Hast du Feuer?

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„Was ist das denn für ein Vogel?" fragte ich Sarah, während wir im Backstage alles vorbereiten. „Felix Lobrecht, ist'n ziemlich bekannter Comedian hier aus Berlin." erklärte sie mir.
„Und unglaublich unsympathisch." fügte ich ihrer Beschreibung abwertend hinzu, während ich einige Dosen Redbull auf den Tisch vor mir stellte.
„Dafür aber verdammt heiß." schwärmte sie.
„Genau das ist ja das Problem. Er weiß das. Und er weiß, dass es andere wissen. Und genau so verhält er sich auch."
„Ach komm, du würdest den auch nicht von der Bettkante schubsen." Sarah wippte mit den Augenbrauen auf und ab.
„Ich würd's gar nicht erst soweit kommen lassen, dass ich den irgendwo runter schubsen müsste." machte ich klar.
„Würde dir aber mal wieder gut tun. Du bist in letzter Zeit so verspannt. Wann hattest du das letzte Mal so richtig guten Sex?" ich schaute skeptisch zu ihr hoch.
„Meine Launen haben rein gar nichts mit meinem Sexleben zutun."
„Du unterschätzt das. Ich habe letztens gelesen, dass eine Studie belegt, dass kein Sex einen Menschen verbittert werden lässt." ich warf ihr einen bösen Blick zu. Hatte sie mich grade verbittert genannt?
„Ich mein' ja nur." sie hob ihre Hände nach oben und schaute mich mit ihren blauen Augen unschuldig an.
Ich nahm meine Tasche und war dabei, den Backstage zu verlassen. „Wo willst du hin?" rief Sarah mir hinterher. „Rauchen." antwortete ich und schloss die Tür hinter mir.
Ich und verbittert, pff. Ich hatte einfach nur keine Lust auf's Daten und sind wir mal ehrlich, One-Night-Stands bringen meistens auch nicht die gewünschte Befriedigung.
Gedankenverloren lief ich an der Bühne vorbei und sah im Augenwinkel, wie Felix dort stand und rauchte. „Rauchen ist auf der Bühne nicht gestattet." rief ich ihm zu und er drehte sich zu mir um. „Hast du nicht irgendwelche Anweisungen zu befolgen?" antwortete er patzig und es verschlug mir kurz die Sprache. Nett sein, Liv. Nett sein.
„Ist alles okay?" fragte ich, eher rhetorisch.
„Ja sorry ey, bin grad einfach n' bisschen genervt."
„Hmm." Ich nickte und ging schnellen Schrittes weiter Richtung Ausgang. Ich wollte nun wirklich nicht diejenige sein, die seine schlechte Laune abkriegt.
Draußen vor der Halle kramte ich in meinem Rucksack nach meinen Zigaretten und einem Feuerzeug. Zigaretten fand ich, das Feuerzeug nicht. Innerlich verfluchte ich Toni, der mit Sicherheit wieder einmal mein Feuerzeug eingesteckt hatte. Ich schaute mich um. Einige Meter neben mir stand ein Typ, ungefähr in meinem Alter, mit Zigarette in der Hand. Der hat bestimmt Feuer. Ich ging auf ihn zu.
„Hey, hast du Feuer?" fragte ich ihn freundlich und es schien, als hätte ich ihn grade aus seinen Gedanken gerissen.
„Eh, ja klar." er grinste mich an und hielt mir sein Feuerzeug hin. Ich zündete mir meine Zigarette an und gab es ihm wieder.
„Danke." antwortete ich und wollte mich grade wieder ein paar Meter wegstellen, als er ein Gespräch anfing.
„Du bist vom Eventmanagement, oder?" fragte er interessiert.
„Ja, genau. Ich bin für die Organisation zuständig." erklärte ich ihm. „Und wer bist du?"
„Ich bin Julian, Felix' Tourmanager." antwortete er knapp.
„Mein Beileid." entfuhr es mir und ich hätte mich im selben Moment für diesen schnippischen Kommentar ohrfeigen können.
Julian lachte. „Er ist gar nicht so verkehrt. Hat einfach nur einen schlechten Tag heute."
„Warum?" fragte ich neugierig nach.
„Seine Freundin hat gestern mit ihm Schluss gemacht. Aber erzähl' ihm nicht, dass ich dir das erzählt habe."
Ich nickte. „Ich verrate dich nicht." zwinkerte ich ihm zu und er grinste.
Ich drückte meine Zigarette in dem großen Aschenbecher vor dem Eingang aus und ging Richtung Tür.
„Wie heißt du eigentlich?" fragte Julian.
„Liv." antwortete ich, als ich die Tür öffnete.
„Freut mich, Liv." lächelte er und ich musste unweigerlich zurück lächeln.
„Mich auch." antwortete ich, ehe ich die Halle wieder betrat.

„Steht auf dem Rider auch irgendwas von Catering?" fragte mich Sarah, als ich zurück in den Backstage kam. Ich warf einen Blick auf die zwei Zettel vor mir. „Nein, davon steht hier nichts."
„Merkwürdig. Frag mal den Herrn Lobrecht, ob das so richtig ist. Normalerweise kriegen die Künstler hier immer noch Catering nach dem Auftritt."
Ich seufzte. „Kannst du ihn nicht fragen? Ich will so wenig wie möglich mit dem reden."
„Ich muss gleich noch mal in's Büro." sie sah mich ernst an. „Jetzt stell dich nicht so an. Er wird dir schon nicht den Kopf ausreißen."
„Da wäre ich mir nicht so sicher." murmelte ich vor mich hin, als ich die Tür öffnete und widerwillig zur Bühne ging.
Felix saß im Schneidersitz mitten auf der Bühne und starrte in den leeren Raum, als ich mich ihm von der Seite näherte.
Ich räusperte mich. „Entschuldigung?"
Er schaute mit leerem Blick zu mir rüber.
„Auf dem Rider steht nichts von Catering. Ist das richtig so?" fragte ich vorsichtig.
„Wenn ick' Catering gewollt hätte, würde wohl Catering drauf stehen, oder?" antwortete er und drehte seinen Kopf wieder nach vorne. Ich biss die Zähne zusammen, um mir einen blöden Spruch zu verkneifen. Ich wollte mich grade umdrehen und gehen, als er sagte „Komm mal her."
Ich schaute ihn verwirrt an, ging dann aber noch näher auf ihn zu.
„Setz dich." er deutete auf den Boden neben sich und ich setzte mich.
„Willst du ne Kippe?" fragte er und hielt mir eine Schachtel Lucky Strikes hin. Ich nickte und nahm eine Zigarette aus der Schachtel. Er tat es mir gleich und hielt mir sein Clipper hin. Ich zündete die Zigarette an und atmete den Rauch aus. Als ich ihm das Feuerzeug wieder geben wollte sprach er „Kannst du behalten." und winkte ab, also steckte ich es in meine Hosentasche. Er holte ein zweites hervor und zündete sich ebenfalls seine Zigarette an.
„Tut mir leid, dass ich dich heute Morgen fast überfahren hätte." sagte er nach einer Weile. „Ich war mit meinem Kopf woanders."
„Schon okay." antwortete ich. Ich bin ja auch nicht herzlos. Ich weiß, dass es scheiße ist, verlassen zu werden.
„Habt ihr die Scheinwerfer schon eingestellt?" fragte er mich.
„Ja. Sollten so laufen, wie du es wolltest." antwortete ich.
„Gut."
„Ich will dir nicht zu nahe treten, aber kannst du heute Abend wirklich auftreten?" unsicher sah ich ihn an, doch er starrte weiter unbeirrt in die leeren Reihen vor uns.
„Warum sollte ich das nicht können?" fragte er.
„Deine Laune ist unterirdisch." antwortete ich ihm ehrlich. Ich war mir unsicher, ob ich ein kurzes Grinsen in seinem Gesicht wahrnehmen konnte, oder ob ich mir das nur einbildete.
„Die ist weg, wenn ich auf der Bühne stehe." antwortete er.
Das würde ich mir für seine zwölftausend Fans, die sich auf den Abend freuen, auch dringend wünschen.
„Und woher kommt deine beschissene Laune?" fragte er.
Ich lachte. „Ich werde dir hier jetzt ganz sicher nicht mein Herz ausschütten."
Warum nicht?"
„Du bist mir unsympathisch." antwortete ich ehrlich und er sah mich an.
„Ich hab' dir ne Kippe spendiert." sprach er, so als würde das irgendwas an meiner Meinung über ihn ändern. „Du kennst mich überhaupt nicht." argumentierte er weiter.
„Noch ein Grund mehr, dir nicht mein Herz auszuschütten."
„Du bist jetzt auch nicht die sympathischste Person hier." entgegnete er patzig.
„Dann sind wir uns ja einig." gab ich trocken zurück, drückte meine Zigarette im Aschenbecher vor uns aus und stand auf.
„Der Backstagebereich ist übrigens fertig eingerichtet." informierte ich ihn, als ich die Bühne schnellen Schrittes verließ.
Klar, er hatte Recht. Ich kannte ihn nicht. Und vielleicht ging ich auch ein bisschen zu hart mit ihm ins Gericht. Aber sein Auftreten, die arrogante Art, die er an den Tag legte, damit wurde ich einfach nicht warm. Zu allem Überfluss erinnerte er mich auch noch viel zu sehr an meinen Exfreund. Außerdem mussten wir uns doch auch gar nicht mögen. Nach diesem Abend werden wir uns eh nie wieder sehen. Dachte ich.

Alles albern (Felix Lobrecht)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt