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Die Zukunft ist schon etwas Seltsames. Du kannst sie beeinflussen, doch gleichzeitig ist sie genauso unberechenbar wie das Wetter. Selbst wenn der Wetterbericht strahlenden Sonnenschein verspricht, kann es sein, dass im nächsten Augenblick ein Gewitter aufzieht. Du denkst, du weißt, was am morgigen Tag auf dich zukommt, doch plötzlich macht dir das Universum einen Strich durch die Rechnung und alles ist anders.

Niemand kann einem sagen, was die Zukunft für einen bereit hält und welche Auswirkungen unsere Handlungen auf unsere Zukunft und die unseres Umfelds haben. Ein einzelner Satz, ein Lächeln, eine richtige Entscheidung kann weite Wellen schlagen. Genau wie eine Fehlentscheidung. Doch woher sollen wir wissen, was eine Fehlentscheidung ist?

Merken wir dies nicht erst in der Zukunft, wenn die Entscheidung schon längst unwiderruflich getroffen wurde? Wenn wir an der Situation eh nichts mehr ändern können? Was ist, wenn ich mit meiner Entscheidung mein ganzes Leben zunichtemache?

Ich seufze frustriert auf und klappe meinen Laptop zu. Die Seite der Universität und der verschiedenen möglichen Studiengänge verschwindet und ich lasse mich nach hinten in die Kissen fallen. Vor einigen Tagen habe ich offiziell die Schule beendet und habe nun etliche freie Wochen vor mir, bis ich in ein neues Kapitel meines Lebens starte.

Da gibt es nur ein winziges Problem: Ich habe absolut keine Ahnung, was ich später mal machen möchte. Die ganzen letzten Monate habe ich über nichts anderes mehr nachgedacht. Zahllose Nächte habe ich grübelnd in meinem Bett gelegen und alle Möglichkeiten in meinem Kopf hin und her gewälzt. Alle meine ehemaligen Mitschüler scheinen schon den perfekten Plan für ihr weiteres Leben zu haben. Sie gehen studieren, machen ein Auslandsjahr, oder starten ein FSJ.

Auch ich habe mit dem Gedanken gespielt, ein Auslandsjahr zu machen, doch letztendlich haben sich wieder die Zukunftsängste in meinem Kopf breitgemacht und ich habe die Chance verpasst. Deshalb liege ich nun in meinem Zimmer, während der Regen gegen die Fensterscheibe prasselt und meine Stimmung perfekt beschreibt.

Irgendwann sind die Sommerferien vorbei und ich weiß, dass ich mich eigentlich schon längst an einer Uni hätte anmelden sollen. Ich habe viel mit meiner Mutter geredet, auch über meine Zukunftsängste und sie hat mir vorgeschlagen, vorerst Zuhause wohnen zu bleiben und mir Gedanken zu machen und dann erst zum Sommersemester ein Studium anzufangen. Wenn ich denn studieren möchte.

Meine Schwester Gemma hat schon in der vierten Klasse entschieden, was sie später mal machen möchte und studiert im Moment glücklich Zahnmedizin. Ich beneide sie darum, dass sie ihren Weg geht, weiß was sie möchte und zufrieden mit ihrem Leben ist.

Ich werfe einen Blick auf die Uhr. Es ist 18:57 Uhr, das heißt, Mum hat bald Feierabend. Ich hieve mich vom Bett und trotte die Treppe nach unten in die Küche. Der Regen klatscht noch immer gegen die Fenster und ich freue mich schon darauf, mich in wenigen Stunden in meinem Bett zu verkriechen und zu schlafen. Im Schlaf denkt man wenigstens nicht nach. Es ist für mich eine der wenigen Möglichkeiten meinem ständigen Gedankenkarussell zu entfliehen.

Ich fülle Wasser in einen Topf, stelle ihn auf den Herd und warte bis es blubbert, bevor ich die Nudeln hineinschütte. Dann kommt der Deckel auf den Topf und ich mache mich daran, den Tisch zu decken. Ich decke ihn für bloß zwei Personen, mein Stiefvater Robin besitzt als Anwalt seine eigene Kanzlei und arbeitet meist bis spät nachts. Mum dagegen hat schon immer weniger gearbeitet, um sich um Gemma und mich zu kümmern.

Sie arbeitet in einem Kinderhospiz und ist meistens ziemlich erledigt, wenn sie von der Arbeit wiederkommt. Nicht nur körperlich, sondern auch psychisch. Der tägliche Umgang mit todkranken Menschen, noch dazu so jungen, die ihr ganzes Leben eigentlich noch vor sich haben, zerrt an einem. Nicht selten bringt Mum ihre Arbeit auch mit nach Hause und braucht jemanden, der ihr einfach nur zuhört.

Den Sternen so nah - Larry StylinsonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt