~18~

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Diesmal gingen wir zu Fuß. Gedankenversunken nahm Jake meine Hand und streichelte mit seinen Daumen darüber. Die Schmerzen in meinem Knöchel hatte ich komplett vergessen. Alles, was zählte, waren Jake und seine Berührungen. Mein Herz pochte so laut, dass ich das Gefühl habe, dass er es eigentlich hören müsste, jedoch ließ er sich nichts anmerken. In einem chinesischen Restaurant angekommen, suchten wir uns einen Tisch etwas abseits der anderen Gäste, sodass uns niemand hören konnte, und setzten uns hin. Schnell bestellten wir uns was und warteten. Unbewusst starrte ich in Jakes Gesicht, ich konnte immer noch nicht glauben, dass er wirklich hier mit mir ist.

Als er dies bemerkte, sah er mir in die Augen und fragte: "Woran denkst du?" Hmm, schwierige Frage. Was sollte ich darauf antworten? Ich entschied mich für die Wahrheit. "Ich kann es immer noch nicht fassen, dass du wirklich bei mir bist. Ich dachte schon, ich würde dich niemals treffen. Ich habe Angst, dass das alles nur ein Traum ist und ich jeden Moment wieder aufwachen könnte." Das Essen kam und ich senkte die Augen, um seinen Blick auszuweichen. Jakes Stimme war samtweich, als er sprach: "Es ist aber kein Traum. Ich muss zugeben, ich hatte eigentlich nicht vor, enttarnt zu werden, aber als du in den Wald gegangen bist... da hatte ich keine andere Wahl, als dir zu folgen." Jetzt wurde seine Stimme wieder härter. "Was hast du dir nur dabei gedacht, zuerst einfach nach Duskwood zu kommen, ohne jemandem Bescheid zu geben und dann auch noch in den Wald zu rennen?! Ich hätte dich beinahe verloren, Julia. Reicht es nicht, dass Hannah verschwunden ist?"

"Es tut mir leid, Jake", wisperte ich, ich hörte seine Verzweiflung und seinen Schmerz, "Ich wollte es dir ja eigentlich sagen, aber du warst an dem Tag so abweisend und danach hatte ich überlegt, wie ich es dir erklären sollte, aber ich hatte solche Angst vor deiner Reaktion, dass ich mich nicht getraut habe, es dir zu sagen. Und dann wurde ich ständig von dir verfolgt, doch am Anfang konnte ich es natürlich noch nicht wissen und dachte vielleicht, dass es der Mann ohne Gesicht wäre, aber dann bekam ich wieder so eine Nachricht und...." "Was für eine Nachricht?" "Mir wurde ein Brief geschickt. Ich konnte aber damit nicht zu dir kommen, weil du ja nicht wissen solltest, dass ich in Duskwood bin. Ich bin gleich am ersten Tag aufgeflogen. Es tut mir wirklich soo leid", sagte ich niedergeschlagen. Ich erwähnte extra nicht, dass der Mann ohne Gesicht mich schon mal im Motel besucht hatte, Jake würde sonst ausflippen.

Als Jake eine Weile lang nichts sagte, sah ich wieder auf. Er wirkte ziemlich nachdenklich und eigentlich wollte ich ihn nicht stören, jedoch wollte ich wissen, was er dazu meint. "Jake?" "Ja." "Bitte sag etwas dazu, irgendwas. Schrei mich an, weil ich mein Versprechen gebrochen habe oder weil ich in den Wald gegangen bin. Aber schweige bitte nicht. Tu mir das nicht an." "In Ordnung." Er machte eine lange Pause. "Ich weiß, warum du das alles getan hast, ich habe ja auch so reagiert, als du in Gefahr warst. Allerdings hast du im Gegensatz zu mir ein Versprechen gebrochen, weshalb ich etwas enttäuscht von dir war. Ich wusste nicht, ob du es vor mir verheimlichen wolltest, damit ich mir nicht so viele Sorgen um dich mache, oder ob du nur Angst vor meiner Reaktion hattest, aber das hat in beiden Fällen nichts daran geändert. Es hat dich nur in Gefahr gebracht."

"Also verzeihst du mir?" Selbst Jake konnte die Hoffnung in meiner Stimme hören. "Was? Dass du mich beinahe einfach so verlassen hättest, wenn ich nicht gewesen wäre? Nein, das definitiv noch nicht, das war einfach zu viel für mich. Dass du nach Duskwood gekommen bist? Vielleicht", sagte er lächelnd. "Aber du musst mir etwas im Gegenzug dazu versprechen." Das hört sich gar nicht gut an... "Okay..." "Du bringst dich nicht mehr in Gefahr, solange du hier bist. Ich kann dich schließlich nicht 24/7 beschützen." Gut, das war ein Versprechen, dass ich gerne halten wollte. "Wie schade, ich dachte, du könntest das. Ich habe da echt mehr von dir erwartet, Jake." Jake hob eine Augenbraue und sah mich fragend an. Und ich konnte nicht anders, ich musste lachen. "Das war ein Scherz, Jake", brachte ich unter meinem Gekicher hervor. "Und ich dachte, deine Schwäche ist nur auf Textnachrichten beschränkt." Jake kniff die Augen zusammen, doch dann zuckten auch seine Mundwinkel. "Ist sie ja auch. Versprichst du es mir jetzt oder nicht?" "Ich werde es versuchen, mehr kann ich nicht versprechen." Nachdenklich sah mich Jake an. "Weißt du, du bist nicht so einfach zu durchschauen, du bist anders." Was soll denn das heißen? "Gut anders oder schlecht anders?"

Doch Jake ignorierte meine Frage und fragte mich, ob wir gehen können. Ich sagte, dass ich fertig bin und Jake bezahlte. Wir gingen wieder schweigend nebeneinander, diesmal hielt er jedoch nicht meine Hand. "Wie hast du das nur gemacht?" "Was?" "Wie hast du mich enttarnt?" Achso, das meinte er. "Naja, erstens einmal siehst du mit deinen Klamotten wirklich aus wie ein echter Hacker. Ich war schon etwas enttäuscht, dass du keine Game-Master-Maske trägst." Ich grinste. "Und zweitens bin ich dir ja schon mal begegnet." "Oja, du bist in mich reingerannt wie eine Irre. Aber du hast mich doch gar nicht angesehen, woher wusstest du also im Wald, dass ich es bin?" "Tja, nicht nur Phil kann Stimmen gut wiedererkennen." "Du hast mit Phil gesprochen?" "Jake, für Eifersucht haben wir jetzt echt keine Zeit." "Ernsthaft? Okay, wenn du meinst. Meine Stimme hat mich also verraten?" "Genau dasselbe habe ich auch zu Phil gesagt", lachte ich. Wieder verstimmte mein Einwurf Jake. Ich seufzte. Wieso war er nur so extrem eifersüchtig! Es machte die ganze Stimmung kaputt.

"Warum ist Phil so ein rotes Tuch für dich?" Er drehte sich zu mir. "Ich weiß es nicht Julia, ich weiß es einfach nicht. Normalerweise empfinde ich nicht so, soo menschlich. Ich vertraue dir, aber ich traue Phil eben nicht. Es tut mir wirklich leid." "Ich kann dich ja schon verstehen, aber es ist ein bisschen nervig. Außerdem läuft zwischen Phil und mir nichts. Er ist gar nicht mein Typ", fügte ich noch hinzu. "Bist du dir sicher?" "Jake!" "Ich meine nur, so wie er mit dir geflirtet hat und ihr dann anschließend nach oben gegangen seid..." "Du dachtest allen Ernstes, ich hätte mit Phil geschlafen? Tut mir leid, dich enttäuschen zu müssen, aber ich habe ihm lediglich paar Fragen gestellt." Ich lachte und Jake schien erleichtert zu sein. 

Doch jetzt hüllte er sich wieder in Schweigen. Die Stille machte mich nervös, ließ mich zu viel nachdenken. Schließlich blieb Jake an der nächsten Straße stehen. Ich sah ihn verwundert an. Angespannt fuhr Jake sich mit seinen langen Fingern durch seine Haare. Was war nur los mit ihm? Als er merkte, dass ich ihn ansah, wurde er rot. Ich war sehr verwirrt. Warum reagiert er nur so? Endlich fing Jake an zu sprechen. "Julia, hast du vielleicht Lust, mir heute Nacht noch ein bisschen Gesellschaft zu leisten?", fragte er schüchtern und sah auf seine Schuhe. Oh, deshalb war er also so nervös. Er war schon verdammt süß. Mein Herz klopfte mir bis zum Hals und ich war mir sicher, dass ich mindestens genauso rot wurde wie Jake. "Ja, gerne", flüsterte ich. Jake sah mir in die Augen und strahlte mich an. Ich lächelte zurück.



𝙳𝚞𝚜𝚔𝚠𝚘𝚘𝚍 ~ 𝚈𝚘𝚞 𝙰𝚛𝚎 𝚃𝚑𝚎 𝙺𝚎𝚢Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt