Bin ick nich' der Typ für

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„Willst du mir erzählen, was du geträumt hast?" fragte Felix, als wir im Restaurant des Savoys saßen.
„Davon möchte ich lieber absehen." antwortete ich, während ich mir den letzten Bissen meines Marmeladenbrötchens in den Mund schob.
„So schlimm?" leicht bedrückt blickte er mich an.
„Ich möchte das einfach nur schnell wieder vergessen."
„Hm." er nahm einen Schluck aus seiner Kaffeetasse.
„Du siehst aber heute auch nicht grade erholt aus." merkte ich an.
„Ich bin echt ausgelaugt. So ne Tour ist immer anstrengend, egal wie geil es ist, auf der Bühne zu stehen."
„Was machst du denn, um dich zu entspannen?" fragte ich.
„Wichsen." er lachte kurz auf. „Nee, Spaß. Keine Ahnung. Bin ick nich' der Typ für."
„Du bist kein Typ zum entspannen? Was ist das denn für ne Aussage?"
„Naja, ich bin eben die ganze Zeit voll im Drive so. Ich kann gar nicht richtig entspannen, glaube ich. Ich hab' einfach immer n' schlechtes Gefühl, wenn ich mal so gar nichts mache."
Ich sah ihn skeptisch an. „Wir sind immer in Top Hotels, mit Wellnessbereich und pipapo. Nutzt du das nicht?"
„Nope." er lachte. „Julian macht diesen Shit immer. Sauna und Whirlpool und so. Ich hab' das noch nie gemacht."
„Dann machen wir das heute." entschied ich.
„Dein Ernst?" lachte er.
„Klar, warum nicht? Oder hast du was anderes zutun?"
Er überlegte kurz. „Naja, nein. Aber - „
„Nichts Aber." unterbrach ich ihn. „Wir können beide ein bisschen Wellness gebrauchen. Du wirst sehen, das tut gut."
„Na gut. Aber ich werde keinen Bademantel tragen." machte er klar.
„Damit kann ich leben." lachte ich.

Ich wartete vor der Tür zum Wellnessbereich auf Felix und schaute in den Spiegel neben mir. Ich sah in Bademänteln grundsätzlich lächerlich aus, was größtenteils daran lag, dass ich verdammt klein bin. Jeder noch so kurze Bademantel ging bei mir mindestens bis zu den Schienbeinen und lies mich sehr unförmig aussehen. Kein Wunder, dass Felix keinen tragen wollte. Ich konnte es ihm nicht verübeln.
„Du siehst aus wie ein kleiner Schneemann." hörte ich ihn neben mir sagen und drehte mich um. Felix stand nur in einer roten Badehose und Adiletten gekleidet vor mir.
„Wenigstens werde ich mir nicht den Tod holen." erwiderte ich gespielt eingeschnappt.
„Das nehme ich in Kauf." lachte er. „Na los, dann zeig mir mal, wie man sich entspannt."
Ich öffnete die Tür zum Wellnessbereich und vor uns erstreckte sich ein riesiger Raum mit lila Lichtern, einem großen Pool, einem kleineren Whirlpool und mehreren Liegen. Auf der anderen Seite des Raums war eine weitere Tür auf der, in großen Buchstaben, das Wort ‚Sauna' stand.
Wir liefen auf zwei Liegen zu und legten unsere Handtücher und Handys darauf. Dann ging Felix schnellen Schrittes Richtung Whirlpool und ehe ich mich versah, saß er drin.
„Komm." er winkte mich zu sich. „Worauf wartest du? Komm rein." fragte er, als ich vor ihm stand.
Ich entledigte mich dem Bademantel und spürte seine Blicke auf mir. Ich trug nun nur noch meinen knappen, schwarzen Bikini mit goldenen Akzenten und schlüpfte schnell neben ihm in's warme, blubbernde Wasser.
„Verrückt, dass hier niemand ist außer uns." sprach ich, um die leicht unangenehme Stille zu unterbrechen.
„Ich glaube, die wenigsten hier haben an einem Dienstag Vormittag Zeit für Wellness." stellte er fest.
„Stimmt. Dafür muss man schon ein erfolgreicher Comedian sein, um sich das leisten zu können."
„Oder die Veranstaltungspüppi eines erfolgreichen Comedians." neckte er.
„Touché."
Eine Weile war es still, dann sprach er etwas an, dass ihm schon seit gestern auf der Seele gebrannt haben musste.
„Deine Narben..." sprach er und sah mich dabei eindringlich an. „hast du dir selbst zugefügt?"
„hm." ich nickte und versuchte, seinem Blick auszuweichen.
„Warum?"
„Würdest du nicht verstehen, selbst wenn ich es dir erkläre."
„Versuch's mal." drängte er.
„Es gab ne' Zeit in meinem Leben, eine sehr lange Zeit sogar, in der ich sehr traurig war. Irgendwann stieg diese Traurigkeit in Wut um. Und aus dieser Wut wurde irgendwann Leere. Ich spürte einfach gar nichts mehr. Weder Trauer, noch Wut und auch keine Freude. Da war einfach nichts. Weißt du, niemand will Trauer spüren. Oder Wut. Oder irgendeine andere negative Emotion. Aber weißt du was schlimmer ist, als eine dieser Emotionen zu spüren? Nichts zu spüren. Solange dein Körper auf Ereignisse mit jeglicher Emotion reagiert, weißt du, dass du lebst. Wenn da aber nichts mehr ist, fragst du dich irgendwann, ob du überhaupt noch irgendwas spürst."
„Also hast du dir körperlichen Schmerz zugefügt?"
„Genau. Es tat gut, wieder etwas zu fühlen. Auch wenn's der brennende Schmerz einer Wunde war." ich sah ihn an. „Mittlerweile komme ich aber klar."
„Hm." er nickte. „Ich verstehe."
„Wirklich?" fragte ich unglaubwürdig.
„Macht schon Sinn, wie du es erklärt hast. Ich hab manchmal depressive Phasen und ich will mir nicht vorstellen wie's ist, das über einen langen Zeitraum zu haben."
„Du hast depressive Phasen?" fragte ich.
„Ja, immer mal wieder. Weiß nicht genau, woher die kommen. Ich mein, klar. Meine Mutter ist früh gestorben. Schätze, das macht was mit einem. Aber ob's daher kommt, keine Ahnung."
Nachdenklich beobachtete ich das blubbernde Wasser.
„Naja, Schluss jetzt mit der Trauerstimmung. Lass uns schwimmen." sprach er energisch und sprang aus dem Whirlpool.
„Schwimmen?" fragte ich verwirrt.
„Ja. Oder kannst du das nicht?" lachte er, als er an Poolrand stand.
„Natürlich kann ich schwimmen!" sprach ich und stieg ebenfalls aus dem kleinen Pool und stellte mich neben ihn. „Ich hab sogar das Gold-Abzeichen."
„Streber." lachte er. „Dann zeig mal was du kannst." sprach er und schubste mich unsanft in's Wasser.
„Hey!" beschwerte ich mich, als ich wieder auftauchte und hoch zum Rand schaute, wo Felix vorher stand, doch er war weg.
„Hier bin ich." hörte ich ihn hinter mir und wollte mich grade umdrehen, als er meinen Kopf unter Wasser drückte.
Als ich wieder auftauchte blickte ich ihn böse an. „Nicht döppen!" protestierte ich. „Weil du dich nicht wehren kannst?" provozierte er und grinste mich breit an.
„Na warte." mit aller Kraft hob ich mich ein wenig aus dem Wasser und drückte Felix Kopf herunter.
Als er nur wenige Zentimeter vor mir wieder auftauchte, standen seine Haare zu allen Seite ab und er sah mich genervt an, was mich zum Lachen brachte.
„Du hast angefangen!" verteidigte ich mich und sah ihn an. Seine blauen Augen starrten mich an und versetzten mir ein Kribbeln im Bauch. Sein linker Arm schlang sich um meine Taille, mit seiner anderen Hand strich er mir die Haare aus meinem Gesicht. Unsere Gesichter kamen sich näher und unsere Lippen kollidierten aufeinander.

Alles albern (Felix Lobrecht)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt