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Irgendetwas Eckiges, was sich schmerzhaft in meine Wange drückt, lässt mich am nächsten Morgen die Augen öffnen. Grummelnd taste ich im dämmrigen Licht nach dem Gegenstand und halte kurz darauf mein Handy in der Hand. Es leuchtet hell auf und ich kneife die Augen reflexartig zusammen. Auf dem Display wird noch immer ein laufender Anruf angezeigt und meine Gedanken schweifen zurück zum gestrigen Abend. Andy.

Ich stelle den Lautsprecher an und höre gleichmäßige Atemzüge. Ein kleines Lächeln schleicht sich auf meine Lippen, während ich mir einen schlafenden Andy vorstelle. Ich murmele ein leises „Guten Morgen", um ihn bloß nicht zu wecken, bringe es dann aber doch nicht übers Herz, einfach so aufzulegen. Also schreibe ich ihm eine kurze Guten Morgen Nachricht und überwinde mich dann schließlich doch, die rote Taste zu drücken.

Ich befreie mich strampelnd von der Bettdecke und stehe auf. Im Halbdunkeln schlüpfe ich in eine Jogginghose und einen Hoodie, ehe ich ins Wohnzimmer tapse. Dort liegt Louis noch immer schlafend auf dem Sofa. Vorsichtig kuschele ich mich neben ihn und schlüpfe mit unter die Decke. Louis dreht sich im Schlaf zu mir und brummt zufrieden, während er seinen Kopf auf meine Brust bettet. Ich streiche ihm lächelnd über die Wange und zupfe seinen Sauerstoffschlauch zurecht. Dann schlinge ich meinen Arm um ihn und beobachte ihn beim Schlafen.

Nach etwa einer halben Stunde, räkelt Louis sich und öffnet müde die Augen. „Na du." Ich stupse mit meiner Nase gegen seine. „Guten Morgen", nuschelt Louis und schließt die Augen wieder. „Hey, wir müssen langsam mal aufstehen." Ein Schmunzeln wandert über mein Gesicht, als Louis sich die Decke über den Kopf zieht. „Lou, unser Flieger hebt in vier Stunden ab."

Nach einigen weiteren Minuten voller Gebrummel seitens meines Freundes, befinden wir uns schließlich doch in der Küche und Frühstücken. Louis scheint keinen allzu großen Appetit zu haben, doch er isst zumindest ein halbes Brötchen und scheint auch sonst wieder in einer besseren Verfassung zu sein als gestern.

Nach dem Essen packen wir unsere Sachen zusammen und ich schleppe das Gepäck ins Auto, während Louis mit seinem Vater telefoniert. Auch die Fahrt zum Flughafen verbringt Louis am Telefon. Doch beim Boarding verabschiedet er sich von seinem Vater und steckt das Handy weg.

„Tut mir leid, dass ich die letzten Stunden unseres Trips damit verbracht habe, mit meinem Vater zu telefonieren." Er sieht mich traurig an und ich schenke ihm ein sanftes Lächeln. „Alles gut, Lou. Dein Vater hat sich bestimmt gefreut, ein bisschen Zeit mit dir zu verbringen, selbst wenn es nur übers Telefon war." Louis' Gesicht hellt sich auf und er nickt. „Ja, das hat er bestimmt." „Das ist schön." Ich ziehe Louis in meine Arme und drücke ihm einen Kuss auf die Stirn. „Und ich habe jetzt ja noch einen ganzen Flug Zeit, die letzten Stunden unseres Trips mit dir zu genießen." Louis nickt lächelnd und erwidert die Umarmung.

Einigen Stunden später haben wir wieder sicheren Boden unter den Füßen und befinden uns zurück in Doncaster. Jay holt uns vom Flughafen ab und bringt mich nach Hause. Ich verabschiede mich von den beiden, sage meinen Eltern kurz Hallo und verschwinde dann direkt in meinem Zimmer. Den Koffer kann ich auch noch morgen auspacken, jetzt ist meine erste Priorität etwas Schlaf zu bekommen.

Am nächsten Morgen wache ich ausgeschlafen auf und mache mich gegen Mittag auf den Weg zu Louis. Zusammen fahren wir mit dem Bus in die Innenstadt. Wir wollen Fotos ausdrucken und ein Erinnerungsalbum basteln.

„Weißt du noch unsere erste gemeinsame Busfahrt?" Louis sieht mich abwartend an, während der Bus zurück in Richtung Louis' Zuhause rollt. Ich nicke und durchlebe den Nachmittag in Gedanken erneut. „Da hast du mir das erste Mal gesagt, dass ich etwas Besonderes bin." Louis' Wangen nehmen einen sanften Rotschimmer an, genau wie damals. „Daran kannst du dich noch erinnern?" „Natürlich." Louis nickt eifrig. „Und deinen Creepy-Blick mit dem du die alten Leute aus dem Bus vertrieben hast werde ich auch ganz bestimmt niemals vergessen."

Ein Grinsen breitet sich auf Louis' Gesicht aus und ich schüttele amüsiert den Kopf. „Das ist alles schon eine ganze Weile her...ich hätte damals nie auch nur im Traum dran gedacht, dass wir Beide mal so enden." Louis sieht mich nachdenklich an. „Wie enden wir Beide denn?" „Zusammen. Glücklich. Verliebt. Reicht dir das?" Ich ziehe eine Augenbraue in die Höhe und mustere Louis schief grinsend. „Ach, ich finde, du könntest damit ruhig noch ein wenig fortfahren", erwidert dieser schmunzelnd und ich buffe ihn kopfschüttelnd gegen die Schulter.

„Komm, wir müssen die nächste Haltestelle raus." Ich helfe dem noch immer lachenden Louis durch den schmalen Gang im Bus und schließlich beim Aussteigen. „Danke, Hazzie." Louis reckt sich und drückt mir einen Kuss auf die Wange, bevor wir zurück zu dem Haus der Tomlinsons schlendern. Gerade als Louis die Tür aufschließt, beginnt es zu regnen und wir flüchten uns gerade rechtzeitig ins Trockene. Während Louis das noch leere Fotoalbum, Fotoecken und die ausgedruckten Fotos auf dem Tisch im Wohnzimmer ausbreitet, koche ich uns Beiden einen Tee.

Die nächsten Stunden verbringen wir damit, die Fotos einzukleben, zu beschriften, Tee zu schlürfen und nebenbei ganz viel Quatsch zu machen. Wobei letzteres eher Louis betrifft und nicht mich. Gerade befinde ich mich zum Beispiel mitten in einer Attacke bestehend aus den Rückseiten der Fotoecken wieder. „Louis", lache ich und versuche nach seinen Handgelenken zu greifen und ihn abzuwehren.

Doch Louis ist flinker und springt auf. Während ich mir die kleinen weißen Dinger aus den Haaren fische, kommt Louis zu mir um den Tisch herum gehüpft und schlingt die Arme von hinten um mich. „Sorry Hazzie", nuschelt er in meine Haare, doch ich kann das Grinsen aus seiner Stimme heraushören. Ich stupse ihm gegen die Wange, bevor ich ein Stückchen vom Tisch wegrutsche und Louis auf meinen Schoß ziehe.

„Lass uns das fertige Album doch mal angucken." Louis nickt eifrig und macht es sich bequem. Ich streiche über seinen Oberschenkel und beobachte nebenbei seine filigranen Finger, die das Album aufschlagen. Die folgenden Seiten hüllen uns ein in warme Erinnerungen an vergangene Tage. An Erlebnisse und Momente, die ich nie wieder vergessen werde. Es ist fast so, als erleben wir all diese Momente erneut.

Als wären wir erneut auf dem kleinen Spielplatz hinter Louis' Haus und würden uns gegenseitig fotografieren. Zu dem Zeitpunkt kannten wir uns noch fast gar nicht. Wir waren quasi Fremde. Verrückt, was sich in den letzten Monaten daran geändert hat. Wie aus einem Fremden der wichtigste Mensch in meinem Leben werden konnte. Ein Vertrauter. Ein Geliebter.

Wir erleben erneut unseren Ausflug in den Zoo. Den Tag, an dem ich Louis durch das gesamte Gebäude getragen habe, da dort keine Fahrstühle vorhanden waren. Der Tag, an dem Louis meine Strickjacke bekommen hat, weil ihm so kalt war und er mir die Wolldecke im Rollstuhl verschwiegen hat, um an meine Klamotten zu kommen.

Danach folgt das Bild von Louis, Andy und mir, wie wir zu dritt auf dem Sofa sitzen und Louis es sich auf Andy und mir bequem gemacht hat. Ich liebe dieses Bild. Zwei der wundervollsten Menschen in meinem Leben auf einem Bild vereint. Mit mir dazwischen.

Wir erleben unseren Campingtrip erneut. Den Ausflug, der alles verändert hat. Der Louis und mich zusammengebracht hat. Das Foto, das ich morgens heimlich im Zelt von Louis gemacht habe. Genauso wie das Bild von Louis, wie sein Kopf in meinem Schoß ruht, als ich ihn im Krankenhaus besucht habe. Der Tag, an dem Louis seinen Wunsch geäußert hat, die Sterne aus der Nähe zu betrachten. En Wunsch, den wir ihm vor einigen Tagen erfüllt haben.

Danach folgen Bilder von Louis, mit seiner Gitarre auf dem Schoß und natürlich von unseren Fotoshooting mit Zayn. Zwei Liebende, festgehalten für die Ewigkeit. Den Abschluss bilden Schnappschüsse aus Kanada. Danach folgen einige leere Seiten. Louis lehnt seinen Kopf an meine Brust und schließt die Augen.

„Ich glaube, ich habe gerade deine Liebe für Fotografie verstanden", murmelt er leise und ich streiche ihm sanft über den Oberschenkel. „Diese Momente da auf dem Papier halten so viele Erinnerungen und Gefühle fest...Auch wenn sie schon längst vorbei sind...in dem Augenblick, in dem man sie sich anschaut, da fühlt man sich, als wäre keine Sekunde vergangen." Ich nicke stumm und drücke Louis einen Kuss auf die Lippen. „Als wäre keine Sekunde vergangen und alles wäre noch genauso wie in dem Moment. Als würde es für immer so bleiben." „Was reine Illusion ist", brummt Louis und ich nicke wehmütig. „Aber eine schöne Illusion."

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Den Sternen so nah - Larry StylinsonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt