„Woran ist deine Mutter gestorben?" fragte ich vorsichtig, als ich einen Schluck aus meinem Drink nahm.
„Krebs." antwortete er. „Ich war 5 als sie starb." antwortete er auf die nächste Frage, die ich noch gar nicht gestellt hatte.
„Hm." nachdenklich sah ich ihn an.
„Ist schon n' Downer dieses Thema, wa?" fragte er belustigt und ich war mir nicht sicher, ob er es wirklich lustig fand oder ob ihm das Thema einfach nur unangenehm war.
„Tut mir leid, dass ich das nochmal angesprochen habe." entschuldigte ich mich.
„Alles gut. Ist klar, dass du neugierig bist. Ich musste dieses Gespräch schon sehr oft in meinem Leben führen." er nahm einen Schluck Cuba Libre. „Das Ding ist, die Leute denken immer, sie hätten damit total die Wunde aufgerissen und sind dann krass überfordert und wissen nicht, wie sie weiter mit dir umgehen sollen. Das ist nervig. Ich denk mir dann immer: redet einfach weiter ganz normal mit mir, so. Ich werde hier schon nicht gleich anfangen zu heulen, weißte wie ich mein'?"
„Ja, verstehe ich. Also, nein, eigentlich verstehe ich es nicht. Aber ich versteh's."
Felix musste schmunzeln.
„Erzählst du mir jetzt was von dir?" fragte er.
„Was willst du wissen?" ich sah ihn fragend an.
„Hast du Geschwister?"
„Nope. Einzelkind." ich hob schuldig die Hand.
„Traurig." lachte er.
„Ein bisschen." stimmte ich mit ein.
„Und du? Hast du außer Julian noch andere Geschwister?"
„Eine kleine Schwester noch."
„Wie ist die so?" fragte ich neugierig.
„Die ist klasse. Absolut unkompliziert. Hat nie Probleme gemacht. Abi auf dem ersten Bildungsweg und dann direkt studiert."
„Klingt nach einer Vorzeigetochter für deinen Vater."
„Nach uns beiden Trotteln musste das auch sein." lachte er. „Du bist dran. Stell mir eine Frage."
„Egal welche?" fragte ich vorsichtig.
„Egal welche." bestätigte er.
„Warum hat deine Exfreundin mit dir Schluss gemacht?"
Er lachte kurz auf. „Direkt mit dem Finger in die Wunde, wa?"
„Du hast gesagt, egal welche Frage." verteidigte ich mich.
„Stimmt." wieder nahm er einen großen Schluck aus seinem Glas, so als wäre er noch nicht betrunken genug, um über sie zu sprechen. „Ich hab' sie betrogen." antwortete er knapp.
„Hab' ich mir gedacht."
„Komm ich wie jemand rüber, der untreu ist, oder wie darf ich das verstehen?" fragte er und sah mich erwartungsvoll an.
„Ja. Also, nein. Aber du bist ständig auf Tour. Ständig unterwegs... und letzten Endes auch nur ein Mann." versuchte ich meine wirren Gedanken in Worte zu fassen.
„So könnte man das Verhalten entschuldigen. Man könnte aber auch einfach sagen, ich bin ein riesiges Arschloch."
„Wäre nicht das erste Mal, dass ich das über dich sage." sprach ich belustigt. Und erst recht nicht, dass ich das über ihn denke.
„Ich bin dran. Wie lange bist du schon Single?" fragte er.
„Ungefähr ein Jahr." antwortete ich.
„Warum hat es nicht gehalten?"
„Oh, ich weiß nicht. Lag vielleicht an den Schlägen, die ich regelmäßig kassiert habe. Oder daran, dass er mich permanent betrogen hat. Was genau jetzt der ausschlaggebende Punkt war, weiß ich gar nicht mehr genau." In meiner Antwort lag eine Menge Sarkasmus. Nur so konnte ich die noch immer in mir währenden Demütigungen unterdrücken, die jedes Mal wieder hoch kommen wollten, sobald jemand das Thema anschnitt.
Felix sah mich eindringlich an. So als wolle er versuchen, meine Gedanken und Gefühle zu lesen.
„Was ein Wichser." sagte er schließlich und umklammerte sein Glas so stark, dass ich Angst hatte, es würde gleich in seiner Hand zerspringen.
„Er wird seine gerechte Strafe bekommen." sprach ich.
„Meinst du?"
Ich nickte. „Ich glaube an ausgleichende Gerechtigkeit."
„Ich auch, irgendwie. Und irgendwie auch nicht. Keine Ahnung. Ich glaube nicht an dieses religiöse Karma-Geschiss, aber irgendwas... ach, keine Ahnung."
Solltest du vielleicht auch lieber nicht, nachdem, was du deiner Exfreundin angetan hast. dachte ich. Beschloss aber, es nicht laut auszusprechen.
„Wer ist dran mit Frage stellen?" fragte ich.
„Ich." antwortete er. „Findest du mich immer noch unsympathisch?" fragte er amüsiert.
„Nicht mehr so krass wie vorher." lachte ich.
„Na da bin ich ja beruhigt." er warf mir ein Lächeln zu. „Du bist auch ganz okay."
grinsend schaute ich auf mein Glas, welches so gut wie leer war.
„Möchtest du noch was?"
„Willst du mich gefügig machen?" fragte ich spaßeshalber.
„Das würde ich auch ohne Alkohol schaffen." lachte er.
„Denkst du?" skeptisch sah ich ihn an.
„Weiß ich." zwinkerte er mir zu und setzte ein schiefes Grinsen auf, welches mein Herz kurz einen Schlag aussetzen lies. „Also?"
„Ich denke, ich habe für heute genug." entgegnete ich ihm. „Aber wir können gerne noch eine rauchen."
„Abgemacht."
Ich nahm meine Jacke und wir gingen vor die Tür. Draußen war es schon kalt geworden, also zog ich mir äußerst umständlich meine Jacke über. Dabei rutschte mein Shirt leicht hoch und entblößte die Haut über meinen Hüftknochen. Ich sah Felix Blick und wusste sofort, dass er es gesehen hatte. Schnell zog ich mein Shirt wieder herunter.
„War das dein Ex?" fragte er und zündete sich eine Zigarette an.
„Nein, das war ich selber." antwortete ich gespielt gleichgültig und tat es ihm gleich. Jetzt würde vermutlich eine ellenlange Predigt darüber folgen, dass sowas doch nichts ändert und ich damit nur meinen Körper verschandeln würde. Als wüsste ich das nicht selber.
„Hab ich dir schon mal gezeigt, wie wenig Luft ich durch meine Nase kriege?" fragte er.
„Was?" fragte ich verwirrt. Kein blöder Spruch über meine Narben? Nicht mal ein entsetzter Blick?
„Hier, hör mal." er drückte Luft durch seine Nase und alles was ich hören konnte war ein leichtes Schnauben.
„Alter, das würde mich ja nerven."
Er zuckte mit den Schultern. „Hab mich dran gewöhnt. Wollte das auch schon immer mal operativ korrigieren lassen, aber kam bisher nicht dazu."
„Schränkt dich das doll ein?" fragte ich.
„Bei manchen Aktivitäten schon." wieder erschien sein dreckiges Grinsen auf seinem Gesicht.
Ich schüttelte den Kopf und grinste.
„Komm, lass uns rein gehen. Es ist schon spät." sprach er nach einer Weile.
Ich nickte und folgte ihm bis vor unsere Zimmertüren.
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Alles albern (Felix Lobrecht)
Fanfiction[...] Ich seufzte und wollte, ohne mich um zu sehen, auf die andere Straßenseite wechseln, als mich plötzlich ein Auto anhupte und mit quietschenden Reifen nur Zentimeter vor mir zum stehen kam. „Hey, pass doch auf!" rief ich erschrocken. „Samma?! D...