Nachdem ich mich mit Alan Bloomgate unterhalten und meine Meinung mit einigen Paragraphen unterstrichen hatte, wurde Marcus Smith noch gefragt, ob er Anzeige wegen Körperverletzung gegen Julia erstatten will, was er glücklicherweise nicht tat. So war Alan dazu gezwungen, Julia laufen zu lassen und jetzt waren wir auf dem Weg zu ihrem neuen Motelzimmer. Sie sah sehr erschöpft aus, es war für sie wahrscheinlich ein langer Tag gewesen. "Geht es dir gut?", fragte ich vorsichtig. "Ja, alles bestens", antwortete Julia einen Ticken zu schnell. Sie log, ich war mir sicher. Ihre Stimme klang einfach nur niedergeschlagen und sie war die ganze Zeit in ihren Gedanken versunken, irgendwas stimmte da nicht. "Ist wirklich alles in Ordnung?", hakte ich vorsichtig nach. Ich wollte eigentlich nicht so aufdringlich sein, doch irgendetwas an ihr machte mir Sorgen. Julia schien zu überlegen, ob sie mir die Wahrheit sagen sollte, denn ich sie schwieg eine Weile. Ich nahm ihre Hand in meine und drückte sie aufmunternd. "Es ist nichts, nur... Smith hat sich etwas... naja... an mich rangemacht", sagte sie stotternd, man merkte ihr aber an, wie wenig sie davon begeistert war. "Und mir ist Cooper wieder begegnet", fügte sie hinzu. Meine Hände ballten sich automatisch zu Fäusten, doch ich versuchte, ruhig zu bleiben, Julia zuliebe. "Hat er etwas zu dir gesagt?", fragte ich nun. Julia schluckte und nickte. "Er hat mir oder besser gesagt uns gedroht", sagte sie nervös und schob sich eine Haarsträhne hinters Ohr. Verdammt, das alles schien sie mehr mitzunehmen, als ich erwartet hätte. Und ich hatte sie erst in diese Situation gebracht. Dieser Typ ist echt ein armseliges Arschloch, wenn er ein Mädchen wie Julia bedroht.
"Ich habe Angst", gestand Julia leise und sah auf den Boden. Sie tat mir in diesem Moment so unendlich leid, weshalb ich sie näher an mich ran zog und umarmte. Sie legte ihren Kopf an meine Brust und still liefen ihr die Tränen, welche auf mein Hemd tropften, ihr Gesicht hinunter. Beruhigend strich ich über ihr Haar und hielt sie einfach nur fest. Ich fühlte mich gleich noch schuldiger, als ich es sowieso schon tat. Ich muss das alles unbedingt auf die Reihe kriegen, bevor Julia noch mehr darunter litt. Eigentlich sollte ich einfach weggehen und sie alleine ihr Leben weiterführen lassen, es wäre zumindest das beste für sie. Aber das hatte ich schon einmal versucht. Doch ich war zu egoistisch, um sie endgültig zu verlassen. Also musste ich eine Lösung finden. Mir ist sogar schon eine eingefallen, diese ist jedoch ziemlich schwierig umzusetzen. Ich müsste dafür mehrere Tage verreisen und sehr viel Glück haben. Ich bin es nun mal nicht gewöhnt, hoffen zu müssen. Aber der Plan ist noch nicht ausgereift, noch lange nicht. Vielleicht werde ich ihn bis zum Pinegladefest fertigstellen. Normalerweise habe ich immer alles im Griff, bin auf alles vorbereitet, aber in letzter Zeit... Fest steht, dass wir Hannah nicht finden können, wenn ich befürchten muss, jederzeit geschnappt werden zu können. Auch wenn ich selbst daran schuld bin.
Ich bin nur froh, dass ich Julia damals kontaktiert habe. Sowas ist eigentlich total unüblich für mich, doch ich hatte damals so ein Gefühl, dass Julia in diesem Fall behilflich sein könnte und ich behielt auch recht. Ich hatte nur nicht damit gerechnet, dass ich mich in jede ihrer Nachrichten verlieben würde. Aber ich wusste immer noch nicht, was sie für mich empfand. Einerseits vertraut sie mir und ist mir nah, aber sie ist immer so temperamentvoll. Ich verstehe sie einfach nicht, doch genau das finde ich so toll an ihr. Sie ist so geheimnisvoll und steckt voller Überraschungen. Ich sollte sie mir aus dem Kopf schlagen, doch ich denke fast die ganze Zeit an sie, egal wie sehr ich mich anstrenge, dies eben nicht zu tun.
"Das ist alles nur meine Schuld", schluchzte Julia nach einigen Minuten und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. "Nein, du kannst gar nichts dafür", entgegnete ich sanft, aber bestimmt. Julia sah mich zweifelnd an. "Wie kommt es dann, dass hier wirklich jeder wegen mir in Gefahr ist?", flüsterte sie niedergeschlagen. Ich seufzte, Julia war mir in dieser Hinsicht irgendwie total ähnlich. Wir beide gaben uns ständig die Schuld, egal, worum es ging. Aber ich wollte nicht, dass sie in der Hinsicht wie ich ist, denn ich merkte selber, dass ich mich dadurch nur selber fertigmache, doch ich konnte diese Angewohnheit irgendwie nicht ablegen. "Das liegt nicht an dir, glaub mir. Gib dir nicht immer die Schuld an allem", riet ich ihr. "Das sagt ja genau der richtige", murmelte sie, aber ich merkte, dass sie wirklich versuchte, sich nicht die Schuld zu geben. "Meine Mom und vor allem mein Stiefvater sagen immer, dass ich die Schuld immer nur auf andere Leute schiebe, dabei wissen sie gar nicht, wie ich in Wirklichkeit denke", sagte Julia plötzlich mit einem traurigen Lächeln. "Wenn sie wissen würden, wie du in Wirklichkeit denkst, würden sie anders über dich denken", überlegte ich laut. "Du solltest dich nicht so sehr vor anderen Menschen verschließen, sondern einfach so sein, wie du bist", ermunterte ich sie und sie sah mich mit ihren großen Augen an. Unbewusst biss sie sich auf ihre Unterlippe und ich wandte schnell den Blick ab, um nicht auf falsche Gedanken zu kommen.
Mittlerweile waren wir am Motel angekommen und ich begleitete Julia bis zu ihrem Zimmer. Dort verabschiedete ich mich von ihr, denn sie musste sich jetzt ausruhen und das würde sie wahrscheinlich nicht machen, wenn ich in ihrem Zimmer sitze oder liege. Vermutlich würde sie dann auf falsche Gedanken kommen, was mich an sich nicht stören würde, doch sie würde es sicherlich bereuen. Das nahm ich zumindest an. Soweit ich wusste, hatte sie ja nicht gerade besonders gute Erfahrungen mit Männern gemacht und ich wollte mich in der Hinsicht so gut wie möglich zurückhalten. "Ciao, Jake", verabschiedete sich nun auch Julia ein bisschen traurig von mir. "Schlaf gut", sagte ich noch, bevor sie die Tür schließen konnte. "Als ob ich schlafen könnte", murmelte Julia leise und ich war mir sicher, dass diese Worte eigentlich nicht für meine Ohren bestimmt waren, daher ging ich auch nicht darauf ein.
Stattdessen machte ich mich auf den Weg zu der Wohnung, die ich mir gemietet hatte, denn Julia war mit ihren Ermittlungen leider gar nicht weitergekommen. Verständlicherweise. Ich meine, sie kann ja schlecht einen Toten befragen. Aber dennoch brauchen wir neue Spuren, um ihnen nachzugehen. Hannah ist immer noch irgendwo da draußen, hoffentlich lebt sie noch. Ich könnte es mir niemals verzeihen, wenn sie sterben würde, weil wir zu langsam vorangekommen sind oder etwas wichtiges übersehen haben, weil ich abgelenkt bin. Am leichtesten wäre es natürlich, wenn sich Julia wieder an Jennifer Hanson erinnern würde, denn das würde uns, glaube ich, sehr weit voranbringen. Allerdings habe ich auch recherchiert, weshalb sie sich an ihre Halbschwester nicht mehr erinnern konnte, und bin da auf einige, nicht so erfreuliche Möglichkeiten gestoßen, hauptsächlich psychische Krankheiten wie Amnesie. Und wenn sie wirklich unter so einer Krankheit leiden würde, wäre es alles andere als sinnvoll, wenn sie sich wieder erinnern könnte.
Ich Idiot musste aber auch meinen Computer anlassen. Ich hätte mir ja denken können, dass sie nachsehen würde, und wenigstens den Computer verschlüsseln können. Das war so leichtsinnig von mir. Wenn einer meiner Verfolger an meinen Computer gegangen wäre, hätte das einige Probleme gegeben. Aber auch so ist es schon schlimm genug, denn Julia hatte das Bild gesehen und würde wahrscheinlich trotzdem recherchieren. Klar könnte man auch meinen, dass sie vieles aus der Zeit, in der sie noch zusammen mit ihrem Vater und ihrem Halbbruder in einer Wohnung lebte, verdrängt hat, aber es ergibt dann keinen Sinn, dass sie sich noch an ihren Halbbruder und ihren Vater, aber nicht an ihre Halbschwester erinnert. Das musste also einen anderen Hintergrund haben, aber welchen?
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𝙳𝚞𝚜𝚔𝚠𝚘𝚘𝚍 ~ 𝚈𝚘𝚞 𝙰𝚛𝚎 𝚃𝚑𝚎 𝙺𝚎𝚢
FanfictionJulia hält es nicht mehr aus. Nach einem verhängnisvollen Anruf lässt sie alles stehen und liegen und fährt mit dem nächsten Zug nach Duskwood, um vor Ort ermitteln zu können. Allerdings hatte sie nicht damit gerechnet, dass ihr Aufenthalt in Duskwo...