„Verschwinde, Julian." mit dem Rücken zu mir stand Felix mitten im Raum. Seine Stimme ein Mix aus Wut und Verzweiflung.
„Ich bin's." sprach ich, ging einen Schritt auf ihn zu und legte meine Hand auf seine Schulter. Er zuckte kurz zusammen und schüttelte diese wieder von sich ab. „Ist alles in Ordnung?"
„Du solltest gehen." sprach er, noch immer von mir abgewandt.
„Ich habe euren Streit mit bekommen. Ich werde mich um ein neues Mikro kümmern." erklärte ich.
Felix lachte kurz verzweifelt auf und drehte sich zu mir um. Seine Augen waren rot und seine Wangen glänzten. Erschrocken sah ich ihn an. „Hast du geweint?"
Er sah mich nur weiter unbeirrt an und ohne darüber nachzudenken nahm ich ihn in die Arme. Es dauerte einen Moment, ehe er die Umarmung erwiderte. Er schluchzte leise und mein Herz schmerzte. Eine ganz Zeit lang standen wir nur so da, Arm in Arm.
„Was ist passiert?" fragte ich.
„Das ist zu viel."
„Was ist zu viel?"
„Alles."
Langsam verstand ich. Es ging nicht um das Mikrofon. Das war nur das, was das Fass zum überlaufen brachte. Felix war ausgebrannt.
Ich schämte mich dafür, dass ich das nicht schon vorher gemerkt hatte. Stattdessen terrorisierte ich ihn mit meiner Laune und machte wahrscheinlich alles nur noch schlimmer.
„Soll ich dir einen Tee machen?" fragte ich ein wenig überfordert. Was konnte man jemandem in seiner Situation Gutes tun?
Er schüttelte nur leicht seinen Kopf, der immer noch auf meiner Schulter ruhte.
„Wie kann ich dir denn helfen?"
„Bleib bitte einfach." seine Stimme brach bei dem letzten Wort kurz weg.
„Okay. Ich hole dir aber schnell ein Wasser, ja?"
„Nein. Du musst hier bleiben." sprach er verzweifelt. Ich löste mich aus unserer Umarmung und nahm sein Gesicht in meine Hände. Durch die Tränen hindurch wirkten seine Augen noch heller und im Kontrast mit dem Rot noch um einiges blauer. Mit meinem linken Daumen wischte ich eine Träne von seiner Wange, die langsam herunter lief.
„Ich komme sofort wieder, ich verspreche es dir. Draußen im Flur stehen zwei Wasserflaschen. Ich gehe nicht weg, okay? Ich bin nur kurz um die Ecke."
Er nickte langsam.
„Leg dich da auf's Sofa. Ich lege mich gleich dazu." sprach ich. „Versprochen." zuversichtlich lächelte ich ihn an. Dann lief ich schnell in den Flur, holte das Wasser und lief wieder zurück.
Als ich zurück in's Zimmer kam, saß Felix auf dem großen, grauen Sofa, das Gesicht in seinen Händen vergraben.
„Du solltest dich doch hinlegen." sprach ich und er schaute zu mir hoch.
„Ich hab' auf dich gewartet."
„Komm." ich stellte eine Wasserflasche auf den Tisch, die andere hielt ich ihm entgegen. „Trink etwas."
Er nahm die Flasche an sich, öffnete sie und trank einen großen Schluck, ehe er sie auf den Tisch stellte. Ich setzte mich neben ihn.
„Können wir uns so hinlegen wie heute Morgen?" fragte er und warf mir einen Hundeblick zu. „Nur kurz."
Ich nickte. Er legte sich auf das große Sofa und ich kuschelte mich nah an ihn, legte meinen Kopf auf seine Brust. Sein rechter Arm schlang sich unter meinem Körper an meiner Taille entlang.
„Ich will nicht, dass du gehst. Sie ist schon gegangen. Du darfst nicht auch noch gehen." sprach er nach einer kurzen Stille.
„Wen meinst du?" fragte ich verwirrt.
„Meine Mutter." plötzlich fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Felix hatte einmal erwähnt, dass sie in Münster begraben war. Kein Wunder, dass ihn diese Stadt so fertig machte.
„Ich werde nicht gehen." erklärte ich.
„Doch, wirst du. Du bist nur noch hier, weil du für mich arbeitest. Nach Tourabschluss werde ich dich nie wieder sehen." er drückte mich näher an sich.
„Meintest du das damit, als du mich eben gebeten hast, zu bleiben?"
„Hm." stimmte er zu. „Es ist okay für mich, wenn wir nur Freunde bleiben. Wenn es das ist, was du möchtest. Hauptsache, du bleibst in meinem Leben."
Freunde? Ich war mir nicht sicher, ob wir jemals nur Freunde bleiben könnten, aber ein Leben ganz ohne ihn? Das war auch für mich keine Option.
„Ich bleibe. Ich verspreche es dir." ich hob meinen Kopf von seiner Brust und blickte ihm in die Augen. Mit seiner linken Hand strich er eine dünne Strähne aus meinem Gesicht, streichelte über meine Wange und ein leichtes Lächeln legte sich auf seine Lippen. Alles in mir schrie danach, diese Lippen einfach zu küssen, aber ich hielt dem Verlangen stand.
„Geht's dir besser?" fragte ich stattdessen. Er nickte. „Versprichst du mir dann auch etwas?"
„Alles was du willst."
„Spiel die Show heute. Da draußen vor der Halle warten zweitausend Fans darauf, dich auf der Bühne zu sehen. Die kannst du nicht im Stich lassen." bat ich ihn.
„Natürlich spiele ich die Show, mein Schatz." sprach er, ein wenig erschöpft aber noch immer mit einem Lächeln im Gesicht. Mein Herz setzte bei dem Wort „Schatz" einen Schlag aus und ich konnte einen aufkommenden Kloß im Hals grade so herunter schlucken.
Und dieses Lächeln... verdammt, dieses blöde Lächeln.
Plötzlich wurde, ohne zu klopfen, die Tür geöffnet. Verwirrt sah Julian uns an. „Eh, sorry. Stör ich?"
„Was gibt's?" fragte Felix und wir setzten uns auf.
„Ich konnte ein anderes Mikrofon organisieren. Die Show kann gleich starten, wenn du bereit bist."
„Danke Julian." sprach er und ich war immer wieder erstaunt darüber, dass die beiden sich in dem einen Moment fast die Köpfe einschlugen und im nächsten für den anderen töten würden. Aber so war das wohl unter Geschwistern.
„Ich lass euch zwei dann mal wieder alleine." zwinkerte er und schloss die Tür hinter sich.
„Danke, dass du für mich da bist. Ich hab' gemerkt, dass du ziemlich überfordert warst." sprach er zu mir.
„Manchmal wird mir einfach alles zu viel. Dann muss ich kurz heulen und dann geht's wieder."
„Ich werde immer für dich da sein." versprach ich. „Egal wie sehr du mich manchmal nervst. Das macht man doch so... unter Freunden." Ich versuchte, ihn so ehrlich anzulächeln wie's ging, aber das Wort „Freunde" so zu benutzen, als wären wir nie mehr als das gewesen, machte mich fertig. Er lächelte zurück, mindestens genau so unehrlich wie ich.
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Alles albern (Felix Lobrecht)
Fanfiction[...] Ich seufzte und wollte, ohne mich um zu sehen, auf die andere Straßenseite wechseln, als mich plötzlich ein Auto anhupte und mit quietschenden Reifen nur Zentimeter vor mir zum stehen kam. „Hey, pass doch auf!" rief ich erschrocken. „Samma?! D...