Das Café, welches meine Mutter für unser Treffen vorgeschlagen hatte, war fußläufig von Felix' Wohnung in wenigen Minuten zu erreichen. Als wir ankamen, blieb ich kurz stehen und atmete vor der Tür noch einmal tief ein und aus. Die Nervosität stieg bis in's Unendliche und mein Herz schlug mir bis zum Hals. Felix warme Hand legte sich in meine und umschloss diese. „Ich bin da."
Dankbar nickte ich ihm zu, ehe ich die Tür öffnete und wir eintraten. Ich schaute mich um und erkannte meine Mutter in der Ecke des Raums an einem runden Tisch sitzen. Als wir uns ihr näherten bemerkte ich, dass ihre schwarzen, langen Haare in den letzten Jahren deutlich ergraut waren. Sie sah viel älter aus, als ich sie in Erinnerung hatte. Kleine Falten zeichneten sich um ihre Augen ab. Außerdem war sie deutlich dünner als das letzte Mal als wir uns sahen. Nervös drückte ich Felix' Hand leicht zusammen. „Hallo Mama." sprach ich, als wir am Tisch angekommen waren. Mit großen Augen sah sie mich an, stand auf und drückte mich in eine starke Umarmung. „Mein Gott, siehst du erwachsen aus." sprach sie, als wir uns voneinander lösten und sie mich von oben bis unten begutachtete. „Du hast deine Haare ab geschnitten. Steht dir sehr gut." bemerkte sie und lies eine Strähne durch ihre Hand wandern.
„Danke." gab ich lächelnd zurück. „Mama, das ist Felix. Mein Freund." deutete ich neben mich. Mit strahlenden Augen sah sie ihn an.
„Freut mich sehr." sprach Felix und schüttelte sanft die Hand meiner Mutter.
„Und mich erst. Nenn mich gerne Susi. Da hast du dir aber einen hübschen jungen Mann gesucht, Olivia." gab sie begeistert zurück und ich spürte, wie mir die Röte in's Gesicht stieg.
„Mama..." sprach ich vorwurfsvoll und peinlich berührt zugleich.
„Was denn? Das darf man doch wohl so sagen, oder nicht?!" fragte sie und schaute dabei auffordernd zu Felix.
„Lass uns bitte einfach setzen." flehte ich und unterbrach dabei seinen Versuch, etwas darauf zu antworten. Er und meine Mutter nickten. Wir legten unsere Jacken ab und setzten uns an den Tisch. Ein kleiner Kellner mit lockigen Haaren und großer Brille nahm unsere Bestellung auf und verließ uns so gleich wieder.
„Dein Papa und ich waren ganz überrascht, als Maja uns von dir und deinem neuen Freund erzählt hat." begann meine Mutter.
„Ich hatte Maja doch gar nichts erzählt." wunderte ich mich.
„Sie sagte, sie hätte es auf deinem Instagram gesehen. Ich kenne mich mit sowas ja nicht aus." erklärte sie.
Ach ja. Da fiel es mir wieder ein. Ich hatte ein einziges Mal ein Bild von mir und Felix in meine Story gepostet. Das musste meine Cousine gesehen haben und darauf hin natürlich sofort meine Eltern informieren.
„Wir wussten ja gar nicht, dass du nicht mehr mit Marco zusammen bist."
Ich warf ihr einen strengen Blick zu. Den Exfreund beim Treffen mit dem neuen Freund zu erwähnen, war nicht die feine, englische Art.
„Schon lange nicht mehr." erwiderte ich knapp.
„Seid ihr denn schon länger zusammen?" fragte sie neugierig.
In dem Moment brachte uns der Kellner unsere Kaffees und stellte diese vor uns auf den Tisch.
„Noch nicht so lange." antwortete ich.
„Ihr seht auf jeden Fall sehr glücklich aus. Du scheinst meiner Tochter gut zutun." wandte sie sich Felix zu und dieser lächelte. „Ich gebe mir Mühe."
„Du bist Komiker, richtig?" fragte sie und ich musste schmunzeln. Wohl wissend, dass Felix das Wort „Komiker" verabscheute.
„Stand-up Comedian, genau." gab dieser zurück.
„Das ist ja wahnsinnig interessant. Ich habe dich aber noch nie im Fernsehen gesehen."
„Ich finde auch eher im Internet statt. Also YouTube und sowas. Vom deutschen Fernsehen halte ich mich generell eher fern." erklärte er.
„Da muss ich mir später mal was von dir ansehen." freute sich meine Mutter.
„Ich glaube nicht, dass das dein Humor ist, Mama." lachte ich bei dem Gedanken daran, dass sie sich tatsächlich ein Video von Felix anschauen könnte.
„Na, wer weiß. Ich gebe dir dann gerne Feedback." lachte sie mit mir.
Wir unterhielten uns eine ganze Weile über Gott und die Welt, über meinen Job, über ihren Job und über alles, was so die letzten 2 Jahren bei uns passiert war. Zu meiner Überraschung fühlte ich mich wirklich wohl und es tat gut, endlich wieder mit ihr zu reden. Vielleicht hatte ich ihr Unrecht getan. Vielleicht war es ein Fehler, den Kontakt zu ihr abzubrechen. Irgendwie war sie ja selber einfach nur gefangen in dem Leben, dass sie und mein Vater sich aufgebaut hatten. Nach einer Weile entschied ich mich dazu, sie nach ihm zu fragen.
„Wie geht's Papa eigentlich?"
Ihr Lächeln verschwand und ihre Augen wirkten traurig. „Naja, du kennst ja deinen Vater." antwortete sie knapp und mich überkam die Enttäuschung darüber, dass er sich scheinbar in all den Jahren nicht geändert hatte.
Felix legte seine Hand auf meinen Oberschenkel. „Ich geh mal kurz auf die Toilette." informierte er uns und stand vom Tisch auf.
„Du hast wirklich Glück mit deinem Freund." lächelte sie ihm hinterher. „Er scheint ja auch gut zu verdienen, bei der dicken Uhr am Arm."
Perplex sah ich sie an. Was sollte denn so eine Aussage?
„Weißt du, dein Vater hat uns ganz schön in die Scheiße geritten." erklärte sie. „Grade die letzten Monate waren nicht leicht für uns. Wir stehen kurz davor, dass uns der Strom abgestellt wird. Dein Vater hat unsere gesamten Ersparnisse auf den Kopf gehauen."
„Das tut mir leid. Aber was genau hat das mit Felix' Verdienst zutun?" fragte ich vorsichtig.
„Ich wollte das eigentlich nicht tun, aber ich sehe mittlerweile keinen anderen Ausweg und euch scheint es ja finanziell sehr gut zu gehen und da dachte ich"
„Warte, warte!" unterbrach ich sie. „1. Felix' Geld ist sein Geld, davon habe ich absolut nichts. 2. Du willst ihn nicht ernsthaft nach Geld fragen, oder?" fassungslos sah ich sie an.
„Ihr führt doch eine Beziehung. Da kann er dir bestimmt ein bisschen Geld leihen, dass du uns geben kannst. Für ihn sind das doch Peanuts." erklärte sie, als wäre ihre Ausführung selbstverständlich.
„Das war von Anfang an dein Plan." murmelte ich vor mich hin. „Nur deswegen wolltest du ihn kennenlernen. Nur deswegen wolltest du dich mit uns treffen."
„Das ist nicht wahr!" beteuerte sie.
„Lüg nicht!" fuhr ich sie an. „Ihr habt euch zwei Jahre einen Scheißdreck für mich interessiert und jetzt plötzlich ist es dir wichtig, meinen Freund kennenzulernen? Verarsch mich nicht." hastig stand ich vom Stuhl auf und nahm meine Jacke.
„Olivia, mach doch jetzt nicht so eine Szene! Ich habe keinen anderen Ausweg mehr gesehen. Dein Vater-„
„Nein!" schrie ich und spürte die Blicke der anderen Café-Besucher auf mir. „Du hattest oft genug die Möglichkeit, diesen Mann zu verlassen. Meine gesamte Kindheit lang habe ich gehofft, dass du dich endlich von ihm trennst und mit mir weggehst und jedes Mal hast du dich wieder von ihm einlullen lassen. Du hättest ein besseres Leben haben können, ein gutes Leben, aber du hast dich dagegen entschieden. Mehr als einmal. Jetzt leb' mit den Konsequenzen."
„Was ist denn los?" verwirrt stand Felix hinter mir.
„Nimm deine Jacke, wir gehen." gab ich abgeklärt zurück. Mit einem fragenden Blick aber ohne zu zögern nahm er seinen Mantel v Stuhl und zog ihn sich über.
„Es tut mir leid, dass ich dachte, meine Tochter wäre reif genug, ihren Eltern auch mal aus der Patsche helfen zu können." erwiderte meine Mutter.
„Ja, mir tut's auch leid." gab ich sarkastisch zurück und nahm Felix' Hand. „Komm."
Eilig stürmte ich aus dem Café und ging noch einige Meter schneller als ich eigentlich müsste auf dem Gehweg, so als würde mich jemand verfolgen, ehe ich mein Tempo anpasste und langsamer wurde.
„Erzählst du mir, was da drin grade passiert ist?" fragte Felix, der völlig ahnungslos neben mir her ging. „Sie wollte nur Geld." antwortete ich knapp und musste mich zusammen reißen, nicht vor Wut loszuschreien.
„Sie hatte die ganze Zeit gar nichts davon erwähnt, dass sie Geldprobleme hat." wunderte er sich.
„Natürlich nicht. Sie hat ja auch nur darauf gewartet, dass du auf's Klo gehst. Sie wollte das Geld von dir und ich sollte dich darum bitten."
„Wow." sprach er fassungslos. „Wie viel?"
„Keine Ahnung." antwortete ich. Felix blieb stehen und sah mich mit vielsagendem Blick an.
„Nein!" befahl ich.
„Sie braucht bestimmt nicht viel."
„Felix, nein." wiederholte ich. „Dieses Geld wird niemals da landen, wo es hin soll. Mein Vater wird es nur versaufen. Wäre nicht das erste Mal. Die müssen einfach mal auf die Schnauze fallen, anders lernen sie es nicht."
„Hm." gab er zurück.
„Ich weiß, dass du gerne helfen möchtest. Aber wenn immer jemand da ist, um sie aus der Scheiße zu ziehen, wird mein Vater es niemals lernen. Ich habe den Fehler oft genug gemacht. Nochmal wird das nicht passieren."
Felix sah mich eindringlich an und nickte schließlich resigniert.
„Komm, wir gehen nachhause." sprach ich und nahm seine Hand. Ich versuchte, mir meine Enttäuschung nicht anmerken zu lassen. Ich hatte wirklich ganz kurz den Gedanken, dass zumindest die Bindung zwischen mir und meiner Mutter noch nicht vollständig verloren war und das die Zukunft vielleicht mehrere solcher schönen und entspannten Treffen für uns bereit hält. Da war die Naivität mal wieder stärker als die Vernunft, denn mir hätte von vorne herein klar sein müssen, dass da etwas nicht stimmt. Ich hätte von Anfang an meinem Bauchgefühl vertrauen sollen. Meine Augen füllten sich mit Tränen und so sehr ich auch dagegen ankämpfte, konnte ich eine kleine Träne nicht unterdrücken, die meine Wange hinunter lief, als wir wieder in Felix' Straße einbogen.
DU LIEST GERADE
Alles albern (Felix Lobrecht)
Fanfiction[...] Ich seufzte und wollte, ohne mich um zu sehen, auf die andere Straßenseite wechseln, als mich plötzlich ein Auto anhupte und mit quietschenden Reifen nur Zentimeter vor mir zum stehen kam. „Hey, pass doch auf!" rief ich erschrocken. „Samma?! D...