Sag etwas

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„Du meinst das grade ernst, oder?" immer noch verwundert über seine Worte sah ich ihn an. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass er wirklich ernste Absichten hatte. Vor ein paar Tagen hatten wir uns noch bei jedem zweiten Satz in den Haaren und plötzlich hatten wir diesen unglaublich intensiven Sex und jetzt wollte er auch noch mehr davon? Mehr von mir?
„Ich meine das ernst." bestätigte er mit ernster Miene.
„Ich bin ein seelisches Wrack, dessen bist du dir bewusst, oder?" witzelte ich mit einer Spur Ernsthaftigkeit in der Stimme.
Er lachte. „Sind wir das nicht alle irgendwie?"
„Sag nicht, ich hätte dich nicht gewarnt."
Er kam mir näher und hielt mein Kinn hoch, so dass ich ihm in die Augen blicken musste. „Vertrau mir. Lass uns nicht darüber nachdenken und einfach Spaß haben. Wir werden sehen, wohin uns das führt. Wir haben nichts zu verlieren, oder?"
Die Wärme in seinen sonst so kühlen Augen ließ meine Unsicherheit verfliegen. Er hatte Recht. Wir haben nichts zu verlieren. Grade als er sich zu mir runter beugte, um mich zu küssen, öffnete sich die Tür zum Wellnessbereich, gefolgt von uns bekannten Stimmen.
„Aber dieses T-Shirt geht echt gar nicht. Wer hat sich dieses Design ausgedacht? Das besteht ja zu 90% aus Ärmeln." Hörte ich Kawus sagen, der mit Julian die Mitte des Raums betrat, als sie uns entdeckten.
„Was macht ihr denn hier?" fragte Julian überrascht.
„Na, Wellness. Was sonst?" antwortete Felix wie selbstverständlich.
„Ah ja." skeptisch blickte er zu mir und ich spürte, dass meine Wangen noch immer glühten vom Sex. Ich betete, dass Julian dies nicht bemerken würde. Eigentlich könnte es mir egal sein, aber ich wollte auch nicht die notgeile Schlampe sein, die sich gleich seinen Bruder krallt, nachdem er die Sache zwischen uns beendet hatte.
„Wir wollten auch grade in die Sauna." erklärte Kawus, den der Anblick von Felix und mir wohl überhaupt nicht überraschte. „Wollt ihr mit?"
Felix schaute mich fragend an.
„Ich muss noch meine Koffer packen, alle meine Klamotten sind verteilt im ganzen Zimmer." lachte ich. „Aber geht ruhig."
„Okay, bin dabei." sprach er zu Julian und Kawus. Eine kurzer Blick folgte zurück zu mir. Als wäre er sich nicht sicher, wie er sich nun von mir verabschieden sollte. Mit vielsagenden Blicken machten wir uns gegenseitig klar, dass ein Kuss vor den beiden wohl zu früh wäre.
„Wir sehen uns dann später bei der Abreise." sagte er schließlich und lächelte mir zu.
Ich nickte, zog mir den Bademantel über, nahm mein Handy und ging hoch auf mein Zimmer.

Dort angekommen setzte ich mich aufs Bett und versuchte, meine Gedanken zu ordnen. Ich hatte nun also so etwas wie eine Affäre. Mit Felix. Meinem Chef. Auch wenn er sagte, wir sollten uns keine Gedanken darüber machen und es einfach genießen, womit er grundsätzlich recht hatte, machte mir das alles ein bisschen Angst. Sollte das, aus welchem Grund auch immer, nicht funktionieren oder sogar böse enden, wäre das für unsere geschäftliche Beziehung fatal. Andererseits...
Ich ließ mich rücklings aufs Bett fallen. Dieser Mann hatte etwas an sich, was mir gleichzeitig Geborgenheit und das Gefühl von Abenteuer gab. Niemals hätte ich es für möglich gehalten, dass ich mich bei ihm so sicher fühlen würde.
Ich nahm mein Handy zur Hand um meine Nachrichten zu checken und sah, dass ich zwei Anrufe in Abwesenheit hatte. Beide waren von Toni. Ich hatte vollkommen vergessen, ihm über die letzten Tage Bericht zu erstatten, also entschied ich mich dazu, ihn über FaceTime anzurufen.
Es klingelte kurz, dann erschien sein Gesicht auf meinem Display.
„Aloha, mein Schatz." breit grinsend schaute er in die Kamera.
„Hey Toni." freute ich mich, meinen besten Freund endlich wieder zu sehen.
„Gut siehst du aus. So... erholt. Raus aus Berlin zu kommen scheint dir gut zu tun." sprach er.
„Ja, es macht echt Spaß hier. Wie geht's dir?" fragte ich.
„Ach, wie immer. Du weißt ja, viel zutun."
„hm." nickte ich.
„Wie geht's dir? Wie läufts mit deinem Stecher?" er wackelte mit den Augenbrauen.
„Ehm, ist viel passiert die letzten Tage. Ich versuch's mal aufs wesentliche runter zu brechen: das mit mir und Julian ist vorbei, weil Felix uns im Backstage mehr oder weniger beim Sex erwischt hat. Er ist dann komplett ausgeflippt und um die Beziehung zwischen ihm und seinem Bruder nicht auf die Probe zu stellen, hat Julian es beendet."
„Oh, das ist ja blöd gelaufen. Also gibt's keinen heißen Lobrecht-Sex mehr?"
„Naja..."
„Liv?! Was war das grade für ein Blick?" amüsierte sich Toni. „Erzähl mir alles!"
Ich lachte. „Ich habe dir ja von dieser Spannung erzählt, die zwischen Felix und mir herrschte..."
„Jaaa?!"
„Naja und vorhin, also ich weiß auch nicht so ganz, wie das passieren konnte, aber irgendwie naja.."
„Komm zum Punkt." ungeduldig rutschte Toni vor der Kamera hin und her.
„Ich hatte Sex mit Felix." sprach ich in doppelter Geschwindigkeit. Um keinen Blickkontakt zu ihm aufnehmen zu müssen, kniff ich voller Scham die Augen zusammen. Langsam öffnete ich ein Auge und sah, wie Toni sich die Hände vor den Mund hielt.
„Sag etwas." flehte ich.
„Ich war nie stolzer auf dich." antwortete Toni theatralisch, wischte sich eine imaginäre Träne von der Wange und ich musste lachen. „Wie war es?"
Meine Gedanken schweiften kurz ab, bevor ich antwortete. „Der Wahnsinn."
„Du kleiner Schlingel. Zwei Brüder, das ist jedermanns Traum!"
„Ist es das?" fragte ich leicht skeptisch.
„Naja, meiner jedenfalls." lachte er. „Und wie geht's jetzt weiter mit euch? War das ne einmalige Sache, oder...?"
„Habe ich auch gedacht, aber er hat mich danach gefragt, ob wir das so weiter führen wollen und schauen, wohin uns das bringt."
„Na hör mal! Da haste ihn wohl mit deinen Eigenschaften auf ganzer Linie überzeugt!" stolz sah er mich an. „Was hast du daraufhin gesagt?"
„Ich hab ‚Ja' gesagt."
Ein hohes, freudiges Quietschen tönte aus den Lautsprechern meines Handys. „Ich höre schon die Kirchenglocken läuten."
„Gar nichts hörst du!" machte ich klar. „Vielleicht klappt's ja auch gar nicht."
„Vielleicht aber doch. Ach, ich würde mich so für dich freuen." ein breites Grinsen legte sich auf sein Gesicht.
„Wir werden sehen." blieb ich realistisch. „Du, ich muss jetzt meine Koffer packen. Wir reisen heute Abend weiter."
„Alles klar. Viel Spaß weiterhin und meld' dich mal. Ich habe schon Angst, dass du mich vergisst."
„Niemals würde ich dich vergessen. Ich melde mich. Kuss." ich warf ihm einen Luftkuss zu und beendete den Anruf.
Ach Toni, ich vermisse dich.

Alles albern (Felix Lobrecht)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt