Vor Angst erstarrt stand ich da und hielt mir noch immer mein Handy ans Ohr, so als ob ich damit rechnen würde, schon wieder einen Anruf von Hannahs Entführer zu erhalten, doch nichts geschah. Nach einer gefühlten halben Ewigkeit taute ich langsam auf, ließ mein Handy sinken und versuchte, zu meinem Bett zu gehen. Anscheinend hatte ich die Kontrolle über meinem Körper noch nicht komplett wiedererlangt, denn ich schwankte bedrohlich, gab deshalb meinen ursprünglichen Plan auf und ließ mich an Ort und Stelle auf dem Boden nieder. Mir war bewusst, dass ich kurz vor einem Nervenzusammenbruch war, schließlich war er bei mir ja schon längst überfällig.
In meinem Kopf herrschte das reinste Durcheinander. Ich versuchte zwar, einen klaren Gedanken zu fassen, allerdings schwirrte mir zu viel im Kopf herum. Die Angst um meine neuen Freunde, die ich erst vor einigen Tagen - warte, es waren erst Tage? Es fühlte sich an wie Monate - kennengelernt hatte, schnürte mir die Kehle zu und machte es mir unmöglich, tief durchzuatmen. Ich werde sie alle töten waren die Worte, die mir der Entführer, von dem ich Drohanrufe erhielt, in seinem letzten Telefonat sagte. Er würde ihnen nur weh tun, um mich damit zu verletzen. Ein Kloß bildete sich in meinem Hals, die Tränen liefen mir über die Wange.
Ich hasste es, sie alle solch einer großen Gefahr auszusetzen, ich hasste mich dafür, ihr Leben aufs Spiel zu setzen. Und für was das Ganze? Wir waren, was Hannah betrifft, nun kein Stückchen weiter als zuvor und zudem kannte ich nicht einmal Hannah. Du kennst sie vielleicht nicht, aber sie dich, rief mir eine leise Stimme in Erinnerung. Klar, sie musste ja meine Nummer irgendwoher haben, sonst hätte sie die gar nicht an Thomas schicken können. Aber der Entführer könnte auch die Nachricht von Hannahs Handy aus geschrieben und abgeschickt haben. Und warum? Das war eine sehr gute Frage, doch mir viel keine passende Erklärung dafür ein.
Auch wenn Jake, der mysteriöse Hacker, noch immer der Meinung sei, dass ich eine Schlüsselrolle in dem ganzen Fall spielen würde, war ich nicht überzeugt. Ich wollte ihm aber deswegen nicht die Hoffnung rauben, immerhin stand für ihn auch viel mehr auf dem Spiel. Seine kleine Halbschwester, die nicht einmal wusste, dass sie einen Halbbruder hat, wurde schließlich entführt.
Jake schrieb nicht viel über seine Gefühle, aber ich war besser darin als er, Gefühle durch reinen Text zu erkennen. So konnte er nicht verstecken, wie furchtbar besorgt er eigentlich war und das er sich selbst die Schuld an ihrer Entführung gab. Er tat mir einfach so leid, aber Jake war keine Person, die offen mit anderen über sowas sprechen würde, was ich auch bis zu einem gewissen Grad nachvollziehen konnte. Aber ich dachte, dass etwas zwischen uns wäre... das entnahm ich zumindest der Nachricht der Hellseherin im Dark Forum. Ich weiß, keine sehr sichere Quelle, doch in solchen Zeiten war ich wahrscheinlich bereit, alles zu glauben. Es konnte sich dabei nur um Jake handeln, jemand anderes käme mir gar nicht in den Sinn.
Vielleicht bewies aber das auch nur, wie besessen ich von Jake war, er war eben so... anders. Ja, dieses Wort beschrieb ihn am besten. Er war so faszinierend und interessant und... ein Geheimnis, welches ich nur allzu gerne lüften würde, denn niemand kennt die wahre Identität von ihm oder hat jemals sein Gesicht gesehen, wahrscheinlich nicht einmal seine Verfolger.
Ich seufzte. Auch ohne die Tatsache, dass Jake ein von der Regierung gesuchter Hacker ist, wäre es schon schwierig genug, mit ihm eine Beziehung zu führen, aber so ist das nahezu unmöglich. Warte mal, worüber dachte ich da nach? Mit einem Mann zusammen sein zu wollen, den ich nicht einmal kannte, dem ich nie persönlich begegnet war? Der ganz nebenbei auch noch ein Genie ist.
Nach der Sache mit meinem Halbbruder vor 12 Jahren waren solche Gedanken eigentlich immer mehr als nur unwahrscheinlich gewesen, doch hatte ich mein Herz nun wirklich ausgerechnet einem Hacker geschenkt? Wenn das so ist, muss ich natürlich einiges überdenken. Tiefer Schmerz durchfuhr mich. Selbst wenn Jake sich für eine Beziehung bereit erklären würde, war ich mir alles andere als sicher, ob ich denn überhaupt bereit dafür war. Ich hatte noch nie eine Beziehung geführt und meine erste Beziehung mit so einer speziellen Person.... Ich werde ihn erst, nachdem der Fall abgeschlossen ist, fragen, was das zwischen uns ist. Oder vielleicht auch gar nicht. Vielleicht wäre es besser so.
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𝙳𝚞𝚜𝚔𝚠𝚘𝚘𝚍 ~ 𝚈𝚘𝚞 𝙰𝚛𝚎 𝚃𝚑𝚎 𝙺𝚎𝚢
FanfictionJulia hält es nicht mehr aus. Nach einem verhängnisvollen Anruf lässt sie alles stehen und liegen und fährt mit dem nächsten Zug nach Duskwood, um vor Ort ermitteln zu können. Allerdings hatte sie nicht damit gerechnet, dass ihr Aufenthalt in Duskwo...