𝙳𝚞𝚜𝚔𝚠𝚘𝚘𝚍 ~ 𝚈𝚘𝚞 𝙰𝚛𝚎 𝚃𝚑𝚎 𝙺𝚎𝚢

~V~

Irgendetwas stimmte da nicht. Ich konnte es an ihrer Art merken, doch Julia wollte es mir nicht verraten. Es brachte mich zum Verzweifeln. Ich wusste einfach, dass sie mich anlog, ich hörte ja selber, wie fürchterlich sie geweint hatte, als sie am letzten Nachmittag den Nervenzusammenbruch hatte. Schmerz durchzuckte mich, als ich daran dachte, deshalb drängte ich diese Erinnerung schnell zurück. Ich hasse es, so verletzlich zu sein. Doch ich hasste nicht den Grund, weshalb ich so verletzlich bin. Dieser Grund ist nämlich ein gewisses kleines Mädchen, welches mich vorhin belogen hatte. 

Noch nie kam ich mir so hintergangen vor, deshalb musste ich etwas tun. Ich hasste mich so sehr dafür, in ihre Privatsphäre einzudringen, doch sie ließ mir keine andere Wahl. Zumindest versuchte ich mir das einzureden, während ich auf ihrem Handy nach möglichen Hinweisen suchte. Allerdings gab es nicht viel, was darauf hinwies, dass sie etwas vor mir verheimlichte. Mir viel auf, dass sie Jessica geschrieben hatte, dass sie sich bei mir melden und anschließend etwas erledigen müsse. Ich habe jedoch keine Ahnung, was sie damit meinen könnte. 

Ich würde mich so weit aus dem Fenster lehnen und behaupten, dass Julia mir am meisten vertraut, doch ausgerechnet vor mir hielt sie es geheim. Das kann nichts Gutes bedeuten! Ich durchsuchte ihren Suchverlauf von Google, doch anscheinend hatte sie geahnt, dass ich mir notfalls Zugriff auf ihren Suchverlauf verschaffen konnte. 

Dafür, dass sie sich mit sowas nicht besonders gut auskennt, war sie verdammt clever. Und so hinreißend... Ich musste wieder einen klaren Kopf bekommen, also trank ich schnell zwei Energydrinks und überlegte, wie sie es geschafft haben könnte, meine Hackerkünste - wie sie sie nannte - zu umgehen. Es gab eigentlich keine Möglichkeiten, denn selbst ihren gelöschten Suchverlauf hatte ich durchsucht, außer... 

Außer sie hätte bewusst ein anderes Gerät benutzt, damit ich nichts merkte. Ziemlich klug, doch wahrscheinlich hatte sie nicht geahnt, dass ich so aufmerksam war und sie durchschaut hatte. Nun war all ihre Mühe umsonst. Wenn sie es nicht mit dem weltbesten Hacker zu tun hätte, wäre sie damit wahrscheinlich durchgekommen. Ich schmunzelte. Es fühlte sich gut an, wieder die Kontrolle zu haben. Ich war das nämlich gewohnt. Nur Julia gelang es, mich aus dem Konzept zu bringen oder zu überraschen. Menschen sind eben so leicht durchschaubar, doch Julia tut nie das, was ich erwarte. Sie ist eben anders.

Ich wusste, dass ich langsam sehr ernste Gefühle für sie entwickelte, doch ich versuchte sie so gut es ging zu unterdrücken. Das alles war neu für mich, ich wusste vorher gar nicht, dass mir etwas fehlte, wusste nicht, dass ich jemals so empfinden würde. Doch wenn ich meinen Gefühlen nachgeben würde, wäre sie in Gefahr und ich wollte sie dieser Gefahr nicht aussetzen. Andererseits fühlte es sich so richtig an, dass ich es unbedingt versuchen wollte. Jedoch war mir Julias Sicherheit am wichtigsten, weshalb ich mich wieder meinem Laptop zuwandte. Genau deshalb warf es mich völlig aus der Bahn, als ich mir Zugriff zu Julias Laptop verschaffte und schließlich fand, wonach ich suchte.

Entsetzt sah ich auf den Bildschirm. Nein, nein, NEIN!! Wie konnte sie mir das nur antun?! Sie wusste doch, wie gefährlich es war! Wie konnte sie nur so leichtsinnig sein! Der Raum begann sich zu drehen, ich konnte mich nicht beruhigen. Kein Wunder, dass sie es dir nicht gesagt hat, wenn du so reagierst. Genau so eine Reaktion hatte sie wahrscheinlich befürchtet. Mühsam versuchte ich die Kontrolle über mich wiederzuerlangen, was mir mehr oder weniger gut gelang.

Ich sah auf die Uhr und erkannte, dass es bereits zu spät war, dass Julia bereits vor einer Stunde in den Zug nach Duskwood eingestiegen war. Ich konnte sie nun nicht mehr davon abhalten, nach Duskwood zu gehen. Das einzige, das ich tun konnte, war mir ebenfalls ein Zimmer in der Nähe des Motels zu buchen und nach Duskwood zu fahren. Ich durfte sie nicht alleine in diese Kleinstadt lassen, in der jemand lauerte, der sie töten wollte.