Nervös stand ich vor dem Black Swan und wartete. Eigentlich hätte ich mich nicht auf dieses Treffen einlassen sollen, es ist gefährlich, wenn ich länger an einem Ort bleibe und ich bin schon viel zu lange hier. Aber ich kann hier nicht einfach weg, erstens ist hier meine Halbschwester und zweitens muss ich doch sichergehen, dass Julia nichts passiert. Auch wenn sie nicht will, dass ich auf sie aufpasse.
Ich sah mich um und erblickte Lilly, welche sich nach mir umsah. Dann schaute sie mich fragend an, ich nickte und ging auf sie zu. "Hallo Lilly", begrüßte ich sie, während ich ihr meine Hand hinhielt, welche sie misstrauisch beäugte, bevor sie mich einfach in eine feste Umarmung zog und "Hallo Jake" murmelte. Okaaay, mit so einer Begrüßung hatte ich nicht gerechnet, aber ich nehme an, dass Lilly ihre Schwester einfach nur so sehr vermisste und jetzt generell etwas anhänglicher ist. Deshalb ließ ich auch diese stürmische Begrüßung mit viel zu viel Körperkontakt über mich ergehen, bis sich Lilly schließlich von mir löste. "Oh sorry, ich wollte nicht so stürmisch sein." "Ach was, war ja nicht soo schlimm", winkte ich ab und ging mit Lilly ins Restaurant.
Wir warteten, bis wir an einen Tisch geführt wurden und ich setzte mich gegenüber von Lilly hin. "Du siehst anders aus, als ich es mir vorgestellt hatte, irgendwie besser", meinte Lilly nach einer Weile achselzuckend. Was soll ich denn mit dieser Aussage anfangen? "Ähm danke, schätze ich. Du siehst genauso aus, wie ich es mir vorgestellt habe." Wow, bestes Gespräch ever. Aber was erwartet man auch von mir? Jeder weiß, wie schlecht ich im Smalltalk führen bin. Lilly lachte auf. "Ja, das glaube ich dir. Obwohl du dir wahrscheinlich nicht einmal vorgestellt hast, wie ich aussehe, weil du dich einfach auf Hannahs oder meinem Handy eingehackt hast." Lilly ist echt klug, das muss ich ihr lassen. "Da könnte etwas dran sein", sagte ich, leugnen wäre zwecklos, sie wusste es ja sowieso schon.
Zum Glück kam in diesem Moment ein junger Mann und gab uns die Speisekarte. Mir entging nicht der Blick, den er dabei auf Lilly warf und nein, mir war es nicht egal, denn sie ist meine kleine Halbschwester. Ich merkte, wie sich mein Körper anspannte und versuchte, mich zu beruhigen. Solange ich bei Lilly war, würde er ihr wahrscheinlich sowieso nichts antun. Ich kannte diesen Blick von meinem besten Kumpel damals, als er Mädchen zum Vergessen benutzt hat. Der Typ kann sich diese dumme Idee sofort wieder aus dem Kopf schlagen. Er ging wieder und Lilly sah mich fragend an.
"Was war das denn eben? Kennst du den Typen oder warum hast du den so angesehen, als ob du ihn umbringen willst?" Lilly lachte unsicher, anscheinend machte ihr mein Verhalten Angst. Ich seufzte. "Es ist nichts, er hätte nur nichts dagegen, mit dir ins Bett zu springen." Das habe ich gerade nicht wirklich so ausgesprochen, oder? Lilly starrte mich mit offenen Mund an. Shit, ich habe das laut ausgesprochen. Gott, wie peinlich, normalerweise bin ich nicht so direkt. Ich wurde knallrot und fuhr mir mit meinen Fingern durch meine Haare. "Es tut mir leid, ich wollte das eigentlich nicht so direkt sagen", stotterte ich. Das kann ja mal heiter werden. "Ich war nur etwas überrascht, ähm danke, dass du mir das gesagt hast." Lilly kratzte sich verlegen am Nacken.
Da kam schon der widerliche Typ von vorhin wieder hergedackelt. Ich würde später mal ein Wörtchen mit ihm reden, wenn er nicht aufhört, meine kleine Halbschwester so anzustarren! "Ihre Bestellung bitte?" Natürlich richtete er sich dabei hauptsächlich an Lilly und schenkte ihr ein schleimiges Grinsen, bei dem sie ihr Gesicht verzog. Lilly schlug ihre Speisekarte auf und blätterte auf die Seite mit den Getränken, ich machte es ihr nach. "Also ich hätte gerne eine Cola zum Trinken und du Jake?" Widerwillig drehte sich der Typ zu mir. "Ich hätte gerne das gleiche." Gelangweilt schreibt er sich das auf. "Habt ihr schon gewählt, was ihr essen wollt?" Lilly blätterte wie wild in der Speisekarte herum, dann grinste sie teuflisch. Was hat sie vor? "Ich hätte gerne einen Burger mit Salat, Zwiebeln, Tomaten, Gurken, etc. und dazu noch Pommes." "Sehe ich so aus, als ob ich bei McDonalds arbeiten würde? Sie sind hier in einem Restaurant und nicht in einer Imbissbude!" Der Typ hatte schon einen knallroten Kopf. Ich musste mein Lachen unterdrücken. Lilly ließ sich von seiner Ansprache nicht beirren. "Ist hier etwa niemand in der Lage, einfache Burger zuzubereiten? Also ich dachte, das wäre gar nicht so schwer." Zum Glück kann der Typ nicht mein Gesicht sehen, es war echt schwierig, nicht laut loszuprusten. Schließlich gab der Typ nach und wandte sich mir zu. "Ich hätte gerne eine Peperoniwurstpizza", sagte ich schmunzelnd, denn dieses Spiel würde ich liebend gerne mitspielen. Der Typ seufzte und versuchte gar nicht mehr, darüber zu diskutieren, er ging endlich weg. Lilly prustete nun los und ich fiel unwillkürlich mit ein. Sie wischte sich ihre Lachtränen aus den Augen. "Ich muss mal kurz für kleine Mädchen", sagte Lilly noch immer kichernd. Ich deutete ihr mit einer Handgeste, dass sie sich nicht von mir aufhalten lassen sollte.
Ich nutzte die Gelegenheit und suchte nach diesem widerlichen Typen; er bediente gerade eine Familie. Mit meiner Hand winkte ich ihn zu mir, augenrollend kam er zu meinem Tisch. "Was wollen Sie?", fragte er genervt. Ich grinste, dann wurde ich ernst. "Hören Sie mir zu, wenn Sie auch nur noch einmal meine kleine Schwester so anstarren, werden Sie es bereuen. Und wehe, Sie fassen sie an, ich könnte sonst für nichts garantieren." Ich sprach zwar leise, aber die Botschaft kam bei dem Typen an. Er starrte ängstlich zu mir herunter und ich drückte ihn noch einen 100er in die Hand, bevor er wieder ging.
Nur wenige Sekunden später kam Lilly wieder zurück. "So, tut mir leid, dass das so lange gedauert hat, aber jetzt bin ich wieder da." Sie lächelte mich freundlich an. "Kann ich dir ein paar Fragen stellen?" Ich überlegte, ich würde Lilly ganz sicher nicht so offen sein wie ich es bei Julia war. Aber es wäre auch unfair, wenn ich mich komplett verschließen würde, sie ist immerhin meine Halbschwester. "Kommt ganz auf die Fragen an. Du weißt, dass ich dir einiges nicht beantworten kann, weil das zu gefährlich wäre." Lilly nickte. "Damit kann ich leben, sag es mir dann einfach. Also, ich nehme an, du willst mir nicht erzählen, was du verbrochen hast, dass du von der Regierung gesucht wirst?" Ich schüttelte den Kopf. "Na gut, ein Versuch war's wert. Aber du wirst mich sicherlich verraten können, was du vor Julia verheimlichst." Geschockt starrte ich Lilly an, das war jetzt doch nicht ihr Ernst? "Guck mich nicht so an, Julia hat mir erzählt, dass du sie belogen hast und ich möchte wissen, ob du wenigstens einen guten Grund dazu hattest." Stöhnend ließ ich meinen Kopf in meine Hände sinken. "Natürlich hatte ich einen guten Grund dafür, als ob ich ihr sonst jemals so wehgetan hätte", nuschelte ich. Lilly sah mich ungläubig an. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass das Geheimnis so schlimm ist, dass du sie so verletzen musstest. Du bedeutest ihr echt viel und ich glaube, ihr würdet ein süßes Paar abgeben. Du solltest es ihr sagen", fügte Lilly noch hinzu.
Ich sah zu ihr auf und erwiderte verzweifelt: "Das geht so aber nicht! Es ist zu gefährlich für sie. Deshalb beende ich es lieber, bevor es sich überhaupt zu etwas entwickeln kann. Sie musste sogar wegen mir schon einen Schlag von einem Polizisten einstecken! Sie ist in meiner Nähe nicht sicher und ich will nicht, dass sie so ein Leben wie ich führen muss, sie kann noch so viel in ihrem Leben erreichen!" "Was? Sie wurde von einem Polizisten geschlagen?" Ich nickte. "Das erklärt auch die Schramme in ihrem Gesicht." Ich atmete tief durch. "Siehst du? Es ist zu gefährlich", sagte ich entmutigt und ließ meinen Kopf hängen. "Sag mir nur eins Jake: Liebst du sie?" Bevor ich antworten konnte, wurde ich schon rot und Lilly ahnte schon, wie meine Antwort ausfallen würde, doch sie wollte anscheinend, dass ich es ausspreche. Ich seufzte. "Ja, ich liebe sie, aber das mit uns hat einfach keine Zukunft."
Lilly schaute mich böse an. "Wenn du nicht um sie kämpfst, habt ihr wirklich keine gemeinsame Zukunft! Sie liebt dich du Blödmann, soll sie sich das etwa auf ihre Stirn schreiben? Man merkt es ihr an, wenn es um dich geht. Und bei deiner Einstellung kann ich auch verstehen, weshalb sie dir das nicht sagt. Du stehst ja auch nicht zu deinen Gefühlen. Sag Julia einfach die verdammte Wahrheit und versöhne dich wieder mit ihr. Meinetwegen könnt ihr auch noch schönen Versöhnungssex haben." Okay, ich dachte nicht, dass mein Gesicht noch röter werden könnte. "Aber du musst um sie kämpfen, sie wird nicht ewig auf dich warten." Ich schluckte nervös, denn ich war einfach nicht in der Lage, ihr die Wahrheit zu sagen. Und dann gäbe es immer noch das Problem mit ihrer Sicherheit. Solange ich verfolgt werde, würde sie auch in Gefahr sein, sie ist ein Druckmittel gegen mich. "Ich kann ihr das nicht antun", flüsterte ich. "Die Wahrheit würde sie zu sehr aufwühlen und sie wäre dann immer noch in Gefahr." Lilly verdrehte ihre Augen. "Julia ist stärker, als sie aussieht, du willst nur nicht so verletzbar durch sie sein. Du willst immer nur die Kontrolle haben, aber du musst damit aufhören. Überleg dir einfach etwas, damit du nicht mehr in Gefahr bist. Aber komme nicht mit so dummen Ausreden! Kämpfe um sie, bevor sie dir von Phil oder von jemand anderen weggeschnappt wird!"
DU LIEST GERADE
𝙳𝚞𝚜𝚔𝚠𝚘𝚘𝚍 ~ 𝚈𝚘𝚞 𝙰𝚛𝚎 𝚃𝚑𝚎 𝙺𝚎𝚢
FanfictionJulia hält es nicht mehr aus. Nach einem verhängnisvollen Anruf lässt sie alles stehen und liegen und fährt mit dem nächsten Zug nach Duskwood, um vor Ort ermitteln zu können. Allerdings hatte sie nicht damit gerechnet, dass ihr Aufenthalt in Duskwo...