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Erschrocken wachte ich auf und atmete tief ein und aus. Ich hatte mal wieder einen Alptraum, allerdings erinnerte ich mich nur noch daran, dass ich irgendwo im Wald war und schreckliche Angst hatte. Langsam streckte ich mich, machte mich dann aber zügig auf ins Bad, um mir ein bisschen kühles Wasser ins Gesicht zur Beruhigung zu spritzen. Ich dachte zumindest, dass ich mich dadurch beruhigen würde, aber das funktionierte nicht so wie geplant. Die ganze Zeit fühlte ich mich genauso ängstlich wie in meinem Traum und die Unwissenheit, worum es in meinem Traum ging, machte es auch nicht besser. Nach meiner morgendlichen, heißen Dusche fühlte ich mich schon gleich ein bisschen besser und ich überlegte, was ich heute unternehmen sollte.

Vielleicht sollte ich mich Dr. Ulric Barret unterhalten. Sein Verhalten ergab für mich noch immer keinen Sinn und soweit ich weiß, hatte immer noch niemand mit ihm gesprochen, vor allem nach unseren neuen Erkenntnissen nicht. Seine Praxis war auch nicht besonders weit entfernt, also gab es keinen Grund, weswegen ich nicht hingehen sollte. Außerdem könnte ich auch so erfahren, weshalb ich mich nicht an meine eigene Halbschwester erinnern konnte. Es machte mich nämlich traurig zu wissen, dass ich meine große Schwester kennengelernt habe, sie gestorben ist und ich mich jetzt nicht einmal an sie erinnern kann. Er als Psychologe könnte mir sicherlich sagen, welche Ursachen es dafür geben könnte und dann wäre ich der Lösung meines Problems schonmal einen Schritt näher.

Sollte ich Jake einweihen? Nein, lieber nicht. Bei meinem Glück würde er mich nicht gehen lassen, weil er ja nicht will, dass ich die Wahrheit herausfinde. Aber für mich ist es wichtig und ich würde mich ganz sicher nicht von Jake daran hindern lassen. Er macht doch auch immer das, was er will, wieso sollte ich es dann nicht auch tun?

Also zog ich mich schnell um, packte mein Handy und meinen Geldbeutel ein, nahm noch eine Jacke mit und verließ mein Zimmer. Ich lief die Treppen hinunter und wollte gerade das Motel verlassen, als eine mir bekannte Stimme meinen Namen rief. "Julia?" Seufzend drehte ich mich um, ich hätte mir doch denken können, dass Lilly mich sehen würde. Schließlich hatte Ms. Walter nur Lilly und Grey als Angestellte. "Hi Lilly", begrüßte ich sie halbherzig. "Jake hat dich also wirklich rausgeholt", murmelte Lilly vor sich hin. Ich bejahte. Lillys Augen funkelten misstrauisch, als sie fragte: "Und wohin wolltest du gerade gehen?" Ich schüttelte den Kopf. "Vergiss es Lilly, das werde ich dir nicht verraten. Jake weiß auch nicht, wohin ich gehe, beziehungsweise weiß er noch nicht mal, dass ich das Motel verlasse, und das soll auch so bleiben", spielte ich auf gestern an, als sie ihm erzählt hat, dass ich festgenommen wurde. "Ach komm schon Julia, sei nicht so nachtragend. Du weißt doch sicher, was für einen Welpenblick Jake drauf hat, wenn er bettelt." Nein, habe ich nicht. Ich war nämlich so klug und habe ihm einfach nicht in die Augen gesehen, wenn er anfing, zu betteln. So konnte ich mich ja schon kaum auf irgendetwas konzentrieren, wenn mich sein Blick gefangen hielt. 

Ich sah zu Lilly, welche gerade wahrscheinlich Jakes Welpenblick nachahmte, der einen schon ein zweites Mal seine Entscheidung überdenken ließ, doch ich blieb stur. "Nein, ich muss dort echt hin und wenn Jake das erfahren würde, würde er mich nicht gehen lassen. Jetzt habe ich dir schon viel zu viel verraten. Wir reden später darüber, okay?" "Na schön", gab sich Lilly geschlagen. "Aber wehe, du verrätst es mir dann nicht!", drohte sie mit erhobenem Finger. "Ich verspreche dir, es dir zu erzählen, okay?" Lilly sah mich skeptisch an. "Weil du ja auch keine Versprechen brichst." Mir war klar, worauf Lilly anspielte, doch das war eine absolute Ausnahmesituation gewesen. Normalerweise breche ich meine Versprechen nicht, das war echt eine Ausnahme. Ich erwiderte nichts auf ihre letzte Aussage, sondern sagte nur "Ciao" und ließ die Tür hinter mir zufallen.

Mittlerweile hat es leider angefangen zu schütten, weshalb ich mir meine Jacke anzog, welche zum Glück eine Kapuze hatte, die ich mir nun tief ins Gesicht ziehen konnte. Doch bevor ich mich endgültig auf den Weg machte, blieb ich noch kurz unter dem Vordach des Motels und nahm den Akku aus meinem Handy. Hoffentlich kann Jake dadurch nicht mehr meinen Standort abrufen. Schnell steckte ich mein Handy und den Akku wieder in meine Handtasche und ging zu der Praxis. Ich hätte es beinahe übersehen, da es ziemlich unscheinbar war, doch ich hatte mir vorher den Weg genaustens eingeprägt, sodass ich mir sicher war, dass ich hier richtig bin. Nachdem ich das Haus von außen inspiziert hatte, ging ich zur Tür und sah mich nach einer Klingel um. Dr. Ulric Barret. Ich klingelte und wartete, bis ich die Tür nach einem lauten Summen nach innen öffnen konnte. Vor mir lag nun ein Gang, der in ein Treppenhaus führte. Auf einer kleinen Tafel stand, dass Dr. Barret seine Praxis im 1. Stock hat, also ging ich die Treppen hinauf.

𝙳𝚞𝚜𝚔𝚠𝚘𝚘𝚍 ~ 𝚈𝚘𝚞 𝙰𝚛𝚎 𝚃𝚑𝚎 𝙺𝚎𝚢Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt