eigenen, nein, direkt die komplette Großfamilie, beim Weihnachtsessen saß. Die Besprechung meiner Probleme stand da erstmal ganz weit hinten an.

„Das hab ich auch immer gedacht.", ich hatte das Gespräch doch gerade beendet, warum fing er jetzt weiter an? „Was?", fragte ich wiederwillig, „Das ich alles alleine schaffe, das ich niemanden brauche der mir hilft, aber es ist einfacher wenn man gewisse Dinge nicht alleine bewältigen muss". Was wollte er mir jetzt damit sagen? Okay eigentlich eine überflüssige Frage, aber wer denkt er wer er ist? Mein Therapeut? Ein Glückskeks? „Ich hab jetzt nicht sonderlich Lust über meinen Scheiß zu reden und die Ebene haben wir ehrlich gesagt noch nicht das ich mit dir darüber reden wollen würde", versuchte ich jetzt auf die ehrliche Tour der Unterhaltung zu entkommen. Er nickte verständnisvoll, „Das verstehe ich, aber wie gesagt, falls du Hilfe brauchst, melde dich", ich nickte, „Bestimmt", bestimmt nicht!

Wieder an meinem Platz ließ ich den Abend an mir vorbei ziehen, innerlich war ich aber ganz woanders und froh das ich nicht viel reden musste. Gegen kurz vor elf machten wir uns dann endlich auf den Rückweg. Wir quetschten uns wieder zu dritt auf die Rückbank, ich konnte Joeys Parfüm riechen und am liebsten hätte ich mich an ihn angelehnt, ich dachte kurz an den heutigen Morgen zurück, es war schon schön gewesen, aber es durfte nicht sein. Genau in dem Moment wo ich  den Gedanken versuchte abzuschütteln bekam ich eine Nachricht auf mein Handy, von einer Unbekannten Nummer, gleich bei mir im Zimmer? Fand heute morgen sehr schön ; ). Ich wusste nicht was ich davon halten sollte und sah direkt zu Joey rüber, der aber keine Miene verzog und mich nichtmal ansah. Woher hatte er meine Nummer? Wie gut das ich nach Weihnachten mir sowieso eine neue zulegen wollte!

Die Fahrt zog sich leider sehr und es dauerte gefühlt ewig bis wir vor dem Haus der Armstrongs standen. Die Fahrt hatte ich genutzt um mir zu überlegen wie ich mich so unbemerkt wie möglich raus schleichen konnte. Weil auf große Erklärung war ich nicht gerade aus, leider hatte ich noch keinen Masterplan.

Hit the Road JackWo Geschichten leben. Entdecke jetzt