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Den gestrigen Nachmittag haben Louis und ich in einem kleinen Café nahe der Galerie verbracht. Wir haben uns mit Kuchen vollgestopft und einfach das ungewohnte Gefühl der Freiheit genossen. Abends lagen wir zusammen auf der Couch, bis Louis in meinen Armen eingeschlafen ist. Der gestrige Tag war, auch wenn wir nicht vielen körperlichen Anstrengungen ausgesetzt waren, sehr kräftezehrend. Vor allem für Louis. Deswegen habe ich heute Morgen Frühstück gemacht und meinem Freund ans Bett gebracht.

Nach einem gemütlichen Aufstehen haben wir uns fertig gemacht und sind jetzt zu Fuß unterwegs zum nahe gelegenen Strand. Louis sitzt in schwarzer Jogginghose und meinem schwarzen Treat-People-with-Kindness-Hoodie im Rollstuhl und hat die Kapuze über seine rote Beanie gezogen, während ich seinen grünen Adidas Hoodie trage und ihn über die Promenade schiebe. Ein kleiner Bretterweg führt hinunter zum Wasser und wir holpern darüber.

Der Wind zerrt an unseren Klamotten und ich bin froh, meine Locken zu einem Dutt zusammengebunden zu haben. Lediglich einzelne Strähnen, die sich gelöst haben, werden kreuz und quer in mein Gesicht geweht. Einige Möwen ziehen kreischend ihre Kreise und übertönen das Meeresrauschen.

Der Strand ist wie leergefegt. Kein Wunder bei diesem Wetter. Eine dicke Wolkenschicht hängt am Himmel und lässt der Sonne keine Chance, die herbstlichen Temperaturen anzuheben. In einiger Entfernung hat es sich trotz allem eine Familie mit zwei kleinen Kindern bequem gemacht und ein einzelner Spaziergänger tobt sich mit seinem Hund am Wasser aus.

„Links oder Rechts?" Wir haben das Ende des Bretterweges erreicht und um uns herum erstreckt sich nichts weiter als Sand. „Links" Ich nicke und helfe Louis beim Aufstehen. Wir drehen der Familie, die sich für rechts entschieden hat, den Rücken zu und ich klappe Louis' Rollstuhl zusammen und klemme ihn mir unter den Arm. Louis hält sich an meinem anderen Arm fest und hüpft durch den Sand.

„Geht's oder soll ich dich tragen?" „Alles gut, Haz. Du hast ja auch noch den Rucksack. Ich schaff das schon." Ich nicke, versuche jedoch, Louis so gut es geht zu unterstützen. Als wir ein gutes Stück vom Weg entfernt sind, lassen wir uns nieder und ich breite die karierte Picknickdecke im Sand aus. Louis krabbelt sofort darauf und zieht sich Schuh und Socke aus, während ich den Rucksack und Rollstuhl ablade und ebenfalls auf der Decke verstaue.

Dann schlüpfe ich ebenfalls aus meinen Chucks und Socken, in denen sich mittlerweile schon eine ordentliche Menge an Sand gesammelt hat. Ich ziehe Louis zu mir und er macht es sich zwischen meinen Beinen bequem. Sein Rücken lehnt an meiner Brust und meine Hände wandern in die Bauchtasche seines Hoodies. Louis lehnt seinen Kopf gegen mein Schlüsselbein und hält seine Nase glücklich in den Wind. Die Luft riecht nach Meer. Ein sanftes Lächeln legt sich auf seine Lippen, was auch mich zum Lächeln bringt.

„Ich war schon lange nicht mehr am Strand." „Ich auch nicht", stimme ich meinem Freund zu und genieße die Landschaft um uns herum. „Das letzte Mal als Gemma und ich noch ganz klein waren. Zusammen mit Bens Familie." Ich muss schlucken und Louis' Hände wandern zu meinen in die Tasche. Seine Fingerspitzen streichen sanft über meine. „Wie sieht das jetzt eigentlich aus mit Ben...und dir?"

Louis' Tonfall ist nicht neugierig, nicht drängend. Ich weiß, dass ich ihm keine Antwort geben muss. Dass er mich nicht drängt, mit ihm zu sprechen. „Er hat sich nicht mehr gemeldet." Ich schlucke erneut und warte auf den bitteren Schmerz in meiner Brust. Doch er bleibt aus. Ich bin Ben nicht mehr böse. Ich bin ganz einfach über ihn hinweg. Auch wenn das alles andere als einfach war.

„Und wie geht es dir damit?" „Ich weiß nicht. In diesem Moment könnte es mir nicht besser gehen." Ich drücke Louis einmal kurz fest an mich. „Ich habe mich damit abgefunden und bin über ihn hinweg. Der Schmerz ist weg." „Ich bin stolz auf dich, Haz." An seinem Tonfall kann ich hören, dass Louis lächelt. Ich drücke ihn ein weiteres Mal eng an mich und schließe die Augen. „Danke."

Den Sternen so nah - Larry StylinsonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt