Ich rollte meine Koffer in den Flur und zog mir meinen dicken Wintermantel über.
„Musst du los?" rief Toni, der im Wohnzimmer saß.
„Ja." rief ich zurück und er stellte sich in den großen Türrahmen, der Wohnbereich und Flur voneinander trennte.
„Versprichst du mir was?" fragte er und ich ahnte schon, worauf er hinaus wollte.
„Ich werde dir nicht versprechen, mir seine lächerlichen Erklärungen anzuhören." antwortete ich.
„Du bist anstrengend." seufzte er. „Na gut, dann versprich mir wenigstens, nichts Dummes anzustellen."
„Ich werde nichts Dummes anstellen." gab ich ihm mein Wort und streckte ihm meinen kleinen Finger entgegen. „Versprochen."
Er harkte seinen kleinen Finger um meinen. „Bis in 3 Wochen dann."
Ich atmete einmal tief ein und aus bei dem Gedanken an die nächsten Wochen. „Bis dann." wir umarmten uns zum Abschied. Er hielt mir die Wohnungstür auf, so dass ich mit meinen zwei Koffern hindurch konnte. Elendig langsam stieg ich die Treppe runter um Zeit zu schinden. Allein der Gedanke daran, Felix gleich wieder sehen zu müssen versetzte meinem Herzen einen Stich.
Mit einem großen Poltern platzierte ich meine Koffer auf den Bürgersteig vor dem Haus und sah mich um. Der weiße Mercedes war noch nirgends zu sehen. Ich holte eine Schachtel Zigaretten aus meiner Jackentasche und zündete mir eine an. Das Nikotin entfaltete sofort seine Wirkung und beruhigte mich ein wenig, aber noch lange nicht genug. Vielleicht sollte ich einfach einen der Junkies hier nach einem Schuss Heroin anpumpen. Danach wäre Felix mit Sicherheit mein kleinstes Problem.
Ich sah, wie in meine Straße ein weißes Auto einfuhr und als es näher kam, erkannte ich, dass es Felix war.
Julian stieg aus und half mir, die Koffer im Auto zu verstauen.
„Wir haben uns Sorgen gemacht. Gedacht, du kommst nicht mehr mit." sprach Julian leise. Anscheinend wollte er nicht, dass Felix etwas hörte, der im Auto sitzen blieb.
„Wollte ich auch nicht." erwiderte ich ernst. „aber ich hatte ja keine Wahl."
„Du bist unentbehrlich für ihn." flüsterte er und ich war mir nicht ganz sicher, ob er das bezogen auf die Arbeit sagte oder allgemein, also sprach ich patzig „Hätte er sich vorher überlegen sollen."
„Ich kann euch hören." rief Felix, ohne sich zu uns umzudrehen.
„Gut!" rief ich entschlossen zurück. Seine Art machte mich sauer. Er hielt es nicht mal für nötig, aus dem beschissenen Auto zu steigen und mich zu begrüßen? Klar, ich hätte ihn vermutlich abgewiesen, ihm einen bösen Blick oder einen pampigen Spruch zugeworfen, aber das war auch mein gutes Recht. Stattdessen saß er einfach nur da und würdigte mich keines Blickes. Was denkt er eigentlich, wer er ist?
„Komm, steig ein." unterbrach Julian meinen inneren Wutausbruch.
Auch als ich mich in's Auto setzte, sprach er kein Wort mit mir. Er wartete, bis sein Bruder die Tür hinter sich geschlossen hatte und fuhr los.
Zu meiner Verwunderung war es nicht Felix, der die Kontrolle über die Musik übernahm, sondern Julian. Er skippte einige Lieder durch, bis er endlich eins fand, welches er laufen lies.Zwanzigtausend Leute schreien mein' Namen,
Ich trag' fünfzigtausend Euro am Arm.
Wie soll es weitergehen? Ich habe kein' Plan.
Sie denken ich wär' reich, doch ich fühl' mich so arm.Ich schaute nachdenklich aus dem Fenster und lauschte den Zeilen der Musik.
ich hab' mit mir selber ein Problem.
Alles hat sein' Preis, was die Leute nicht verstehen.
Ach, was wollt ihr mir erzählen?Ich bemerkte, dass Felix den Text leise vor sich hin sprach. Mein Blick ging wieder nach vorne und ich beobachtete ihn durch den Rückspiegel.
Und wie oft bin ich meiner Frau fremdgegangen?
Ich hab' dir wehgetan, nennt mich nicht Ehrenmann.Er schaute durch den Spiegel zu mir nach hinten, unsere Blicke trafen sich. Mein Herz setzte einen Schlag aus und ich bekam eine Gänsehaut. Seine Augen waren leer und unter ihnen hatten sich schwarze Schatten gebildet. Er sah schlecht aus. Noch schlechter als ich, falls das überhaupt möglich war. Die letzten Tagen schienen auch an ihm nicht spurlos vorbei gegangen zu sein. Er litt. Zu recht. Er war es, der alles zerstört hatte. Er war es, der uns zerstört hatte. Falls es überhaupt jemals ein „Uns" gab. Stumm wendete ich meinen Blick wieder von ihm ab, spürte seinen aber noch deutlich eine Weile lang auf mir liegen.
Die ganze Fahrt über sprach keiner von uns ein Wort.
Als wir in Rostock ankamen nahm jeder seinen Koffer und wir liefen ins Foyer des Hotels. Plötzlich holte Julian erschrocken Luft.
„Was ist los?" fragte ich und warf ihm einen konfusen Blick zu.
„Ohje." brachte er hervor und sah uns entschuldigend an.
„Alter, was is?" wiederholte Felix genervt meine Frage.
„Ja, also es ist so..." stammelte er. „Ich hab die Hotels für diesen Teil der Tour schon vor ein paar Wochen gebucht. Logischerweise. Und ja, also es besteht die Wahrscheinlichkeit, dass ich euch vielleicht nur ein Zimmer gebucht habe." mit einem beschämten „hehe" beendete er den Satz und kratzte sich unsicher am Kopf. Felix und ich sahen ihn fassungslos an.
„Was denn? Ihr hattet die letzten Wochen immer ein Zimmer zusammen. Ich konnte ja nicht ahnen..." er ließ den Rest des Satzes unausgesprochen. „Ich dachte halt, das würde bis zum Tourabschluss so bleiben."
„Dachte ich auch." sprach ich und blickte seinen Bruder vorwurfsvoll an.
„Komm mir jetzt nicht so." erwiderte Felix und hielt meinem Blick stand.
Empört lachte ich auf. „Ich komm dir gleich noch ganz anders." zischte ich.
„Leute, hört auf euch zu streiten. Ich versuche, das zu klären. Vielleicht haben sie ja noch weitere Zimmer frei. Wartet hier." sprach er und ging ein paar Schritte auf den Empfang zu, dann drehte er sich noch einmal zu uns um. „Und zerfleischt euch bitte nicht."
„Meine Fresse ey, da kriegt man ja richtige Déjà Vus." hörte ich ihn noch murmeln, ehe er außer Hörweite war.
Felix und ich wandten uns voneinander ab. Wir zückten beide unsere Smartphones und taten so, als wären wir beschäftigt, um bloß nicht miteinander reden zu müssen. Kurze Zeit später kam Julian wieder zu uns und sein Gesicht sprach Bände.
„Geht nicht." war alles was er hervor brachte.
„Wie „geht nicht"? fuhr ich ihn an.
„Ja geht halt nicht. Die haben keine Zimmer mehr frei." antwortete er.
„Dann schlafe ich bei dir." protestierte ich.
„Oh ja, das hättest du wohl gerne, was?" entgegnete Felix mir sarkastisch.
„Ja, verdammt gerne!" pampte ich ihn an. „Na Julian, was hältst du davon? Du und ich? Wie in guten, alten Zeiten?" Ich ging einen Schritt näher auf Julian zu und sein Bruder kochte vor Wut.
„Ich teile mir ein Zimmer mit Kawus." antwortete er und trat einen Schritt zurück.
„Macht was ihr wollt." sprach Felix und nahm Julian passiv-aggressiv eine der drei Zimmerkarten aus der Hand. „Ich gehe jetzt auf MEIN Zimmer."
Als Felix rechts im Flur verschwunden war, kam Julian mir näher.
„Hör auf, mich dafür zu benutzen, ihn eifersüchtig zu machen." sprach er und wirkte dabei ziemlich sauer. „Ich hab dich gern, das weißt du. Aber er ist mein Bruder und wird immer an erster Stelle stehen. Zieh mich nicht in euer Drama mit rein."
„Tut mir Leid." gab ich kleinlaut zurück. „Aber er hat-„
„Ich weiß, was er getan hat, Liv. Und ich finde es absolut nicht in Ordnung. Aber das ist eine Sache zwischen dir und ihm, da mische ich mich nicht ein. Klärt das wie Erwachsene. Das seid ihr doch, oder?"
„Eine von uns schon." murmelte ich und fing mir einen scharfen Blick ein. „Ist ja gut!" brach ich schließlich ein. „Ich werde dann mal auf mein Zimmer gehen." ich hielt meine Hand auf und Julian gab mir die Zimmerkarte. „Du meinst wohl euer Zimmer."
„Ha Ha." äffte ich und folgte Felix.
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Alles albern (Felix Lobrecht)
Fanfiction[...] Ich seufzte und wollte, ohne mich um zu sehen, auf die andere Straßenseite wechseln, als mich plötzlich ein Auto anhupte und mit quietschenden Reifen nur Zentimeter vor mir zum stehen kam. „Hey, pass doch auf!" rief ich erschrocken. „Samma?! D...