Herr Lobrecht

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Mit gepackten Koffern ging ich zur Lobby, in der Felix und Julian schon auf mich warteten. Felix' und meine Blicke trafen sich und auf seinem Gesicht formte sich ein schiefes Grinsen. In meinem Kopf spielten sich die Szenen von vorhin noch ein Mal im Schnelldurchlauf ab und auch ich musste grinsen. Mit einem Kribbeln im Bauch ging ich auf die beiden zu.
„Wartet ihr schon lange?" fragte ich.
„Nee, zehn Minuten oder so." antwortete Julian, der hastig auf seinem Handy herum tippte. „Wenn wir jetzt los fahren, brauchen wir zwei Stunden, laut Navi."
Felix schaute auf die goldene Rolex an seinem Arm. „Passt doch. Dann bringen wir schnell unsere Koffer in's Hotel und fahren direkt weiter zur Venue."
Beide sahen mich erwartungsvoll an und ich nickte. „Dann los."
Im Auto stellte Felix das Navi ein.
„Marburg." las ich von hinten aus dem Navi laut vor. „Hast du da nicht studiert?" fragte ich ihn.
„Ja, hab' ich." antwortete er. „Wird crazy, da heute aufzutreten."
„Im guten Sinn?"
„Sehen wir dann." lachte er und startete den Motor. Immer wieder blickte er mich während der Autofahrt durch den Rückspiegel an. Seine Augen hypnotisierten mich und man konnte das Verlangen zwischen uns wahrlich spüren.
Ich sah zu Julian, der direkt vor mir saß und wieder aus dem Fenster. Ich fragte mich, ob Felix ihm alles erzählt hatte oder ob er es bisher noch für sich behielt.
Die Musik im Auto änderte sich von Drakes' ‚War' zu ‚Careless Whisper' von George Michael und ich staunte nicht schlecht, als Felix plötzlich anfing, mehr schlecht als recht, mitzusingen und dazu noch übertrieben theatralisch zu gestikulieren. Auch Julian trällerte einige Stellen laut mit und ich musste lachen.
„Hey, was gibt's da hinten so zu lachen?" fragte Felix zwischen der lauten Musik.
„Ach, gar nichts. Alles gut." amüsierte ich mich.
„Die ist nur neidisch auf unser Gesangstalent." antwortete Julian ihm.
„Ja, absolut!" bestätigte ich ihm sarkastisch und sah durch den Rückspiegel zu Felix, welcher mir zu zwinkerte, bevor er voller Elan weiter sang. Breit grinsend und kopfschüttelnd sah ich wieder aus dem Fenster. Viele Bäume hatten schon ihre Blätter verloren, an einigen hingen noch vereinzelt ein paar bunte dran. Ich liebte diese Jahreszeit. Ich liebte die Kälte, die langsam Einzug erhielt. Den Nebel, der den Himmel und die Straßen verdunkelte. Noch ein paar Wochen und überall würden bunte Lichter in den Fenstern leuchten. Ein wohliges Gefühl überkam mich und hielt an, bis wir in Marburg ankamen.

„Es ist wunderschön hier." staunte ich, als wir vor dem Hotel aus dem Auto stiegen und ich mich umsah. „Was ist das dahinten?" fragte ich Felix und deutete auf ein riesiges, schloßähnliches Gebäude die Straße herunter.
„Die Uni." antwortete er und ich sah ihn überrascht an.
„Wow." es verschlug mir die Sprache.
„Ist schon was anderes als Berlin, wa?" amüsierte er sich über meine Wortkargheit und ich nickte. „An deiner Stelle wäre ich nie wieder zurück gekommen." lachte ich.
„Naja, es ist nicht alles Gold was glänzt." sprach er und überreichte mir meine Koffer.
„Klar. Aber wenigstens glänzt hier überhaupt irgendwas." erwiderte ich und er musste lachen.
Julian, Felix und ich betraten die Lobby des Hotels, welches Julian für uns ausgesucht hatte. Alles war hell und freundlich eingerichtet und an der Decke prunkten riesige Kronleuchter.
„Hi, wir haben drei Zimmer reserviert. Auf Lobrecht." sprach Felix die adrett gekleidete Frau am Empfang an.
„Wir freuen uns das sie hier sind, Herr Lobrecht." begrüßte sie ihn. „Ich überreiche ihnen schon einmal ihre Schlüsselkarten." sie legte drei weiße Karten mit den dazu gehörigen Zimmernummern auf den Tresen. „Wünschen sie einen Zimmerservice?"
„Nein, danke." antwortete er höflich und hielt uns die Zimmerkarten hin.
„Sollten sie sonst noch etwas brauchen, melden sie sich gerne bei uns. Ansonsten wünschen wir ihnen einen angenehmen Aufenthalt."
Wir verabschiedeten uns von der Dame und entfernten uns ein Stück vom Tresen.
„Becci hat mir grade geschrieben, dass sie auch jeden Moment hier sein müsste. Ich warte noch kurz auf sie." informierte uns Julian.
„Alles klar, ich bringe schon mal meine Koffer in's Zimmer und mache mich kurz frisch." erwiderte ich.
„Ich komm' mit." sprach Felix und korrigierte sich sofort. „Also, mit nach oben. Um meinen Koffer in's Zimmer zu bringen. In mein Zimmer. Nicht in deins." stammelte er und wir mussten beide lachen.
Kaum war die Tür des Aufzugs hinter uns geschlossen fielen wir übereinander her. Seine weichen Lippen fielen auf meine und der Duft seines Parfüms stieg mir in die Nase.
„Du hast mich angestarrt. Die ganze Fahrt über." sprach ich zwischen unseren intensiven Küssen.
„Ich bin auch noch nicht fertig mit dir." erwiderte er und drückte mich gegen den Spiegel des Aufzugs. Seine Hände glitten unter mein Shirt.
„Wir haben keine Zeit." seufzte ich bei seinen Berührungen.
„Lass mir meinen Spaß." erwiderte er schmollend und in dem Moment öffnete sich der Fahrstuhl.
„Was ist denn hier los?" amüsierte sich Kawus, der plötzlich vor uns stand. Sofort lösten wir uns voneinander.
„Dicker, was machst du denn hier?" etwas überrumpelt sah Felix ihn an.
„Das selbe könnte ich euch auch fragen." lachte unser Gegenüber.
„Ich dachte, du wärst mit Becci gefahren." versuchte Felix vom Thema abzulenken.
„Nee, bin mit Belz mit gefahren."
„Ah." erwiderte er.
„Müsst ihr hier raus, oder...?"
Ich schaute auf meine Zimmernummer. „Ja, müssen wir." peinlich berührt schnappte ich meine beiden Koffer und ging schnurstracks an Kawus vorbei, Felix folgte mir. „Wir sehen uns dann unten." rief er uns mit einem Lachen zu und stieg in den Fahrstuhl.
„So viel zum Plan, dass wir das erstmal für uns behalten." nuschelte Felix.
„War das der Plan?" fragte ich.
„Naja, meiner jedenfalls." lachte er. „Ich hab's ihnen vorhin nicht erzählt."
„Dann wissen sie es spätestens jetzt." ich blieb vor der Tür mit meiner Zimmernummer darauf stehen. „Treffen wir uns gleich unten?" fragte ich.
„Kommt drauf an." antwortete er.
„Worauf?"
„Ob du nicht vielleicht doch Hilfe beim ‚frisch machen' brauchst." breit grinsend sah er mich an.
Ich schüttelte den Kopf und lachte. „Wir sehen uns dann unten, ‚Herr Lobrecht'." sprach ich und verschwand in meinem Zimmer.

Alles albern (Felix Lobrecht)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt