Nervös trommelte ich auf meinen Oberschenkeln rum, nicht mehr lange, dann waren wir dran. Ich saß in einem, für meinen Geschmack viel zu freizügigen Outfit Backsatge und wartete darauf das es los ging, mir war speiübel und am liebsten hätte ich mich einfach hier und jetzt übergeben.
„Noch zehn Minuten!", kam es von Markus und ich stand auf, ich würde das niemals packen! „Ich geh nochmal aufs Klo", sagte ich zu niemandem bestimmtes und verließ den Raum. Draußen auf dem weiß gestrichenen Flur dröhnte es leise von der Konzerthalle her, ich konnte die fast 16.000 Fans mehr als deutlich hören. Also atmete ich tief durch und lehnte mich an die Wand. Ich konnte das nicht! Was wenn ich mich verspielte!? Was wenn ich es irgendwie verkackte?
Plötzlich kam ich mir total albern in meinem Outfit vor, dabei hatte ich es eigentlich sogar ganz gut gefunden als ich kurz nach Silvester mit Maria shoppen war. Es war ein karierter Faltenrock und ein Croptop, mit einem etwas zu weiten Ausschnitt, dazu trug ich noch eine Netzstrumpfhose und meine Doc Martens. Um den Hals hatte ich noch ein paar Ketten hängen und an Haaren sowie Makeup hatte ich mich selbst versucht. Alles in allem sah ich aus wie ein schlechter Avril Lavigne Abklatsch, und ich schämte mich so sehr dafür. Aber für ein Umstyling war es jetzt auch zu spät
Ich hatte gerade meine Atmung in den Griff bekommen da ging die Tür zum Backstageraum auf und die Jungs kamen heraus, „Ey mach dir keinen Kopf Jack! Das wird von Konzert zu Konzert besser mit der Aufregung. Ich zwang mich zu einem Lächeln und trottete den anderen hinterher. Jeder Meter den ich zurück legte, wurden meine Beine schwerer und schwerer. Vor der Bühne zog ich mit zitternder Hand nochmal meinen Lippenstift nach und dann waren es nur noch Sekunden die mich von meiner öffentlichen Hinrichtung trennten.
„Hier, für die Nerven", Jimmy hielt mir ein kleines Glasfläschchen hin, beim zweiten Mal hinschauen erkannte ich das Jägermeister Logo. Er Prostet mir mit einer weiteren Flasche zu und ich schraubte umständlich den Verschluss ab, wir stießen an und ich kippte die Plörre runter. Normalerweise hatte ich eine hohe Toleranz was das Kotzen anging, aber mir kam es hoch und ich konnte es nicht runterschlucken.
Panisch ruderte ich mit den Armen um mich bemerkbar zu machen, da war es allerdings schon zu spät und ich reiherte drauf los und das nächst beste was neben mir stand. Alle, wirklich alle sahen mich geschockt und sprachlos an, nicht nur die Band, sondern auch die Crew. Es war nicht mal das schlimme das ich überhaupt kotzen musste, das Problem war, das ich Jimmy ankotzte und wir in wenigen Minuten auf die Bühne mussten.
Chuck war der erste der was sagen konnte, „Zieh dich schnell um!", das war an Jimmy gerichtet, selbiger rannte wie von der Tarantel gestochen Backstage, ich hätte im Boden versinken können so peinlich war mir das ganze und es hatte jeder gesehen. Ich wurde beiseite genommen und jemand reichte mir eine Flasche Wasser und ein Handtuch, ich wischte mir mit meiner zitternden Hand über den Mund und verwischte auch noch den gerade frisch aufgetragenen Lippenstift. Egal! Gierig trank ich einen großen Schluck Wasser, was mich etwas beruhigte.
„Atme tief durch. Wir bekommen das alles wieder hin", ich sah Chuck traurig an und nuschelte dann, „Ich hab's dir doch gesagt, ich kann das nicht". Das nächste was ich fühlte war Schmerz auf meiner linken Gesichtshälfte, „Verdammt Jack! Jetzt reiß dich verdammt nochmal zusammen! Du gibst doch sonst nicht so schnell auf! Die Leute siehst du nie wieder, also ist es doch egal was die denken!". Wie ein Häufchen Elend stand ich vor ihm und ließ die Standpauke über mich ergehen und ja, er hatte mir gerade wirklich eine geballert. Der Schmerz tat allerdings auf eine komische Art und Weise gut, ich hatte jetzt nicht weniger Angst, aber ich konnte mich irgendwie besser sammeln.
Jimmy kam zurück gerannt und trug jetzt seine normalen Freizeit Klamotten, „Ich hatte nichts anderes mehr", sonst trug er immer irgendein Hemd und eine schwarze Jeans, jetzt hatte er ein dunkelblaues Shirt zu einer hellblauen Jeans an und der schwarze Eyliner den er immer auf der Bühne trug wirkte sehr fehl am Platz.
„Egal Leute! Wir gehen jetzt da raus und rocken das!", Chuck klopfte mir auf die Schulter, „Sorry für die Backpfeife, aber es ging nicht anders", ich nickte nur und rieb mir erneut über die Wange, die immer noch leicht schmerzte. Mit dem Handtuch wischte ich mir so gut es ging den Lippenstift aus dem Gesicht und dann ging es auch schon los.
Die Lichter in der Halle gingen aus und das Intro ertönte, ich umklammerte immer fester meine Drumsticks. Wie wir es heute Nachmittag geprobt hatten, rannte ich als letzte auf die Bühne, ein paar Spotlights huschten wirr über den Boden und ich winkte blind in die Menge und lächelte dabei, mir war allerdings nicht zum Lachen zumute.
Hinter dem Schlagzeug setzte ich mich auf den Hocker und Atmete tief ein. So schwer konnte das doch nicht sein, nur nicht hoch gucken, kein Blickkontakt mit dem Publikum. Ich schlug die Sticks gegeneinander um die anderen einzuzählen, aber mein Hirn konnte nicht auf die nötigen Informationen zurückgreifen die für unseren ersten Song, City by the Bay, nötig waren. Zum Glück übernahm mein Musklegedächtnis und irgendwie schaffte ich es über den ersten Song, sogar ohne einen Fehler. Als Nächstes folgten Girl across the Street und Bittersweet Dreams. Beim vierten Song, Chinatown Crush, wurde ich etwas entspannter und verspielte ich mich prompt, aber es viel wohl niemanden richtig auf.
Der nächste Song hieß Runaway, Chuck schwörte zwar drauf, das der Song nicht von mir handelte, aber der Refrain war schon eindeutig.
Every step that you take
Every move you make
You can't escape
No you can't escape
My little RunawayAber sein persönlichster Song und auch mein Lieblingssong war Lonely Boy. Der Song handelte von seine Exfreundin Ivy. Die beiden waren über drei Jahre zusammen und sie hatte ihn eiskalt betrogen, das war aber nicht das schlimmste, es war Chucks damaliger bester Freund.
Die Hälfte des Sets war geschafft und ich schwitzte Blut und Wasser, leider hatte ich nicht bedacht, das die Scheinwerfer so warm waren. Meine offenen Haare klebten an meinem Kopf und am Nacken. Nächstes Mal musste ich mir auf jeden Fall einen Zopf machen.
Auch die letzten Lieder des Sets und Bridge to Nowhere, Midnight Drive, Sunset Kisses und Do you like me? klappten ohne Probleme. Jetzt musste ich nur noch die Zugabe Spielen die aus den beiden Songs Fever und I never want to write a Lovesong bestand. Das bekam ich auch noch hin!
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Hit the Road Jack
RandomAuf Tour mit Green Day, kann es schöners geben? Für Jack aufjedenfall.