Felix' Sicht
Am nächsten Morgen wurde ich noch vor meinem Wecker wach. Ich spürte Olivias warmen Körper an meinem. Ihr Kopf lag auf meiner Brust, mit ihrem linken Arm umschlang sie meinen Bauch. Ein Lächeln legte sich auf meine Lippen. Wie sehr hatte ich das die letzten Tage vermisst. Gleichzeitig aber zwang ich mich, nicht zu viel Hoffnung in die Situation zu legen. Es war vermutlich nur ein Versehen, alte Gewohnheit, dass sie sich im Schlaf an mich kuschelte. Ihren Standpunkt hatte sie gestern ja deutlich gemacht. Aber sollte es das wirklich einfach gewesen sein? Das durfte nicht sein. Das zwischen uns war zu intensiv, zu echt, um so zu enden. Die letzten Wochen mit ihr gaben mir so viel. Sie gab mir so viel. Ich entdeckte Seiten an mir, die ich selber noch nicht kannte. Empfand Emotionen, die mich völlig aus der Bahn warfen. Ich mochte den Felix der ich war, wenn sie da war. Ich mochte den Felix der ich geworden war, weil ich sie liebte. Sollte das alles nichts wert sein? Nutzlos?
Was sollte ich tun, um ihr Vertrauen zu mir wieder aufzubauen? Sie war gebrochen. Schon lange bevor wir uns kannten. Jemandem vertrauen zu können war für sie die schwerste Hürde und trotzdem hatte ich es irgendwie geschafft, ihre harte Schale zu brechen. Sie hatte mir vertraut, aber ich musste es zerstören. Ich hasste mich dafür. Wahrscheinlich noch mehr, als sie mich dafür hasste. Ich wusste, was ich tat und trotzdem tat ich es. Ergab das Sinn?
Ach, keine Ahnung. Im Grunde habe ich doch auch nur ein Problem mit mir selber. Wenn ich mir das mal wirklich eingestehen würde. Ein Mensch, der egal wo er war in seinem Leben, niemals irgendwo so wirklich reingepasst hat. Ich war alles und gleichzeitig nichts. Irgendwo tief in mir drin hatte ich wohl mein Leben lang eine Identitätskrise und habe sie auch immer noch. Eins der vielen Dinge, welche ich mit meinem Job wahrscheinlich kompensieren will. Wenn ich auf der Bühne stand war jedes Problem wie weggeblasen. Umso schlimmer wurde es dann, wenn ich die Bühne wieder verließ. An Off Days, besonders wenn ich alleine zuhause war, war es am schlimmsten. Da war einfach eine Leere in mir, die nur die Bühne füllen konnte. Bis Olivia kam. Mit ihr war es leichter. Mit ihr war alles leichter. Ich wollte sie nicht aufgeben. Ich konnte sie nicht aufgeben. Ich entschied zu tun, was auch immer nötig war, um sie zurück zu gewinnen. Komme, was wolle.
Das Klingeln meines Weckers riss mich aus meinen Gedanken. Schnell griff ich nach meinem Handy und der grelle Ton erlosch. Olivia zuckte zusammen, schnellte ihren Kopf nach oben und sah mich mit müden Augen erschrocken an.
„Alles gut, war nur mein Wecker." beruhigte ich sie und streichelte ihren Hinterkopf. Als sie merkte, wie nah wir uns waren, setzte sie sich schlagartig auf.
„Sorry, ich..." begann sie. „Ich wollte nicht - „
„Ich weiß." unterbrach ich sie. „Aber es war schön." ich lächelte sie an und einen Moment lang hatte ich die Hoffnung, sie würde sich einfach wieder zurück legen. In meine Arme. Doch das tat sie nicht.
„Wir sollten Julian fragen, ob er wenigstens für Münster unsere Zimmer neu buchen konnte." sprach sie stattdessen kalt. Enttäuscht darüber, dass sie scheinbar wirklich mit uns abschließen wollte, stand ich wortlos aus dem Bett auf und ging in's Bad. Gedankenverloren stand ich im Raum.
Münster. Die absolut letzte Stadt in der ich in meiner jetzigen Verfassung sein wollte. Ich wusste schon jetzt, was in den nächsten 2 Tagen auf mich zu kommen würde. Ich ertrug es einfach nicht, dort zu sein. Wahrscheinlich hatte Julian schon mit Oma und Opa abgemacht, dass wir auf Kaffee und Kuchen bei ihnen vorbei kommen würden. Nicht, dass ich meine Großeltern nicht lieben würde, aber früher oder später kam immer dieses eine Thema auf: meine Mutter.
In meinem Alltag konnte ich immer gut runterspielen wie's mir mit ihrem Tod ging. In Münster war das anders. Sie war dort. Ich meine, nicht nur ihr Grab. Es schien, als würde sie in jeder Fassade, jedem Stein, jedem Baum dieser Stadt stecken. Ich erkannte sie in allem und es zerriss mich jedes Mal auf's Neue. Ich war nicht stark genug dafür. Nicht jetzt. Nicht mit all dem, was grade los war. Aber ich hatte keine Wahl. Die Show war geplant und restlos ausverkauft. Ich hatte keine Zeit für einen Zusammenbruch, also gab es nur eine Möglichkeit: einfach durchziehen. Wie sagt man so schön? The Show must go on.
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Alles albern (Felix Lobrecht)
Fanfiction[...] Ich seufzte und wollte, ohne mich um zu sehen, auf die andere Straßenseite wechseln, als mich plötzlich ein Auto anhupte und mit quietschenden Reifen nur Zentimeter vor mir zum stehen kam. „Hey, pass doch auf!" rief ich erschrocken. „Samma?! D...