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"Julia? Julia, alles in Ordnung?", drang eine mir bekannte Stimme zu mir durch. "Jake?", murmelte ich verwirrt und öffnete die Augen. Als mir bewusst wurde, dass er wirklich vor mir stand, zog ich ihn für eine feste Umarmung zu mir herunter, da ich auf dem Boden saß. Gleichzeitig half er mir ein Stückchen hoch, sodass wir uns auf dem halben Weg begegneten. "Hat er dir etwas angetan?", fragte er, seine Stimme bebte vor Wut. "Nein", flüsterte ich, aber ich hatte wieder Tränen in den Augen. Er hätte mich fast vergewaltigt. Und ich konnte mich kaum wehren. Mir fiel jetzt erst auf, dass ich gar keine Handschellen mehr trug, und ich ließ Jake los, um meine Handgelenke zu betrachten. Sie waren blutverkrustet, blau und geschwollen. Jake folgte meinem Blick und zog scharf die Luft ein. 

Nervös versteckte ich meine Hände hinter meinem Rücken und versuchte ihn zu beruhigen. "Es ist wirklich nichts Jake." "Das nennst du nichts?!", fragte Jake empört, zog meine Hände wieder vor meinen Körper und streichelte sanft über meine misshandelte Haut. Aber genau genommen kann ich mich nicht darüber beschweren, ich war ja selbst daran schuld. Hätte ich nicht versucht, aus den Handschellen zu kommen, hätte ich da auch keine Schrammen.  Bei dieser Berührung stockte mein Atem und mein Herz schlug doppelt so schnell wie davor. "Julia, ich hätte ihn beinahe umgebracht, was hat er dir angetan?", redete er eindringlich auf mich ein. Ein bisschen geschockt sagte ich: "Hör zu, es ist nichts passiert. Es wäre vielleicht etwas passiert, wenn du nicht rechtzeitig gekommen wärst, aber dieser Fall ist nicht eingetreten." Als Jake eine Weile schwieg, blickte ich auf, er musterte mich gerade mitleidig. Ich musste meinen Blick wieder abwenden, ich wollte jetzt kein Mitleid.

"Was machst du überhaupt hier?", fragte ich, um vom Thema abzulenken. "Ich kann mich einfach nicht von dir fernhalten, Julia. Wer weiß, was passiert wäre, wenn ich nicht gekommen wäre..." Seine Stimme versagte und ich zitterte. Es war echt knapp gewesen. "Du versuchst vom Thema abzulenken. Würdest du mir bitte meine Frage beantworten?", fragte er ruhig. Ich wusste von welcher Frage er sprach, doch ich konnte sie nicht beantworten, ohne wieder in Tränen auszubrechen oder mich daran zu erinnern. "Nein Jake, ich kann das nicht. Es tut mir leid, aber ich kann mit niemandem darüber reden, nicht einmal mit dir", sagte ich niedergeschlagen.
Mein Herz zog sich schmerzhaft zusammen. "Warum bist du überhaupt weggegangen? Warum wolltest du, dass ich mir keine Sorgen um dich mache? Und warum hast du mir nicht die Wahrheit gesagt? Jetzt habe ich sie ohne dich herausgefunden", flüsterte ich verzweifelt. "Und ich hätte mir gewünscht, dass du es mir sagst. Ich dachte, du vertraust mir." Jake sah ziemlich geschockt aus, als er fragte: "Du hast es selber herausgefunden?" Ich seufzte. "Ja." Jake nahm mich wieder in den Arm und flüsterte mir ins Ohr: "Ich vertraue dir, Julia, ich wollte dich nur nicht verletzen. Du solltest es eigentlich niemals erfahren. Wie hast du das nur herausgefunden?" Sein Atem an meinem Ohr machte es mir fast unmöglich, nachzudenken. Aber auch nur fast. "Ich habe meine Mom angerufen", gestand ich. Jake nickte wissend.

"Jake, du hattest jetzt genug Zeit mit ihr alleine!", rief Lilly und kam mit Jessy und Phil im Schlepptau auf uns zu. Ich sah Jake fragend an. "Die anderen haben sich furchtbare Sorgen um dich gemacht und Lilly hat mich dann mehr oder weniger um Hilfe gebeten. Ich hatte dich den Nachmittag verfolgt, doch irgendwann verlor ich dich aus den Augen. Ich hatte zwar versucht, auf deinen Standort zuzugreifen, allerdings ohne Erfolg. Letztenendes hat Lilly mich mit zu den anderen geschleppt und du hast dann Jessy angerufen. Naja, wir hatten dann deinen Standort und sind sofort zu dir gegangen." "Achso", ich nickte. Mich überraschte es irgendwie gar nicht, aber ein bisschen beunruhigt war ich schon. Was war nur mit mir los, dass ich nicht einmal mehr bemerkte, dass ich verfolgt wurde? Ich muss in nächster Zeit aufmerksamer sein.

Die anderen kamen gerade bei uns an und Jakes Arm rutschte von meiner Schulter, als Jessy mich sofort umarmte. "Oh Gott, Julia, ich habe mir solche Sorgen um dich gemacht!", schluchzte sie und ich versuchte sie zu beruhigen. "Alles gut, mir ist nichts passiert." Lilly sah mich scharf an. "Das nennst du nichts?", fragte sie. "Dir ist schon klar, dass Jessy und ich dich gefunden haben? Jake war in der Zeit nämlich mit Cooper beschäftigt. Uns kannst du also nichts vormachen." Bevor ich irgendetwas erwidern konnte, fragte Jake ein bisschen ängstlich: "Was ist denn passiert?" Lilly sah mich an und ich schüttelte unmerklich den Kopf. Sie seufzte nur und sagte: "Das wird dir Julia schon selbst sagen, wenn sie bereit dazu ist, darüber zu sprechen." Jake war mit dieser Antwort alles andere als zufrieden, doch er hielt sich jetzt zurück. 

Phil kam auf mich zu und umarmte mich ebenfalls. "Mann, du bist doch echt lebensmüde. Wir können dich doch nicht einfach verlieren. Versprich mir, in nächster Zeit vorsichtiger zu sein, ja? Wir brauchen dich noch", murmelte er. Als ich Jakes Blick bemerkte, löste ich mich aus der Umarmung. Man muss ja nicht gleich übertreiben, alleine Phils Anwesenheit machte Jake eifersüchtig, weshalb ich zu ihm ging und ihm beruhigend über seine Wange streichelte, während ich seine Augen betrachtete. Sie waren echt mega schön. Jake nahm meine Hand von seiner Wange und ich wollte gerade schon eingeschnappt sein, als er einfach nur meine Hand hielt, alleine das ließ die Schmetterlinge in meinem Bauch flattern. 

"Willst du wieder ins Motel?", fragte mich Lilly. Ich seufzte und schüttelte den Kopf "Nein, ich würde dort kaum Ruhe finden." Jake streichelte mit seinem Daumen über meine Hand und fragte nach einer Weile schüchtern: "Willst du dann vielleicht mit zu mir kommen?" "Uhh", sagte Jessy und kicherte. Als ob die Situation nicht schon angespannt genug wäre. Sollte ich zu ihm gehen? Ich hatte Jake noch nicht komplett vergeben, doch ich verstand, warum er das alles getan hat. Außerdem fühlte ich mich bei ihm sicher. Phil bot mir auch einen Platz auf seiner Couch an, aber ich hatte mich schon entschieden. "Klar, gerne Jake", sagte ich leise, während ich auf den Boden sah. Jessy quietschte entzückt und Lilly lächelte, anscheinend war sie froh darüber, dass wir uns wieder halbwegs vertragen hatten. 

"Ähm, sollen wir dein Zeug ins Motel bringen oder willst du vielleicht in das andere Motel ziehen, in dem ich arbeite?", fragte Lilly hoffnungsvoll. Noch dazu hatte sie diesen Welpenblick drauf, ich konnte einfach nicht Nein sagen. "Gerne, ich hab das Zimmer glaub ich sowieso nur bis heute gebucht", meinte ich schulterzuckend. In Wirklichkeit hatte ich keine Ahnung, wie lange ich schon hier war. Lilly umarmte mich stürmisch und sagte: "Ich werde das sofort mit Mrs. Walter absprechen und dein Zimmer vorbereiten! Auch wenn du erst morgen einziehst." Zwinkernd wünschten mir Lilly und Jessy viel Spaß, Phil war natürlich nicht so begeistert.

Nachdem sich Jake und ich von allen verabschiedet haben, liefen wir schweigend zu seinem Auto. Plötzlich fiel mir etwas ein. "Wo ist denn überhaupt Cooper?" Als ich Cooper erwähnte, spannte sich Jake neben mir an und sagte ruhig: "Lilly hat einen Krankenwagen gerufen und er liegt jetzt vielleicht im Krankenhaus. Ich war zwar der Meinung, dass er keine ärztliche Hilfe benötigt, aber Lilly wollte ihn nicht verletzt liegen lassen." Er verdrehte dabei genervt die Augen. "Hoffentlich zeigt er dich nicht an", wisperte ich, denn das wäre katastrophal. Jake lachte auf. "Ich glaube nicht, dass er mich gesehen hat." 

Ernst fuhr er fort. "Du solltest ihn anzeigen, Julia. Man merkt dir doch an, dass er dir etwas angetan hat." Ich schüttelte den Kopf und Jake wurde wütend. "Warum nicht? Dir ist klar, dass du dadurch dieses Arschloch schützt?" Ich zuckte zusammen, doch ich zwang mich dazu, ruhig zu sprechen. "Es gibt keine Beweise, er würde nicht bestraft werden. Dann kann mich mir das auch gleich sparen." Jake seufzte und nahm mich in den Arm. Liebevoll streichelte er mir übers Haar und ich presste mich näher an ihn. "Ich werde dafür sorgen, dass er dir nie wieder zu nahe kommt", versprach er mir. Ich wusste nicht, wie er das machen wollte, aber seine Worte beruhigten mich ein wenig. 

Wir waren mittlerweile am Auto angekommen und er öffnete mir die Beifahrertür. "Danke", sagte ich mit einem Lächeln und setzte mich in den Wagen. Jake schmiss die Tür zu und stieg ebenfalls ein. Er machte den Motor an und drehte die Musik ein bisschen leiser, sodass sie leise im Hintergrund lief. Erschöpft legte ich meinen Kopf in den Nacken und schloss die Augen. Heute war so viel passiert. Leider konnte ich keine Ruhe finden, weshalb ich meine Augen wieder öffnete und mir geistesabwesend über meine Handgelenke strich.

 "Wie geht es dir?", fragte Jake und sah mich dabei an. Ich ertrank in seinen Augen und meinte mit einem Schulterzucken: "Den Umständen entsprechend." Damit sagte ich sogar die Wahrheit. Ich war total fertig und würde am liebsten schlafen, doch ich wusste, dass ich dann Alpträume haben würde und auf diese konnte ich gewiss verzichten. "Du solltest schlafen." Ich schüttelte den Kopf. "Ich werde nicht schlafen können." Jake warf mir einen besorgten Blick zu und strich mir eine Haarsträhne hinters Ohr. Diese Berührung ließ mich erstarren und ich wurde rot. Verlegen wandte ich den Blick ab und sah aus dem Fenster.

"Was ist dein größter, egoistischster Wunsch?", fragte mich Jake. Ich überlegte kurz, denn ich konnte ja schlecht sagen, dass ich mir ihn wünsche. Daher sagte ich: "Ich wünsche mir, glücklich zu sein. Und deiner?" Ich bin immer noch weit entfernt davon, glücklich zu sein, doch ich hoffte, dass ich es mit Jake schaffen würde. Jake sah mich mit einem schiefen Grinsen an, bei dem mein Herz stolperte und hüpfte. "Das wünsche ich mir auch."

𝙳𝚞𝚜𝚔𝚠𝚘𝚘𝚍 ~ 𝚈𝚘𝚞 𝙰𝚛𝚎 𝚃𝚑𝚎 𝙺𝚎𝚢Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt