Albtraum

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„Ich bitte dich, Olivia. Mach dich nicht lächerlich. Das war eine kleine Respektschelle, weiter nichts." Marco schaute mit amüsiertem Blick auf mich herunter, während ich mir die Wange hielt. „Warum tust du das?" fragte ich, als ich mit Tränen in den Augen zu ihm hoch sah.
„Sei nicht immer so frech, dann muss ich das auch nicht tun. Eine Frau hat ihren Mann mit Respekt zu behandeln. Sei froh, dass ich nicht doller zu geschlagen habe." mit einem zufriedenen Grinsen im Gesicht ließ er mich weinend auf dem Küchenboden zurück.

Schweißgebadet wachte ich auf.
Es war nur ein Traum.
Das letzte Mal, dass ich von meinem Exfreund geträumt hatte, war lange her. Das Gespräch mit Felix musste meine Erinnerungen aufgewühlt haben. War es schon Morgen? Ich schaute aus dem Fenster. Die Sonne brannte auf die Dächer Kölns.
Ich stieg aus dem Bett, ging in's Badezimmer und sah mich im Spiegel an. Auf meiner Stirn hatten sich Schweißperlen gebildet. Ich fuhr mit meinen Fingern nachdenklich über die Narben oberhalb meines rechten Hüftknochens.
„Du bist genug." sprach ich mir im Spiegel gut zu.
Um den Kopf frei zu bekommen entschied ich mich dazu, runter in den Fitnessraum zu gehen und mich auszupowern. Auch wenn ich mich dank des Traums wie überfahren fühlte. Ich wollte Marco keine Macht über mich geben. Nie mehr. Nicht mal in meinen Träumen.

Aus meinen AirPods tönte Rise Against, während ich gedankenverloren die große Hantel vor mir immer wieder hoch und runter stemmte. Plötzlich tippte mich jemand von hinten an und reflexartig zuckte ich heftig zusammen. Ich drehte mich um, sah Felix grinsend vor mir stehen und stoppte mit zwei Mal tippen auf meine Kopfhörer die Wiedergabe.
„Oh, du bist es." sprach ich, erleichtert über seinen Anblick.
„Hast du dir jemand anderen erhofft?" witzelte er.
„Ich glaube, ich war nie froher dich zu sehen." antwortete ich und meinte es auch so.
„Ist alles okay?" fragte er und sah mich besorgt an.
„Ja, alles gut. Habe einfach nicht gut geschlafen."
Skeptisch betrachtete er mich. „Wenn du immer so mit der Hantel arbeitest, machst du deinen Rücken kaputt." wechselte er das Thema, als er merkte, dass ich nicht weiter darauf eingehen würde.
„Sieht man also, dass ich keine Ahnung habe, was ich hier tue?" fragte ich.
„Das sieht jeder Blinde." lachte er. „Warte, ich zeig's dir."
Er stellte sich hinter mich und ich schaute ihn durch den großen Wandspiegel vor uns an. „Zuerst einmal musst du deine Beine weiter auseinander machen."
„Das sagst du bestimmt zu jeder Frau."
Ein schiefes Grinsen legte sich auf sein Gesicht. „Konzentrier' dich."
„Sorry." sprach ich und stellte meine Beine auseinander.
„Und jetzt das Wichtigste: du musst aus den Beinen heben, nicht aus dem Rücken. Wir wollen diese Muskeln trainieren." mit seinen Händen fuhr er an meinen Oberschenkeln entlang und über meine Po. Ich zuckte unter seinen Berührungen zusammen.
„Bauchmuskeln anspannen, Oberkörper und Rücken grade halten." sprach er, während ich in die Knie ging um die Stange mit beiden Händen fest umfassen zu können.
„Beine nicht komplett durchstrecken." erklärte er, als ich die Hantel vom Boden hob. „Und erst mit dem Rücken aufrichten, wenn die Stange auf Kniehöhe ist." seine Beobachtungen machten mich nervös.
„Ja, genau so. Position für 2 Sekunden halten und langsam wieder die Stange senken... Knie beugen... perfekt."
„Bist du nebenberuflich auch noch Fitnesstrainer?" fragte ich ihn, als ich die Hantel ablegte und ihn ansah.
„War ich tatsächlich mal." lachte er. „Naja, sowas in der Art zumindest."
„Hm." ich nickte. „Ich wollte ein paar Aggressionen raus lassen."
„Dafür gibt's aber bessere Möglichkeiten als Hanteltraining."
Ich hob eine Augenbraue. „Die da wären?"
„Nicht das was du denkst, du kleines Sexferkel." lachte er. „Komm mit."
Ich folgte ihm auf eine kleine Matte, neben der auf einem Tisch zwei große Boxhandschuhe, Tape und zwei Pratzen lagen.
„Ich bin jetzt dein Sparringspartner." sprach er und zog die zwei Pratzen über seine Hände.
„Mein was?" fragte ich verwirrt und er nahm das Tape. „Gib mir deine Hand."
Er umwickelte zuerst meine rechte Hand und mein Handgelenk mit Tape, dann meine linke.
„Zieh die Boxhandschuhe an." ohne mir weiteres zu erklären schaute er mich an. „Na los."
Ich nickte und zog die beiden Boxhandschuhe über.
„Und jetzt, schlag zu." er stellte sich vor mich und hielt seine Hände vor seine Brust.
„Ernsthaft?" fragte ich etwas unsicher.
„Klar. Lass alles raus." erwartungsvoll stand er da und ich fing an, auf die Pratzen an seinen Händen einzuschlagen. Erst vorsichtig, dann immer härter. „Was hat dich so aggressiv gemacht?" fragte er, während ich weiter machte.
„Hatte einen beschissenen Traum." erklärte ich energisch boxend.
Nach kurzer Zeit gaben meine Arme nach und ich war völlig aus der Puste.
„Schlechte Kondition. Musst weniger rauchen." lachte er.
„Das sagt der Richtige."
„Ich weiß." gab er zu. „Geht's dir besser?"
„Ein bisschen." antwortete ich und lächelte ihn an.
„Dann ist meine Pflicht hiermit erfüllt." sprach er und zog sich die Pratzen aus.
„Danke." ich zog die Handschuhe aus und zog das Tape von meinen Händen. „Ich hoffe, ich habe dich nicht vom Training abgehalten."
„Hatte eh keine Lust." gab er lachend zu. „Hast du Hunger?"
„Und wie."
Er hielt mir die Hand hin. „Dann komm, wir gehen was essen."
Ich schaute auf seine Hand und wieder zurück in seine Augen, die mich freundlich anschauten. Dann legte ich meine Hand in seine und folgte ihm.

Alles albern (Felix Lobrecht)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt