Zu gut

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31. Dezember

Nachdem wir mit der ganzen Crew hin und her überlegt hatten, ob und wo wir Silvester feiern und ob es Sinn machen würde, wieder zurück nach Berlin zu fahren, hatten wir uns dazu entschieden, die Nacht in Köln zu verbringen. Tommi hatte uns alle eingeladen, zu seiner kleinen Silvesterparty zu kommen, die er organisierte.
Als wir das Savoy betraten, wurde ich leicht melancholisch. Hier hatte das mit Felix und mir so richtig angefangen. Julian hatte uns sogar die gleichen Zimmer wie beim letzten Mal gebucht.
Ich rollte meine Koffer in mein Zimmer und sah die schwarze Badewanne mit Glaseinsatz mitten im Raum und schwor mir, sie dieses Mal auf jeden Fall auch zu benutzen. Ein bisschen Entspannung vor der Party konnte mir nicht schaden. Ich stellte also meine Koffer in die Ecke, lies Wasser in die Wanne einlaufen, legte mir ein Handtuch zurecht, entledigte mich meiner Klamotten und atmete erleichtert auf, als ich mich in das heiße Wasser legte. Auf meinem Handy spielte ich irgendeinen Podcast ab. Schon seit klein auf konnte ich absolute Stille einfach nicht ertragen.
Ich lehnte mich zurück und genoss den Moment für mich, aus dem ich kurze Zeit später wieder gerissen wurde, als mein Handy klingelte.
Felix Lobrecht. Ich seufzte und nahm das Gespräch an. „Ja bitte?"
„Sag mal, hast du ein Ladekabel für's MacBook dabei?" fragte er und ich verdrehte die Augen. „Hast du deins etwa schon wieder vergessen?"
„Möglich." lachte er. „Also?"
„Ja, habe ich. Wann brauchst du das denn?"
„Sofort. Ich muss mit Tommi noch ne Überraschungsfolge ‚Hack' aufnehmen."
Ich sah an mir herunter. „Eh, ist grad' n bisschen schlecht."
„Wieso?"
„Ich bade." antwortete ich und Felix lachte. „Das ging aber schnell."
„Ich wollte mich noch ein bisschen entspannen vor der Party." verteidigte ich mich.
„Verstehe. Es gibt hier aber auch Menschen, die arbeiten müssen und die ganz dringend ein Ladekabel brauchen." flehte er. „Ich komm' jetzt rüber."
„Wie bitte?!?!" sprach ich geschockt in den Hörer, aber Felix hatte schon aufgelegt. Keine 5 Sekunden später klopfte es an der Tür und er trat herein. Ich rutschte so weit wie möglich runter in's Wasser.
„Tut mir Leid, dass ich deine Entspannung unterbrechen muss, aber die Hackis steigen uns auf's Dach, wenn keine Überraschungsfolge kommt." sprach er, grinste und blickte mich, für meinen Geschmack, einen Schnuff zu lange von oben bis unten an.
„Ich steige dir auch gleich auf's Dach wenn du mich weiterhin so anstarrst." entgegnete ich. „Das Ladekabel ist im rechten Koffer. Kleines Fach, ganz oben."
„Beruhig dich. Ist nichts, was ich nicht eh schon gesehen habe."
Das macht es nicht weniger unangenehm.
Er kramte das Ladekabel aus meinem Koffer, drehte sich wieder zu mir um und biss sich auf die Unterlippe. „Du kannst dich übrigens wieder richtig hinsetzen, ich kann trotzdem alles sehen. Oder hast du den Glaseinsatz vergessen?" sprach er amüsiert. Sein lüsterner Blick ließ mich fast durchdrehen.
„Hast du, was du brauchst?" fragte ich leicht gereizt. „Jap." wedelte er mit dem Kabel in seiner Hand und starrte mich weiter an.
„Dann geh jetzt. Wenn's dir nichts ausmacht, würde ich hier gerne noch ein bisschen entspannen."
„Und du bist dir sicher, dass du keine Hilfe dabei brauchst?"
Meine Hormone fuhren Achterbahn. Am liebsten hätte ich ihn zu mir in's Wasser gezogen. Aber sowas taten „Freunde" nicht.
„Nein, danke. Das schaffe ich alleine." zischte ich und Felix lachte. „Danke nochmal." sprach er, ging zur Tür, warf mir noch mal einen prüfenden Blick zu und ging aus dem Zimmer.
Erleichtert darüber, dass ich meinem Verlangen nach ihm erneut widerstehen konnte, warf ich meinen Kopf zurück. In den letzten Tagen gab es immer wieder Situationen zwischen uns, in denen ich mich zusammen reißen musste, ihn nicht zu überfallen und die Kleider vom Leib zu reißen. Oder das Handtuch, so wie vorgestern, als er mir nur damit bekleidet seine Zimmertür öffnete. Meine Hormone spielten komplett verrückt. Ich wollte mein Herz wirklich vor weiteren Enttäuschungen beschützen, aber ich konnte nun mal nicht ändern, was ich für ihn empfand. Und auf diese Gefühle reagierte mein Körper entsprechend. Er hatte mir wirklich das Herz gebrochen, aber meiner Libido war das absolut egal. Dieser Mann machte mich wahnsinnig.
Nachdem die Badewanne mir weniger Entspannung brachte als erhofft, suchte ich in meinem Koffer nach etwas, dass ich heute Abend auf der Party tragen konnte. Einfach eine blaue Jeans und ein glitzerndes Top? Nein. Das war zu wenig. Ich erinnerte mich daran, dass ich ein „Notfallkleid" eingepackt hatte. Für den Fall der Fälle und dieser war nun eingetreten. Ich kramte ein wenig herum und fand es schließlich. Ein rückenfreies, dunkelrotes Midikleid mit Wasserfallausschnitt. Ich betrachtete mich im Spiegel. Mir gefiel, wie das Kleid meine Kurven betonte. Es war sexy. Ein wenig freizügig, aber auch nicht zu viel. Trotzdem elegant und schick. Dazu das einzige Paar High Heels, das ich besaß.
Ich ging in's Badezimmer, frischte meine Locken auf und machte mich fertig. Als letztes legte ich mir meine Lieblingsohrringe an und warf einen letzten Blick in den großen Spiegel im Flur.
Perfekt.
Da klopfte es plötzlich wieder an meiner Tür.
„Hier dein Lade... kabel." sprach Felix verdutzt, als er in mein Zimmer trat. Ich schmunzelte verlegen, dann musterte ich ihn ebenfalls. Er trug eine enger anliegende Jeans als sonst und ein schwarzes Hemd, welches oben weiter aufgeknöpft war und die Muskeln darunter deutlich zur Geltung brachte. Dazu seine weißen Air Force. Er sah gut aus. Zu gut. Verdammt!
„D- Danke." stammelte ich, nahm ihm das Ladekabel ab und legte es auf den Tisch neben mich.
„Bist du soweit? Ich glaube, wir können so langsam los." sprach er, wendete den Blick dabei nicht von mir ab.
„Klar, wir können los." freute ich mich. Ich legte mir meinen Wintermantel um, nahm meine Handtasche und wollte an Felix vorbei gehen, als ich über eine kleine Wölbung im Teppich stolperte und er mich grade so auffangen konnte. „Du musst mir doch nicht gleich so um den Hals fallen." lachte er und sah mir in die Augen. „Alles okay?"
„Alles bestens." sprach ich und lag dabei noch immer in seinen Armen. Unsere Blicke ruhten einen Moment auf einander.
„Du kannst mich wieder los lassen." sprach ich vorsichtig.
„Und wenn ich das gar nicht will?" Seine Augen leuchteten und mit einem schiefen Grinsen sah er mich an. Mein Herz schlug wie wild.
„Hey ihr zwei, können wir los oder was?" rief Julian aus dem Flur in's Zimmer hinein.
Felix lies mich los. Wir beide räusperten uns kurz peinlich berührt. „Wir kommen!"
Ich richtete mit ein paar Griffen mein Kleid, dann machten wir uns auf den Weg zur Party.

Alles albern (Felix Lobrecht)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt